Leben Millionen Menschen ungesund? Ernährungswissenschaftler entlarvt Frühstücks-Mythos

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Ist Frühstück die wichtigste Mahlzeit des Tages – oder ist das ein Mythos? Die Wissenschaft ist sich uneins und die Antwort individueller als gedacht.

Berlin – Die Studienlage zu den gesundheitlichen Vorteilen des Frühstückens ist unklar. Dennoch gibt es gute Gründe, morgens zu essen – und bestimmte Kriterien, die ein gesundes Frühstück ausmachen.

Frühstücken oder nicht Frühstücken? Das sagt die Studienlage

Vor rund zehn Jahren fasste die Ärzte Zeitung die Studienlage zum Thema Frühstück zusammen. Das Ergebnis, damals wie heute: uneindeutig. Eine Studie in acht europäischen Ländern mit 5444 Kindern und Eltern wies etwa darauf hin, dass Frühstück als Schutz vor Übergewicht dienen könnte. Doch Korrelation ist nicht gleich Kausalität: Auch der Bildungsgrad der Eltern kann als Erklärung für das unterschiedliche Gewicht herangezogen werden. Klare Vorteile wie etwa stabilere Blutzuckerwerte von „Frühstückern“ am Nachmittag und Abend, stellte indes eine andere Untersuchung fest. Kinder, die täglich pünktlich frühstückten, hatten laut einer weiteren Studie deutlich bessere schulische Leistungen.

Ein weiteres Forschungsergebnis zeigte: Im Vergleich zu Kindern, die auf das Frühstück verzichteten, wiesen jene, die täglich frühstückten, ein reduziertes Risiko für die Entwicklung von Typ-2-Diabetes auf. Menschen, die frühstücken, haben laut Forschenden insgesamt bessere Essgewohnheiten und bewegen sich mehr. Unklar ist allerdings, ob Frühstücken zu mehr Bewegung führt oder der Bewegungsmangel durch andere Faktoren bedingt ist. Unterm Strich ist die Studienlage laut Fachleuten zu inkonsistent – besonders was den Einfluss auf die Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems angeht. „Schützt das tägliche Frühstück nun vor Übergewicht und Krankheiten? Eine eindeutige Frage darauf gibt es bislang nicht“, kommentiert der Ernährungswissenschaftler Uwe Knop in einem Gastbeitrag bei Focus.

Ernährungsmythen auf dem Prüfstand: Warum Frühstück für manche wichtig ist und für andere nicht

Der Ernährungs-Experte Knop rät, dem eigenen Bauchgefühl zu folgen – im wahrsten Sinne des Wortes. „Die wichtigste Mahlzeit des Tages ist immer die, die persönlich für einen am wichtigsten ist – egal ob morgens, mittags, abends oder zwischendrin“, so Knop. Eine Rolle spiele dabei, ob jemand Frühaufsteher sei oder gerne länger schläft. „Bin ich eher Morgenmensch oder blühe ich abends erst so richtig auf?“ Denn wie „wichtig“ ein Essen sei, das hänge vom hochkomplexen Zusammenspiel zahlreicher individueller Lebensstilfaktoren, Gene, Stoffwechsel und der Chronobiologie ab, so der Experte zu Focus weiter.

Das Fazit lautet also: „Wer morgens keinen Hunger hat, der muss und sollte auch nichts essen.“ Für alle, die frühstücken, gibt es laut dem Ernährungswissenschaftler kein Patentrezept: „Es gibt so viele gesunde Frühstücke, wie es Menschen gibt, denn jeder Mensch is(s)t anders“, meint Knop. „Ob Sie dabei herzhaft speisen oder süß oder gemischt und wie viel wovon – das obliegt ganz ihren Vorlieben und Abneigungen.“ Erlaubt ist, was gefällt, das kann auch unkonventionell sein, meint der Experte. Wer morgens gerne heiße scharfe Suppen löffle, solle das tun.

Allerdings gibt es auch dazu – wie sollte es anders sein – gegenteilige Meinungen. „Studien legen nahe, dass ein proteinreiches Frühstück den Blutzuckerspiegel über den Tag stabiler hält“, meint Marina D’Urso vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke gegenüber der Apotheken Umschau. Der Ernährungswissenschaftler Knop hält sich an seinen eigenen Rat und isst morgens nichts, sondern trinkt „fünf bis sieben Tassen“ Kaffee Crema, wie er sagt. Forschende aus Peking sehen genau darin ein erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen des Magen-Darm-Trakts, der Speiseröhre, des Magens, des Dickdarms, der Leber, der Gallenblase und der extrahepatischen Gallenwege. Es bleibt also dabei: so weit, so unklar.

Ernährungswissenschaften: Ist das Frühstück wirklich die wichtigste Mahlzeit des Tages?
Ernährungswissenschaften: Ist das Frühstück wirklich die wichtigste Mahlzeit des Tages? ©  IMAGO / Westend61

Zwillinge als Schlüssel? Wie Forscher genetische Faktoren ausschließen

Die Ernährungswissenschaft steht vor mehreren Herausforderungen: Viele Effekte haben multifaktorielle Ursachen, Störfaktoren wie Stress sind in Studien nur schwer isolierbar. Der Goldstandard der Forschung, randomisierte kontrollierte Studien, sind in diesem Bereich kaum praktikabel, und Selbstauskünfte erweisen sich oft als ungenau. Zudem kann die gleiche Ernährung bei verschiedenen Menschen unterschiedlich wirken – abhängig von Genetik, Lebensstil, sozioökonomischen Faktoren und dem individuellen Mikrobiom.

Zwillingsstudien ermöglichen es, zumindest den Faktor Genetik auszuschließen. Unlängst fanden Forschende der Stanford Universität so heraus, dass vegane Ernährung die Gesundheit positiv beeinflusst. Allein mit einer Mahlzeit steht und fällt die Gesundheit aber nicht. Der Berliner Ernährungsforscher Stefan Kabisch weist im Gespräch mit der Apotheken Umschau daraufhin, dass viele Faktoren über die Gesundheit entscheiden, darunter Ernährung, Bewegung, Rauchen, Stress, Umweltbelastung.

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