„Gefährlicher Separatist“: Warum China Taiwans neuen Präsidenten fürchtet

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Auch am Freitag gehen Chinas Militärmanöver rund um Taiwan weiter. Peking wirft dem neuen Präsidenten des Inselstaats vor, ein „gefährlicher Separatist“ zu sein. Aber wofür steht Lai Ching-te wirklich?

Als junger Mann habe er sich entschieden, Arzt zu werden, um „Leben zu retten“, sagte Taiwans neuer Präsident bei seiner Amtseinführung am vergangenen Montag. In die Politik sei er gegangen, um „Taiwan zu verändern“. Ob Lai Ching-te, ein ehemaliger Nierenarzt, sein Land tatsächlich verändern wird und wie, das wird sich in den kommenden vier Jahren zeigen.

Herausforderungen gibt es viele, so leidet der 24-Millionen-Einwohner-Staat unter einer zunehmenden sozialen Ungleichheit, vor allem junge Menschen klagen über niedrige Löhne und hohe Mieten. Gleichzeitig hat Lais Demokratische Fortschrittspartei (DPP) keine Mehrheit im Parlament, und die Opposition macht bislang keinerlei Anstalten, mit der Regierung zusammenzuarbeiten. Probleme lassen sich so nur schwerlich lösen. Das zeigte sich zuletzt Ende vergangener Woche, als mehrere Parlamentsabgeordnete prügelnd aufeinander losgingen.

Immerhin: Es sind Probleme, die sich bewältigen lassen, wenn alle Beteiligten es nur wollen. Deutlich schwieriger ist das im Umgang mit China. Die kommunistische Volksrepublik betrachtet das demokratisch regierte Taiwan als Teil des eigenen Staatsgebiets und droht damit, den Inselstaat mit Gewalt ans Festland anzugliedern. International wird sich Lai Ching-te aber vor allem daran messen lassen müssen, wie er das Verhältnis zu Peking navigiert.

China droht Taiwan mit Blutvergießen

Am Donnerstag, nur drei Tage nach Lais Amtsantritt, begann Chinas Volksbefreiungsarmee mit großangelegten Militärmanövern rund um Taiwan, die am Freitag fortgesetzt wurden. Bei den auf zwei Tage angelegten Übungen werde die „Fähigkeit zur gemeinsamen Machtübernahme, zu gemeinsamen Angriffen und zur Kontrolle von Schlüsselgebieten“ getestet, hieß es am Freitag aus dem Verteidigungsministerium in Peking. Tags zuvor hatte ein Sprecher des Außenamts der taiwanischen Regierung mit Blutvergießen gedroht: „Die Unabhängigkeitskräfte werden mit zerschmetterten Schädeln und im Blut enden.“ Gemeint war Lai.

Peking wirft Lai Ching-te vor, er wolle Taiwan formell für unabhängig von China erklären. Bislang betrachten sich sowohl die Regierung in Peking als auch die Regierung in Taipeh als Vertreter eines einzigen Chinas, das auf dem Festland als Volksrepublik China auftritt und auf der Insel als Republik China. Anders als Peking strebt Taipeh allerdings nicht mehr nach einer Vereinigung.

Der 64-jährige Lai sei ein „gefährlicher Separatist“, tönt es aus Peking immer wieder. Tatsächlich hatte sich Lai vor Jahren zum „pragmatischen Arbeiter für die Unabhängigkeit Taiwans“ erklärt. Ein Satz, der seitdem an ihm klebt. Mindestens genauso lange aber versucht Lai klarzustellen, was er eigentlich meint: dass er den Status quo beibehalten will, nach dem Taiwan faktisch unabhängig ist von China, nicht aber formell. „Ich hoffe, dass China sich der Realität stellt, dass die Republik China existiert“, sagte Lai am Montag.

Am Montag wurde Taiwans neuer Präsident Lai Ching-te im Amt vereidigt.
Am Montag wurde Taiwans neuer Präsident Lai Ching-te im Amt vereidigt. © Imago/Kyodo News

Chinesische Internetnutzer fordern: „Taiwan zurückholen“

Die rote Linie Pekings wird auch Lai kaum überschreiten, denn er weiß: Aus Muskelspielen, wie sie China derzeit vor den Küsten Taiwans probt, könnte dann sehr schnell bitterer Ernst werden. Und auch die große Mehrheit der Taiwaner wünscht keine Veränderung. Einer Umfrage vom vergangenen Jahr zufolge wollen weniger als vier Prozent der Befragten die sofortige Unabhängigkeit von Peking. Ein paar wenige träumen vom Anschluss an China, fast 90 Prozent plädieren für ein Weiter-so. Auch wenn das bedeutet, dass die Lage Taiwans prekär bleibt: Nur noch zwölf Länder unterhalten diplomatische Beziehungen zur Regierung in Taipeh, fast alles winzige Inselstaaten in der Karibik und der Südsee. Peking setzt alles daran, die taiwanische Regierung international zu isolieren.

Lai dürfte in den kommenden Jahren kaum abweichen vom Kurs seiner Amtsvorgängerin und Parteifreundin Tsai Ing-wen, die auf Distanz zu Peking gegangen ist, das eine große Tabu aber nie brach. Und auch die USA, Taiwans wichtigster Verbündeter, dürften ganz genau darauf achten, dass Lai nicht zu weit geht.

Für einen kurzen Moment klang Lai am vergangenen Montag aber doch wieder wie früher, wie der „Arbeiter für die Unabhängigkeit Taiwans“. Da nämlich sagte er vor seinen Anhängern: „Einige nennen dieses Land die Republik China, andere nennen es Republik China Taiwan, wieder andere: Taiwan.“ Auf dem chinesischen sozialen Netzwerk Weibo wurde der Ausschnitt aus Lais Rede in den Tagen danach fleißig geteilt, der Hashtag dazu war eine unverhohlene Aufforderung: „Taiwan zurückholen“.

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