Bundestagswahl-Umfragen trotz Massenprotesten wie zementiert – doch Politologe erwartet CDU-Folgen

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Merz hat die Abstimmung mit der AfD in Bundestagswahl-Umfragen nicht geschadet. Für die Union könnte die Debatte dennoch auf zwei Ebenen „gefährlich“ werden.

Berlin – Infolge der heftig geführten Migrationsdebatte und der Proteste gegen die Unions-Abstimmung mit der AfD wurden mit Spannung die ersten Umfragen zur Bundestagswahl erwartet. Schnell hat sich dann jedoch gezeigt: An der Zustimmung für die Parteien vor der Bundestagswahl scheint die umstrittene Abstimmung wenig geändert zu haben – in den Umfragen ist nach wie vor kaum Bewegung. Wolfgang Schroeder, Politikwissenschaftler der Universität Kassel, erklärt, warum sich in den Umfragen trotz heftiger Kritik und Massenprotesten nicht viel geändert hat – und welche „Gefährdung“ die Debatte für die Union dennoch darstellen könnte.

Wenig Bewegung in Umfragen zur Bundestagswahl: Politologe sieht sich ausgleichenden Wechsel

Die Umfragewerte von Union, AfD, SPD und Grünen seien seit einem Jahr „fast eingefroren“, erklärt Schroeder, im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. „Gleichwohl ermöglichen die Debatten, die im Nachgang zu den paradoxen Interventionen von Friedrich Merz ausgelöst wurden und die Fernsehduelle noch etwas Spielraum.“ Auch derzeit sehe er Zustimmungswechsel beispielsweise zwischen CDU, SPD und Grünen, die sich in den Umfragewerten jedoch ausgleichen.

Umfrage-Sieger nach Protesten gegen AfD und Merz: Die Linken „profitieren von Mobilisierung“

Als viel entscheidender ordnet der Politologe daher die Bewegung am unteren Rand – im fünf-Prozent-Bereich – ein. Mit FDP, BSW und der Linkspartei gibt es derzeit drei Parteien, die an der fünf-Prozent-Hürde kratzen. „Und das wird dann den Ausschlag dafür geben, ob es eine Dreier-Koalition bedarf oder ob eine Zweier-Koalition hinreicht.“

Nur für eine Partei hat sich in den jüngsten Umfragen möglicherweise entscheidend etwas verschoben: Die Linke. Die Partei erlebt jüngst einen Aufschwung und liegt in Umfragen zwei Wochen vor der Bundestagswahl oberhalb der fünf Prozent. Die Linken, erklärt Schroeder im Gespräch mit IPPEN.MEDIA, „profitieren von der Profilierungsschwäche der SPD, der Grünen und der Mobilisierung auf der Straße“. Hier würde der Protest gegen die AfD und das Vorgehen von CDU-Chef Friedrich Merz auf das Konto der Linken einzahlen.

CDU-Chef Friedrich Merz hat mit seinen Migrationsplänen und der Abstimmung mit der AfD Kritik auf sich gezogen
CDU-Chef Friedrich Merz hat mit seinen Migrationsplänen und der Abstimmung mit der AfD Kritik auf sich gezogen. (Archivbild) © IMAGO / Mauersberger

Merz steht in der Kritik, weil er vergangene Woche im Bundestag in Kauf nahm, dass sein Fünf-Punkte-Plan zur Migration mithilfe der AfD eine Mehrheit bekam. Am Freitag scheiterte ein Gesetzentwurf trotz Zustimmung der AfD daran, dass etliche Abgeordnete von Union und FDP nicht an der Abstimmung teilnahmen.

Umfragen wie zementiert – trotz Protesten: „Nicht gelungen, in den Unionskorridor einzuwirken“

Dass die Massenproteste infolge der Migrations-Abstimmung sich nicht signifikant in den Umfragen niedergeschlagen haben, begründet Schroeder damit, dass die Proteste „innerhalb des Lagers, außerhalb der Union“ geblieben seien. Den Protesten sei es „nicht gelungen, in den Unionskorridor wirklich hineinzuwirken“. Dennoch betont der Politikwissenschaftler, „ist der Protest wichtig, um Sichtbarkeit für die andere demokratische Option und vor allen Dingen für die Position, dass keine gemeinsame Sache mit der AfD gemacht wird“.

Der Wahlforscher Matthias Jung benannte die Proteste gegen die Union vor allem auch als eine Selbstvergewisserung für entsprechende Wählerschichten. „Aber sie erzeugen auch eine Gegenmobilisierung, die insgesamt zu dieser Stabilität in den Umfragen führt“, sagte Jung gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Dem Vorstandsmitglied der Forschungsgruppe Wahlen zufolge habe dies in den Umfragen letztlich zu einem Nullsummenspiel geführt.

Folgen der AfD-Abstimmung: „Kann bedeuten, dass die Union ihren Kandidaten am Ende nicht halten kann“

Unabhängig von den stagnierenden Umfragewerten betont Schroeder andere mögliche Folgen, die die Abstimmung für die Union möglicherweise nach sich ziehen könnte. „Der entscheidende Faktor wird zu suchen sein, im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Union.“ Mandatsträger und Mitglieder von CDU und CSU seien durch dieses Verhalten „enorm unter Druck geraten, können dies aber im Wahlkampf nicht artikulieren“. Die Union sieht der Politikwissenschaftler daher „möglicherweise in the middle run, wirklich gefährdet“ durch die Strategie des CDU-Chefs: „Weil durch seine Interventionen der Burgfrieden zwischen den Merkelianern und den Merzianern aufs äußerte unter Druck geraten. Ob sich dies nach den Wahlen wieder ausbalancieren lässt, ist offen“.

Eine „Gefährdung“ ergebe sich darüber hinaus „unmittelbar für die Koalitionsfähigkeit einer Union unter Merz“. Mit seinem „Wortbruch, mit dieser strategischen Anmutung“, könnte es „sehr schwierig für die SPD und für die Grünen“ werden, als Koalitionspartner für die Union zur Verfügung zu stehen. „Und das kann bedeuten, dass die Union ihren Kandidaten am Ende nicht halten kann.“ (pav)

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