Mutanten in Tschernobyl: Strahlung führt zu brisanten Veränderungen – sogar Krebsresistenz entdeckt

  1. Startseite
  2. Welt

KommentareDrucken

Die Sperrzone um Tschernobyl ist nicht nur Ort der bisher größten Nuklearkatastrophe, sondern auch ein einzigartiges Biotop – mit verblüffenden Entwicklungen in der Tierwelt.

Bremen - Der Name ist synonym mit der atomaren Katastrophe: Tschernobyl. Vor 38 Jahren kam es in dem Reaktor des Kraftwerks zur Kernschmelze, die Region in der heutigen Ukraine wurde weiträumig evakuiert. Die Menschen sind gegangen, doch viele Tiere sind geblieben. Welche Auswirkungen die Strahlen-Katastrophe auf die Tierwelt dort hat, wird nun langsam von der Wissenschaft erforscht - mit teils erstaunlichen Ergebnissen. Diese könnten auch einen Einfluss auf die Krebsforschung haben.

Frei lebende Hunde in Tschernobyl laut einer Studie genetischen Veränderungen ausgesetzt.
Frei lebende Hunde in Tschernobyl laut einer Studie genetischen Veränderungen ausgesetzt. © picture alliance/dpa/Ukrinform

Wie mehrere Studien zeigen, reagieren die Tierarten dabei ganz unterschiedlich auf die Strahlung. Die ist in manchen Teilen der bereits 1986 eingerichteten Sperrzone immer noch signifikant, wie die neuesten, noch vor dem Ukraine-Krieg vorgenommenen Messungen belegen.

Tierarten reagieren unterschiedlich auf Strahlung in Sperrzone von Chernobyl

Eine besondere Veränderung betrifft eine in dem Gebiet heimische Froschart, den Östlichen Laubfrosch. Eigentlich für seine kräftige grüne Hautfarbe bekannt, haben die Tiere offenbar im Laufe der vergangenen Jahrzehnte eine vermehrt dunklere bis tiefschwarze Färbung angenommen, wie Forscher in einer Studie schreiben.

Das Forschungsteam um den Biologen Pablo Burraco hat dafür eine Erklärung: Die dunklere Färbung nehme weniger Strahlung auf als die hellere grüne und verschaffe damit den Tieren mit dunklerer Hautfarbe einen evolutionären Vorteil. Entsprechend hätten sich die dunkleren Tiere im Radius um den Ort der Reaktor-Katastrophe auch durchgesetzt. Einfach, weil diese besser der zellschädigenden Strahlung trotzten.

Mutierte Wölfe bei Tschernobyl könnten Krebsforschung voranbringen

Eine nicht weniger spektakuläre Entdeckung haben Forscher bei Wölfen in der Sperrzone gemacht. Nicht nur konnten sich die Bestände der Tiere außergewöhnlich gut ausbreiten. Auch die relativ niedrige, jedoch seit Jahrzehnten andauernde radioaktive Strahlung hat bei den Tieren offenbar zu einer für sie vorteilhaften Anpassung geführt.

Wie Cara Love und Shane Campbell-Staton, Leiter einer mehrjährigen Studie mit den Wölfen, gegenüber dem US-amerikanischen Radiosender NPR erklären, gehen sie von einer Veränderung der Gene bei den Tieren aus, die sie deutlich resistenter gegen Krebserkrankungen mache.

„Wir haben begonnen, mit Krebsbiologen und Krebsunternehmen zusammenzuarbeiten, um uns bei der Interpretation dieser Daten zu helfen“, sagt Campbell-Staton gegenüber NPR. Auf diese Weise suche man nach etwaigen Überschneidungen, mit denen man therapeutische Ziele für Krebs beim Menschen erreichen könne. Das Unternehmen Biontech setzt bei seiner Krebs-Impfung auf eine Studie in Großbritannien.

In Tschernobyl zurückgelassene Hunde weisen Auffälligkeiten durch Strahlung auf

Auch ehemals domestizierte Tiere haben offenbar durch die anhaltende Strahlung Veränderungen durchgemacht. Laut einer Studie an über 300 frei laufenden Hunden konnten Forscher belegen, dass es nicht nur genetische Unterschiede zwischen den Hunden in der Sperrzone und andernorts auf der Welt gibt. Demnach waren die Veränderungen unterschiedlich gravierend, je nachdem, wie weit die Tiere von dem Atomkraftwerk entfernt lebten.

Wie die Forschungsgruppe um Gabriella J. Spatol vom National Human Genome Research Institute (USA) in ihrem Bericht schreibt, ist die Beobachtung der Tiere besonders interessant, um Aufschluss über die biologischen Überlebensgrundlagen von Säugetieren unter kontinuierlicher Strahlenbelastung zu erhalten. Die Hunde seien Nachfahren der Tiere, die vor knapp 40 Jahren von ihren Besitzern nach dem Super-GAU dort zurückgelassen wurden.

Allerdings sind durch den Ukraine-Krieg nachfolgende Forschungen derzeit in weite Ferne gerückt. Doch nicht nur das: Im Verlauf des Krieges war die Sorge groß vor einem weiteren Super-GAU im Atomkraftwerk Saporischschja. (pkb)

Auch interessant

Kommentare