Sahra Wagenknecht sorgt für Rentenwirbel: „Greift daher viel zu kurz“
Sahra Wagenknecht sorgt mit Aussagen zu Altersarmut und Rente für Wirbel. Die Deutsche Rentenversicherung hält dagegen und übt indirekt Kritik an der BSW-Chefin.
Hamm – Die linke Politikerin Sahra Wagenknecht gerät mit Aussagen zur Rente wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit. Das wirkt sich offenbar auch positiv auf ihre neue Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) aus. Manche Behauptungen rund um Altersarmut und Altersvorsorge sind allerdings mit Vorsicht zu genießen.
Neue Partei von Sahra Wagenknecht weckt Interesse vieler Menschen
Trotzdem findet die Politikerin nach eigenen Angaben Zuspruch in der Bevölkerung. „Wir haben aktuell 8000 Mitgliedsanträge vorliegen“, sagte die BSW-Vorsitzende Wagenknecht. Bei der Parteigründung Anfang Januar habe man für das gesamte Jahr nur maximal 1000 Mitglieder angepeilt. Aktuell zählt die Partei laut Wagenknecht gut 500 Mitglieder, dazu seien mehr als 17.000 Menschen als Unterstützer registriert.

Sahra Wagenknecht prangert Altersarmut an
Unlängst hatte die Bundestagsabgeordnete mit einer Anfrage an das Bundessozialministerium für Aufsehen gesorgt. Diese ergab: Mehr als die Hälfte der gesetzlichen Renten in Deutschland liegt unter dem Betrag von 1100 Euro im Monat. Wagenknecht schlussfolgerte dadurch eine flächendeckende Altersarmut und übte Kritik am Rentenniveau bzw. Rentensystem generell. Demnach erhalten 10,1 Millionen Menschen in Deutschland eine gesetzliche Altersrente unterhalb von 1100 Euro pro Monat, das entspricht einem Anteil von 54,3 Prozent aller Renten.
Doch die Zahlen alleine haben wenig Aussagekraft. Der Hintergrund: Man darf nicht nur auf die Einkünfte aus der staatlichen Rentenversicherung blicken. In Deutschland wird seit Anfang der 2000er-Jahre die Altersvorsorge auf drei Säulen verteilt:
- die staatliche Rentenversicherung
- die betriebliche Altersvorsorge
- die freiwillige private Vorsorge
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Deutsche Rentenversicherung kritisiert Sahra Wagenknecht indirekt
„Auch wenn die gesetzliche Rente dabei der mit Abstand bedeutendste Teil der Alterssicherung ist – die Sicherung des Lebensstandards im Alter obliegt dem Gesamtsystem aus allen drei Säulen“, erklärt ein Sprecher der Deutschen Rentenversicherung auf wa.de-Nachfrage in Bezug auf die Aussagen von Wagenknecht. Die DRV übt indirekt Kritik an der ehemaligen DieLinke-Politikerin: „Eine isolierte Betrachtung von Ansprüchen allein aus der gesetzlichen Rentenversicherung greift daher viel zu kurz.“
Wirklich viele Großverdiener gibt es unter den Rentnern in Deutschland trotzdem nicht. Unter dem Betrag von 1300 Euro rangieren demnach 12,4 Millionen (66,6 Prozent) und unter 1600 Euro im Monat 15,1 Millionen Altersrenten (81,1 Prozent). Die überwiegende Mehrheit der gesetzlichen Renten in Deutschland liegt derzeit unter 2000 Euro im Monat, nämlich in rund 17,3 Millionen Fällen oder 93,1 Prozent aller Altersrenten.
Einkommen im Ruhestand nicht nur aus gesetzlicher Rente
Die Deutsche Rentenversicherung hält auch hier dagegen und erläutert, dass sich die Einkommen der Ruheständler nicht nur aus deren gesetzlichen Renten zusammensetzen. „Hinsichtlich der Einkommenssituation von Rentnerinnen und Rentnern zeigt der Alterssicherungsbericht der Bundesregierung, dass Ehepaare in Deutschland ein durchschnittliches Netto-Gesamteinkommen aus Alterssicherungsleistungen und zusätzlichen Einkommen in Höhe von 2.907 Euro im Monat haben. Unter den alleinstehenden 65-Jährigen und Älteren beziehen Männer im Durchschnitt ein Gesamteinkommen von 1.816 Euro, bei Frauen sind es 1.607 Euro“, sagte ein Sprecher. Kein Grund für Wagenknecht allerdings, die aktuelle Renten-Situation in Deutschland nicht weiter anzuprangern.
Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)
Das „Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit“ (BSW) ist eine im Januar 2024 gegründete politische Partei in Deutschland. Führende Kraft und Namensgeberin ist die langjährige Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht. Sie war nach einem langen Richtungsstreit aus der Partie „Die Linke“ ausgetreten und gründete eine neue. „Die Linke“ verlor dadurch ihren Status als Fraktion im Bundestag.
Die Politikerin übt anlässlich der jüngst verkündeten Rentenerhöhung im Juli 2024 – wie auch FDP-Fraktionsvorsitzender Christian Dürr mit der „Flexibilisierung des Renteneintrittsalters oder Johannes Winkel, Chef der Jungen Union, mit der Forderung nach mehr finanzieller Verantwortung der Alten – Kritik am Rentensystem.
Wagenknecht kritisiert Rentenerhöhung als „unzureichend“
Die deutliche Rentenerhöhung in diesem Jahr hat sie trotz einer unerwartet hohen Steigerung als „unzureichend“ kritisiert. Dabei verwies sie auf den deutlichen Kaufkraftverlust der vergangenen Jahre. „Es ist zwar etwas mehr als die aktuelle Inflation, aber für die 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner ist es trotzdem eine Enttäuschung, denn Lebensmittel und Energie haben sich in den letzten Jahren extrem verteuert“, sagte Wagenknecht am Dienstag in Berlin.
Wagenknecht bezeichnete das Zustandekommen dieser Erhöhung außerdem als „kaum nachvollziehbar“. Sie bleibe noch hinter der Lohnentwicklung zurück, obwohl auch die Kaufkraft der Löhne seit Jahren sinke. Damit würden die deutschen Renten weit unter dem europäischen Durchschnittsniveau bleiben. „Und immer mehr alte Menschen müssen sich radikal einschränken oder bei den Tafeln anstellen“, sagte Wagenknecht. „Debatten über angeblich zu stark steigende Renten (...) sind in dieser Situation völlig deplatziert.“ (maho/dpa/afp)