Kommentar von Anabel Ternès - Social-Media-Hype: Der Tradwife-Trend ist ein gefährlicher Rückschritt

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Getty Images/Image Source Der „Tradwife“-Trend steht für die Rückbesinnung auf das traditionelle Rollenbild der Hausfrau und Mutter, die sich um den Haushalt kümmert, während der Ehemann als Hauptverdiener fungiert.
Dienstag, 29.10.2024, 13:47

Der Tradwife-Trend auf Social Media steht für die Rückbesinnung auf das traditionelle Familienbild. Anabel Ternès, Spezialistin für digitale Trends, sagt, warum ein vordergründig harmloser Hype wie dieser auch gefährlich sein kann.

Was ist der Tradwife-Trend und ist das nur einer von vielen harmlosen Social-Media-Hypes? 

Der „Tradwife“-Trend steht für die Rückbesinnung auf das traditionelle Rollenbild der Hausfrau und Mutter, die sich um den Haushalt kümmert, während der Ehemann als Hauptverdiener fungiert. Frauen, die diesem Ideal folgen, propagieren häufig, dass sie sich bewusst für ein Leben entschieden haben, das auf traditionellen Geschlechterrollen basiert. Sie betonen die Wichtigkeit von Häuslichkeit, Unterordnung und der Unterstützung ihres Mannes, was sie als ihre Hauptaufgabe ansehen.

Dieser Trend kommt vor allem aus konservativen Kreisen in den USA und Großbritannien, hat aber auch in anderen westlichen Ländern Anklang gefunden. Die Wurzeln lassen sich bis in die 1950er Jahre zurückverfolgen, eine Ära, die häufig als Vorbild herangezogen wird. In dieser Zeit wurde das Ideal der Hausfrau besonders in den USA stark beworben, etwa durch Werbung und TV-Shows wie Leave it to Beaver, die das Bild der glücklichen, fürsorglichen Hausfrau zelebrierten.

Was den heutigen „Tradwife“-Trend von früheren Bewegungen unterscheidet, ist die starke Präsenz in den sozialen Medien. Plattformen wie Instagram, YouTube und TikTok dienen als zentrale Schauplätze, auf denen diese Lebensweise zelebriert und verbreitet wird. Hier teilen Frauen Fotos und Videos von sich in „vintage“-Kleidern, während sie traditionell als feminin geltende Tätigkeiten wie Backen, Putzen oder die Erziehung ihrer Kinder zur Schau stellen.

Viele „Tradwives“ sehen sich dabei als bewusste Gegenbewegung zum Feminismus und kritisieren die moderne Vorstellung von Gleichberechtigung, die ihrer Ansicht nach Frauen in eine Rolle zwingt, die nicht zu ihrem natürlichen Wesen passe.

Ein prominentes Beispiel ist die britische Bloggerin und YouTuberin Alena Kate Pettitt, die mit ihrem Blog „The Darling Academy“ eine der bekanntesten Stimmen der „Tradwife“-Bewegung ist. Pettitt betont, dass es sich bei ihrer Lebensweise um eine bewusste Entscheidung handelt und dass sie darin Erfüllung findet, indem sie ihrem Mann den Rücken stärkt und für ihn und ihre Familie sorgt.

Auch in den USA gibt es eine Reihe von Influencerinnen, die diesen Trend propagieren. Zum Beispiel Caitlin Haines, bekannt als „Mrs. Midwest“, die sich als stolze Hausfrau präsentiert, die sich traditionell feminin gibt und diese Lebensweise als ideal für Frauen darstellt. Sie argumentiert, dass viele Frauen durch die moderne Arbeitswelt und den Druck zur Karriere unglücklich seien und dass die Rückkehr zu den traditionellen Werten eine Lösung sei.

Über Anabel Ternès

Prof. Dr. Anabel Ternès
Privat Prof. Dr. Anabel Ternès

Prof. Dr. Anabel Ternès ist Unternehmerin, Zukunftsforscherin, Autorin, Radio- und TV-Moderatorin. Sie ist bekannt für ihre Arbeit im Bereich digitale Transformation, Innovation und Leadership. Zudem ist Ternès Präsidentin des Club of Budapest Germany, Vorstand des Friends of Social Business und Club of Rome Mitglied.

Was ist das Gefährliche an dem Trend der Tradwifes? 

Rückbesinnungen auf traditionelle Rollenbilder wie dieser Trend bergen auch Gefahren, besonders wenn sie idealisiert werden – wie es beim Trend der „Tradwives“ der Fall ist. Was diesen Trend gefährlich macht, ist, dass er nicht nur eine persönliche Wahl widerspiegelt, sondern oft auch eine Idealisierung vergangener Zeiten, in denen Frauen weniger Rechte und Freiheiten hatten. Diese Idealisierung ignoriert die gesellschaftlichen Errungenschaften, die in den letzten Jahrzehnten für Frauen erkämpft wurden, und führt potenziell zu einem Rückschritt im Kampf um Gleichberechtigung.

Ein weiterer besorgniserregender Aspekt des Tradwife-Trends ist seine Präsenz in sozialen Medien, die eine verklärte Sicht auf die Geschlechterrollen und die Ehe verbreitet. Junge Frauen, die auf der Suche nach Orientierung sind, könnten von den stark ästhetisierten Darstellungen angezogen werden, ohne sich der sozialen und politischen Implikationen bewusst zu sein.

Man könnte denken, dass es sich nur um einen harmlosen Social-Media-Hype handelt, doch durch die Rückbesinnung auf alte Rollenbilder werden hart erkämpfte Rechte in Frage gestellt.

Welche Auswirkungen haben Krisen auf traditionelle Rollenbilder und wie können sie diese verändern?

In Krisenzeiten beobachten wir oft, dass traditionelle Rollenbilder verstärkt oder hinterfragt werden. Die Unsicherheit, die solche Phasen mit sich bringen, kann den Wunsch nach Stabilität und klaren Strukturen hervorrufen. Traditionelle Rollenbilder – die klare Unterscheidung zwischen männlicher und weiblicher Verantwortung – erscheinen dann vielen als Rückgriff auf Bewährtes.

Es ist nachvollziehbar, dass Menschen sich in Zeiten des Umbruchs an bekannte Muster klammern. Historisch gesehen, wie in den Nachkriegsjahren des 20. Jahrhunderts, suchten viele nach Stabilität durch die Rückkehr zu traditionellen Geschlechterrollen. Diese Rückbesinnung auf das Vertraute kann jedoch auch neue Wege ebnen, da Krisen gleichzeitig als Katalysator für gesellschaftliche Veränderungen dienen können. Menschen werden offener für Alternativen, wenn traditionelle Muster in ihrer Starrheit keine Lösung bieten.

Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist die Covid-19-Pandemie. Sie hat die Belastungen, denen Frauen im Alltag ausgesetzt sind, verstärkt und in vielen Haushalten zu einer Rückkehr traditioneller Rollenverteilungen geführt. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2021 kehrten viele Paare während der Pandemie zu klassischen Rollenbildern zurück, insbesondere in Haushalten mit Kindern. Frauen übernahmen wieder verstärkt die Betreuung und das Homeschooling, während Männer sich häufiger auf ihre beruflichen Aufgaben konzentrierten. Das zeigt, wie tief verankert diese Rollenbilder auch in modernen Gesellschaften sein können. Wie groß ist der Trend, dass junge Frauen in alte Rollenmuster zurückwollen?

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Laut Familienministerium (2022) wenden Frauen im Durchschnitt täglich 52,4 Prozent mehr für unbezahlte Care-Arbeit auf als Männer. Wie groß der Trend wirklich ist, lässt sich schwer messen. Aber laut einer Umfrage von YouGov in Großbritannien gaben etwa 8 Prozent der befragten Frauen an, das Leben einer „Tradwife“ attraktiv zu finden. Das mag wie eine kleine Zahl erscheinen, doch in einer zunehmend polarisierten Welt, in der konservative und progressive Werte aufeinanderprallen, sind solche Schritte zurück zu traditionellen Geschlechterrollen nicht unproblematisch.

Der Trend ist auch häufig mit anderen reaktionären Bewegungen verknüpft, die für den Erhalt oder sogar die Wiederherstellung patriarchaler Strukturen kämpfen. Junge Frauen, die sich von dieser Bewegung angezogen fühlen, könnten in einer Blase landen, die sie von den Errungenschaften und Möglichkeiten moderner Gesellschaften und Möglichkeiten der Selbstbestimmung und Entwicklung abschneidet.

Content stammt von einem Experten des FOCUS online EXPERTS Circles. Unsere Experts verfügen über hohes Fachwissen in ihrem Bereich. Sie sind nicht Teil der Redaktion. Mehr erfahren.