Mit Grüßen in die Zukunft: Kapsel wird auf der Kirchturmspitze gelagert – für viele Jahrzehnte

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Hier soll sie hin: (v. li.:) Pfarrer Gerhard Beham, Verwaltungsleiter Andreas Gams, Pfarrgemeinderatsvorsitzende Barbara Holthaus und Kirchenpfleger Martin Ehegartner zeigen den Ort an der Kirchturmspitze, wo die Zeitkapsel deponiert werden soll: Sie wird in die Kugel eingelassen. © Sabine Hermsdorf-hiss

Die Zeitkapsel von St. Andreas wieder gefüllt. Sie kommt ganz nach oben auf den Kirchturm. Erst, wenn der wieder saniert wird, wird sie wieder geöffnet.

Der Pfarrer klettert bis ganz in die Kirchturmspitze. Und er hat einmalige Fracht dabei. 30 Zentimeter hoch, aus Kupfer, und künftig für viele Jahrzehnte versteckt. „So etwas erlebt man nur einmal“, sagt Gerhard Beham. Seit Monaten laufen die Arbeiten an dem Jahrhunderte alten Bauwerk. Der Turm ist eingerüstet, das Dach zum Teil mit Planen abgedeckt, Kugel und Kreuz stehen nicht mehr auf der Turmspitze.

In 70 Jahren wird sie wieder geöffnet

Genau dorthin, ganz zum höchsten Punkt, wollen der Geistliche, Pfarrgemeinderatsvorsitzende Barbara Holthaus, Kirchenpfleger Martin Ehegartner und Verwaltungsleiter Andreas Gams. Den Grund dafür hält Beham in der Rechten: Eine Zeitkapsel soll in die Kugel eingelassen werden, die künftig wieder die Kirche krönen soll. Bis zur nächsten Renovierung, in vermutlich 60 oder 70 Jahren, soll die Kapsel dort verbleiben.

Kapsel thront 56 Meter über der Stadt

„Wir wollen mal genau zeigen, wo sie hin soll“, so Behams Begründung für die Kletterpartie über das Gerüst bis zur Spitze in etwa 56 Metern Höhe. Üblicherweise kommt dort kaum jemand hin, auch wenn es sich für den Panoramablick lohnen würde. Das letzte Mal wurde die Kapsel am 21. Dezember 1974 geöffnet und wieder befüllt. Damals, vor einem halben Jahrhundert, mussten nach Witterungs- und Sturmschäden die Bauarbeiter am Kirchturm anrücken. Die Arbeiten und Firmen wurden auf einer Urkunde vermerkt, ebenso kirchliche Würdenträger, vom Ortspfarrer Ulrich Wimmer bis hin zu Papst Paul VI. Auch Vertreter der Politik finden sich wieder. Bürgermeister war Willy Thieme, Landrat Dr. Otmar Huber, Bundeskanzler Helmut Schmidt.

Wolfratshausen St. Andreas - Blick auf die laufenden Renovierungsarbeiten Zeitkapsel alt
Urkunde, Bilder und Münzen wurden im Jahr 1974 in der Kapsel hinterlassen. © Sabine Hermsdorf-hiss

„Dazu kamen noch die Titelblätter der Tageszeitungen, Weihnachtsausgabe der Kirchenzeitung, der Wolfratshauser Weihnachtspfarrbrief mit Filialbeilagen, Gottesdienstordnung, Stadtplan von Wolfratshausen und ein Verzeichnis der Ortsvereine, eine Medaille der Immerwährenden Hilfe, Postkarten mit dem Bild der Pfarrkirche, ein Kirchenführer“, zählt der Geistliche auf. „Und natürlich Münzgeld – vom Pfennig bis zum Fünf-Mark-Stück je ein Exemplar.“ Diese waren in einer sehr weltlichen Plastikschachtel untergebracht: Eine Dose, in der früher Tintenpatronen für den GeHa-Füller verkauft wurden.

Wolfratshausen St. Andreas - Blick auf die laufenden Renovierungsarbeiten - Zeitkapsel - Pfarrer Gerhard Beham
Pfarrer Gerhard Beham, die Zeitkapsel in der Hand, berührt den Zwiebelturm von St. Andreas. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Das Geld bleibt in der Kapsel, der Rest wurde schon aktualisiert: Neue Urkunden mit der Beschreibung der Bauarbeiten, aktuelle Ausgaben der Tageszeitungen und Pfarrbriefe, die Liste der heutigen politischen und kirchlichen Würdenträger, Fotos, die „Pilger der Hoffnung“-Gedenkmedaille und Euromünzen, die nun zusammen mit ihren Vorgängern aus D-Mark-Zeiten in der GeHa-Schachtel liegen. Bevor sie das Kupferbehältnis schlossen, unterschrieben Beham, Gams, Holthaus und Ehegartner noch in der Sakristei die Urkunde. „Das schwierigste ist, alles irgendwie hier unterzubekommen“, so der Geistliche, während er die Papiere fest zusammenrollte. Der Metallbehälter wird nach seinem Zwischenausflug auf den Zwiebelturm zum Zuschweißen nach München gebracht.

Auf kuriose Inhalte hat die Stadtkirche verzichtet. Manche Kirchengemeinden machen das anders: „Ich hab kürzlich gelesen, dass in einer anderen Zeitkapsel sogar einmal eine tote Schildkröte gefunden wurde, damals wohl als Symbol für einen Schutzpanzer“, berichtet Holthaus, während es wie auf einer Wendeltreppe im Baugerüst immer weiter nach oben geht. Seit dem Mittelalter werden die Kirchturmkugeln mit Dokumenten und Gegenständen für die Nachwelt befüllt – eben wie kleine Botschaften aus der Vergangenheit. Es heißt, dass in Franken 2022 unter anderem als Zeitdokument ein Coronatest und eine Maske darin deponiert wurden.

Die Bauarbeiten

Statische Mängel an der Dachkonstruktion und der Verfall der Dachhaut machen die Renovierungsarbeiten an der katholischen Stadtkirche am Marienplatz überhaupt erst nötig. Mit einem Ende der Außenarbeiten wird laut der Kirche im kommenden Jahr gerechnet, im Anschluss soll dem Innenraum von St. Andreas wieder zu seiner barocken Pracht verholfen werden. 2028 ist die Generalsanierung voraussichtlich abgeschlossen. Von den über 7 Millionen Euro hohen Kosten übernimmt das Erzbischöflichen Ordinariat München 90 Prozent, den Rest muss die Kirchenstiftung dazu beitragen.

Ein paar wenige Meter fehlen dem Pfarrer noch bis zur Turmspitze. Geschafft. Der Ausblick über die Stadt und ihre Umgebung ist gigantisch. Beham hält zusammen mit seinen Begleitern die Zeitkapsel über die Spitze des Turms, lacht in die Kamera. Hier soll die Kapsel demnächst ihren Platz bekommen und hoch über den Dächern der Altstadt thronen. Beham genießt den Ausblick, hält das Kupfer fest in der Hand. „Das ist etwas“, sagt er, „was man wirklich nur einmal im Leben macht.“

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