Wegen „großzügiger“ Migration: „Deutsches Schulsystem restlos überfordert“
Wer zu Hause kein Deutsch spricht, hat schlechtere Noten. Braucht es daher verpflichtende Sprachtests? Der Lehrerverband sagt: ja – und Bayern beginnt sein Projekt.
Fast drei von zehn Kindern an deutschen Schulen haben aktuell einen Migrationshintergrund. 29 Prozent waren es im Jahr 2023, wie das Statistische Bundesamt mitteilt. Aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor. Aber die Bundesländer zeigen ein ähnliches Bild.
In Bayern ist der Anteil an Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in den letzten Jahren immer weiter angestiegen, wie das Kultusministerium auf Anfrage des Münchner Merkur erklärt. Im Schuljahr 2015/16 hatten bayernweit 16,7 Prozent aller Schüler einen Migrationshintergrund; 2023/24 waren es 28,0 Prozent. Was macht das mit den Schulen im Land?
Ex-Lehrerpräsident Kraus zu Migration: „Das deutsche Schulsystem ist restlos überfordert“
Josef Kraus war 30 Jahre Vorsitzender des Deutschen Lehrerverbands. Er sagt im Gespräch mit dem Münchner Merkur.: „Das deutsche Schulsystem ist mit der großzügigen Zuwanderungspolitik der letzten Jahre restlos überfordert“. Migration habe gar einen Einfluss auf die schulischen Leistungen. „Auch wegen hoher Migrantenanteile müssen die Ansprüche heruntergefahren werden“, so Kraus. „Eine pensionierte Grundschulrektorin aus Frankfurt sagte mir: Was wir früher in der zweiten Klasse verlangt haben, können wir heute erst in der vierten voraussetzen.“

Auch der Sachverständigenrat für Integration und Migration beobachtet: „Die hohe Fluchtzuwanderung stellt die hiesigen Bildungseinrichtungen vor große Herausforderungen.“ Das liege unter anderem an sprachlichen Defiziten (dazu später mehr).
Migration im Unterricht: Viel Hauptschule, wenig Gymnasium
Klar ist für den Sachverständigenrat für Integration und Migration auch: Menschen mit Migrationshintergrund haben in Deutschland deutlich geringere Bildungschancen. Der Verband spricht gar von der „Benachteiligung von jungen Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem“. Das liegt zum einen daran, dass sie vor allem an Mittel- und Hauptschulen vertreten sind. In Bayern sieht es im laufendem Schuljahr laut Kultusministerium wie folgt aus:
- Grundschule: 33,2 Prozent Schüler mit Migrationshintergrund
- Mittel- und Hauptschule: 49,5
- Realschule: 20,5 Prozent
- Gymnasium: 18,6 Prozent
„Benachteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem“
Mit Blick auf verschiedene Studien heißt es auch, „dass die schulischen Kompetenzen von jungen Menschen mit Migrationshintergrund weiterhin erheblich hinter denen von Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund zurückbleiben.“ Das zeigt sich auch am Schulabschluss.
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Braucht es Sprachtests für Menschen mit Migrationshintergrund?
Woran liegt das? Der Sachverständigenrat betont, Menschen mit Migrationshintergrund seien nicht einfach „dümmer“. Vielmehr könne „die mangelnde Kenntnis des deutschen Bildungssystems und die Dominanz der Herkunftssprache innerhalb der Familie den Bildungserfolg hemmen“. Heißt: Es hapert offenbar auch an ausreichenden Kenntnissen in der deutschen Sprache.
Das sieht auch Kraus so: „In Ballungsgebieten sprechen in den Grundschulen immer weniger Schüler Deutsch“, schildert der frühere Lehrerpräsident. „Auch, weil viele Migrantenfamilien zu Hause kaum Deutsch sprechen.“ Daher müsse man hier gegensteuern. „Vor der Einschulung sollte ein Sprachstandardtest gemacht werden. Wenn ein Kind diesen Test nicht besteht, muss es ein Jahr lang eine Sprachlernklasse besuchen.“
Der amtierende Präsident des Lehrerverbands, Josef Düll, sieht es ähnlich. Wer zu Hause selten oder nie Deutsche spreche, hätte „ein geringeres Kompetenzniveau im Lesen und Zuhören“, so Düll auf Anfrage unserer Redaktion. Dieser Kinder müssten allerdings gefördert werden. „Deshalb spricht sich der Deutsche Lehrerverband für Sprachtests und eine daraus folgende verbindliche Sprachförderung im Vorschulalter aus, damit alle Kinder und Jugendlichen ihre Bildungsbiografie erfolgreich starten und im Verlauf ihrer Schulzeit darauf aufbauen können.“
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Tatsächlich entscheidet sich der schulische Bildungsweg schon in Kinderschuhen, erklärt der Sachverständigenrat. „Bereits im Vorschulalter weisen viele Kinder mit Migrationshintergrund geringere mathematische, sprachliche sowie naturwissenschaftliche Kompetenzen auf“, heißt es mit Blick auf eine Studie des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik. Politisch sind Sprachtests immer wieder Thema. Der Freistaat Bayern prüft bereits die Deutschkenntnisse von Schüler mit Migrationshintergrund.
Sprachtests für Kinder in Bayern
Im November 2024 hat der bayerische Landtag mit der Koalitionsmehrheit von CSU und Freien Wählern dem Gesetzesentwurf für verpflichtende Sprachtests zugestimmt. Die Forderungen reichen weit zurück: Bereits 2023 hatte Innenminister Joachim Herrmann im Gespräch mit dem Münchner Merkur solche Tests gefordert. Seit dem 10. März 2025 müssen alle Kinder – all jene, die im September 2026 in die Schule kommen – im Freistaat vor der Einschulung einen obligatorischen Sprachtest ablegen – und falls nötig anschließend Deutsch-Kurse besuchen.
Kinder, deren Deutschkenntnisse dann am Ende dennoch nicht ausreichend sind, sollen von der Einschulung zurückgestellt werden. Über die Sprachtests hatte es im Landtag viel Streit gegeben. Die Opposition kritisierte das Vorhaben unter anderem als nicht ausgereift.
Auch der Sachverständigenrat Integration will verpflichtende Sprachtests, allerdings nicht nur für Kinder mit Migrationshintergrund, sondern für „alle“. Konkret fordert der Verband „eine verbindliche Sprachstandsdiagnostik, also eine Deutschprüfung, für alle Kinder ab vier Jahren und eine anschließende wissenschaftlich fundierte, alltagsintegrierte Unterstützung von förderbedürftigen Kindern“.
Kraus-Nachfolger Düll betont auch: „Die Probleme im Schulbereich auf ein einzelnes Thema wie den Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund zurückzuführen, führt nicht weiter.“ Denn: „Das deutsche Schulsystem leidet unter verschiedenen Problemen.“ Konkret: Sanierungsstau, Digitalisierung und Lehrkräftemangel. Das weiß auch Kraus, der die Fehler mitunter aber auch hausgemacht sieht. „Wir haben unser Bildungssystem selbst kaputt gemacht“, sagt Kraus im Interview.