„Wäre Einknicken gegenüber Bigtech-Oligarchie aus den USA“ – Gewerkschaftschefin fordert neue Lohnpolitik

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Die Wirtschaft kriselt und braucht Investitionen. Dabei dürften nicht nur Unternehmen im Fokus stehen, fordert Gewerkschaftschefin Fahimi. Sie kritisiert Trump und die CSU.

Berlin – Bundeskanzler Friedrich Merz trat sein Amt mit dem Versprechen an, die kriselnde deutsche Wirtschaft mit dem dritten Jahr ohne Wachstum wieder ins Laufen zu bringen. Nicht zuletzt deswegen haben viele ihn gewählt. Dass die Bundesregierung aber gar nicht in Eigenregie über Gedeih und Verderben ihrer exportorientierten Wirtschaft entscheiden kann, macht Donald Trumps wirre Wirtschafts- und Zollpolitik deutlich. Sie schwächt die Konjunkturaussichten weltweit. Yasmin Fahimi, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), stellt deshalb klare Forderungen an Merz und kritisiert vor allem zu lockeres Geldausgeben der CSU.

Wirtschaftswende in Deutschland – geht es ohne die USA?

Im Rahmen des diesjährigen IMK-Forums, eines Wirtschaftstags der Hans-Böckler-Stiftung unter dem Motto „Wie sichern wir unseren Wohlstand?“ hielt Fahimi ein Plädoyer, sich Trumps zerstörerischem Kurs zu widersetzen und stattdessen auf die eigenen Stärken Deutschlands und Europas zu setzen. „Wir haben einen US-Präsidenten, der nicht nur disruptiv, sondern geradezu chaotisch und zerstörerisch mit der Ordnung nach dem Zweiten Weltkrieg und den Handelsbeziehungen nach dem Kalten Krieg umgeht – in einer Art und Weise, die am Ende Rezession bedeuten wird“, sagte Fahimi auf der Veranstaltung in Berlin. Hinzu komme Chinas harte wirtschaftliche Konkurrenz durch den „Staatskapitalismus“ der Volksrepublik sowie die Energieversorgungsschwierigkeiten durch Putins Angriffskrieg in der Ukraine.

DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi bei einer Rede zum ersten Mai. Die Gewerkschafterin fordert Mut im Umgang mit Donald Trumps Bigtech-Oligarchie-Politik.
Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi bei einer Rede zum 1. Mai. Die Gewerkschafterin fordert Mut im Umgang mit Donald Trumps Bigtech-Oligarchie-Politik. © IMAGO/Uwe Meinhold

„Es braucht jetzt eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik. Sie muss darin bestehen, Abhängigkeiten herunterzufahren, den eigenen Markt zu stärken, Resilienz in den Lieferketten zu schaffen“, forderte die Gewerkschaftschefin. Fahimi will, dass Deutschland neue Absatzmärkte schafft – und das, ohne den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft infrage zu stellen. Derzeit exportiert Deutschland den höchsten Warenwert in die USA, insgesamt ist jedoch der EU-Raum der mit großem Abstand wichtigste Absatzmarkt der Bundesrepublik. China steht an fünfter Stelle, wie Außenhandelsdaten des Statistischen Bundesamts von 2024 zeigen.

Deutschland und Europa gegen Trumps Bigtech-Oligarchie

Fahimi machte klar, dass Trumps Kurs auf die europäische Souveränität abziele und es deshalb um mehr, als „nur“ die wirtschaftliche Zukunft Europas gehe. Europas Antwort auf die USA dürfe allerdings nicht das Senken eigener Lohnstandards sein. „Sparen und Einschränken der sozialen Rechte wäre grundsätzlich der falsche Weg. Es wäre ein Einknicken gegenüber dieser aggressiven, Bigtech-Oligarchie-Politik aus den USA, und das darf auf keinen Fall passieren.“ Stattdessen müsse Europa an seinen Prinzipien und Werten festhalten.

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Denn, so Fahimis Argument: In Zeiten Trumps disruptiver Politik sind europäische Werte wie faire Löhne für das Fortbestehen des demokratischen Systems und des gesellschaftlichen Zusammenhalts wichtiger denn je. „Dazu gehört eine besser bezahlbare Daseinsvorsorge, damit die Menschen merken, es wird nicht nur Geld an Klientel gegeben und es gibt nicht nur Krisen“, so Fahimi. Außerdem müssten sich die Menschen dann nicht fragen müssen: „‚Was bleibt für mich?‘“

Die DGB-Chefin plädiert deshalb für mehr Investitionen und begrüßt die Vorhaben der neuen Bundesregierung, über Sondervermögen und Reform der Schuldenbremse mehr Geld in die Hand zu nehmen. Besonders in Sachen Energieversorgung und Digitalisierung, aber auch bei Krankenhäusern, Kitas, bezahlbarem Wohnraum und Bildung sieht sie Luft nach oben. „Wir müssen nicht nur mehr in Beton, sondern auch in Menschen investieren. Wir können uns diesen Zustand nicht mehr leisten, dass wir Millionen Menschen auf diesem Arbeitsmarkt ohne Ausbildung lassen.“

DGB kritisiert CSU und ihre widersprüchlichen Spar-Aussagen

Geht es nach dem DGB, sollte die Bundesregierung in den nächsten Jahren deutlich mehr investieren. Allein für den Ausbau des Stromnetzes sind laut Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in den nächsten 20 Jahren 650 Milliarden Euro nötig. Fahimi fordert von Kanzler Merz (CDU) und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) deshalb ein zeitlich unbegrenztes Infrastruktur-Sondervermögen, ähnlich wie bei den Ausgaben für die Verteidigung. So würden die deutsche Industrie und Angestellte geschützt. „Öffentliche Gelder müssen künftig stärker daran geknüpft werden, dass es Zusagen an Standortsicherung gibt. Staatliche Förderung muss auch heißen, dass nach Tarif bezahlt wird – Lohndumping und Tarifflucht dürfen nicht mit öffentlichen Mitteln weiter unterstützt werden.“

Schulden um der Schulden willen lehnen Fahimi und der Gewerkschaftsbund jedoch ab, wie die DGB-Chefin betonte. Dabei teilte sie noch gegen die CSU aus. Denn trotz großspuriger Sparankündigungen der Union stellen besonders die Christsozialen weiterhin teure Wahlgeschenke wie die Senkung der Gastro-Steuer, den günstigen Agrardiesel oder die Mütterrente in Aussicht: „Wenn Konsolidierung als gesamtgesellschaftliche Daueraufgabe deklariert wird, muss man schon fragen, ob an der Stelle das Geld richtig ausgegeben ist, oder ob das einfach Klientelgeschenke sind, die man sich einfach sparen könnte“, kritisierte Fahimi. Stattdessen werde über Kürzungen im Sozialhaushalt gesprochen, was sie als „falschen Weg“ bezeichnete, der gesellschaftliche Verwerfungen provoziere.

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