Grundsteuer-Knall: Kommunen belasten Bürger mit höchsten Hebesätzen seit 2011 – um Schulden zu tilgen?
Leere Kassen und hohe Hebesätze: Laut einer EY-Studie haben deutsche Kommunen im vergangenen Jahr die Grundsteuer drastisch erhöht – zu Lasten von Immobilieneigentümern.
Die Schuldenberge deutscher Städte und Kommunen türmen sich – 158,84 Milliarden Euro strapazieren laut Statistischen Bundesamt die Kassen der kommunalen Verwaltungen. Diese immense Last hat weitreichende Folgen: Infrastrukturprojekte werden auf ein Mindestmaß gekürzt, Kultur- und Sportangebote fallen mancherorts ganz weg, und immer häufiger müssen die Bürger die Zeche zahlen. Denn um die leeren Kassen zu füllen, setzen laut einer EY-Studie immer mehr Kommunen auf drastische Hebesätze bei der Grundsteuer.
EY-Studie: Kommunen versinken in Schulden und setzen Grundsteuerhebesätze auf 400 Prozent fest
53 Prozent Kommunen veranschlagten im vergangenen Jahr einen Hebesatz von mehr als 400 Prozent – ein drastischer Anstieg im Vergleich zu 2005, als es nur fünf Prozent waren. Die Beratungs- und Prüfungsgesellschaft konstatiert auch, dass vor 19 Jahren noch fast ein Viertel der Kommunen (22 Prozent) unter der 300er-Marke lagen – zum Vergleich: Aktuelle sind es nur noch drei Prozent.
Die Grundsteuer wird für alle Inhaber eines Grundstücks oder Gebäude fällig. Die Höhe richtet sich dabei nach dem Wert und der Art des Grundbesitzes sowie dem Hebesatz. Diesen kann jede Kommune gemäß Gemeindesteuerrecht eigenständig erhöhen – oder seltener: auch senken. In der Regel liegt der jährliche Betrag für Wohnungs- und Hauseigentümer bei einem mittleren Hundert-Euro-Betrag, für Besitzer von (größeren) Mietshäusern kommt oftmals ein vierstelliger Betrag zusammen.

Trend setzt sich 2013 fort: Grundsteuer wird teurer – und steigt auf höchsten Wert seit 2011
Stuttgart – Laut dem EY-Bericht erhöhten rund 2.671 Kommunen den Hebesatz im vergangenen Jahr. Die Anzahl umfasst circa ein Viertel aller Städte und Gemeinden in Deutschland. Während die Kommunen den Hebesatz in den Jahren 2021 (um acht Prozent) und 2022 (13) jeweils deutlich angehoben hatten, steigerte sich dieser Trend im vergangenen Jahr nochmal deutlich um 18 Prozentpunkt. Damit erreicht der Wert einen Rekord, der letztmalig 2011 mit einem durchschnittlichen Hebesatz von 317 Prozent gerissen wurde.
Demgegenüber stehen im Jahr 2023 nur 49 Kommunen, die den Hebesatz gesenkt haben. Das entspricht 0,4 Prozent aller 10.800 deutschen Kommunen. Für EY-Experten Heinrich Fleischer besteht ein Zusammenhang zwischen der hohen Verschuldung der Kommunen und den in der Vergangenheit kontinuierlich gestiegenen Grundsteuer. Diese hätten die Kostensteigerungen an die Bürger weitergegeben: „Die anhaltend schlechte Finanzlage vieler Kommunen erfordert häufig eine Anhebung der Hebesätze“.
Bayern liegt bei Hebesätzen im unteren Mittelfeld – NRW, Hessen und Rheinland-Pfalz an der Spitze
Das Bundesland Bayern liegt in der EY-Auswertung mit einem durchschnittlichen Hebesatz von 355 Prozent im unteren Bereich – Spitzenreiter sind dagegen Nordrhein-Westfalen (577), Hessen (507) und Rheinland-Pfalz (464). Laut den Autoren geht der sprunghafte Anstieg unter anderem auf eine Entwicklung in Rheinland-Pfalz zurück. Aufgrund einer Reform im kommunalen Finanzausgleich hoben vier von fünf Kommunen in 2023 die Hebesätze an, um etwaige Einnahmenverluste zu vermeiden.
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Für 2025 werden sich allerdings Änderungen im Berechnungsverfahren ergeben. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018 erklärten die Richter die bisherige Bemessungsgrundlage nach dem sogenannten Einheitswert für unzulässig. Dieser berücksichtigt etwa Faktoren wie Bodenrichtwert, die Fläche sowie die Art der Nutzung des Grundstücks. Allerdings basieren die Informationen des Finanzamtes auf veralteten Daten aus Westdeutschland (1964) und Ostdeutschland (1935). Dadurch würden eigentlich gleiche Grundstücke unterschiedlich bewertet. Somit müssen die Finanzämter die Grundsteuer von 36 Millionen Immobilien in Deutschland neu berechnen.
Fleischer befürchtet, dass sich die „regelrechte Welle an Steuererhöhungen“ kurz vor Inkrafttreten der Grundsteuer-Reform noch ausweiten werde. „Die Versuchung, im Zuge der Umstellung auf das neue Grundsteuer-Modell zusätzliche Mehreinnahmen zu generieren, ist sehr groß.“