Ortsgestaltung versus Hagelschutz
Das Hagelunwetter im August 2023 hat die Autohäuser im Tegernseer Tal hart getroffen. Wenn die Versicherungen nicht gleich ganz gekündigt haben, fordern sie von Autohäusern und Kfz-Händlern Hagelschutzmaßnahmen. Deren Umsetzung gestaltet sich schwierig.
Kreuth – Beim Wiesseer Autohaus Schlosser drängt in Sachen Hagelschutz die Zeit. Nach dem Unwetter im August 2023 war ein Gesamtschaden von 700 000 Euro an Neufahrzeugen, Gebrauchtwagen und Autos zu verbuchen, die zum Service in der Werkstatt waren. Das Unternehmen musste einen Eigenanteil von 300 000 Euro leisten. Am Jahresende kündigte die Versicherung ihren Vertrag mit der Autohaus Schlosser GmbH. „Seither stehen wir ohne Versicherungsschutz da“, sagt Autohaus-Chef Thomas Schlosser.
Offene Halle als Schutz
Für den Hagelschutz hat er im März bei der Gemeinde Kreuth, auf deren Flur sein Betrieb liegt, einen Bauantrag für eine 42 Meter lange offene Halle in Holzbauweise gestellt. Investitionsvolumen: zwischen 200 000 und 300 000 Euro. Die Schlossers würden gern sofort bauen, aber das Genehmigungsverfahren am Landratsamt läuft noch. Den Unternehmer macht das nervös. Aktuell kann er nur auf Kontakte vertrauen: „Wenn sich in Tölz ein Unwetter zusammenbraut, dann rufen uns unsere Tölzer Kunden an. Wir stoppen dann die Arbeit in der Werkstatt und bringen alle Fahrzeuge dort und in der Tiefgarage in Sicherheit.“ Zweimal schon habe dies das Autohaus vor Sachschaden bewahrt, berichtet Schlosser. Optimal ist diese Lösung nicht, zumal in der Werkstatt dann nicht gearbeitet werden kann.
Hagelschutznetze bei Autohaus Stanglmair
In der Rottach-Egerner Dependance des Autohauses Stanglmair entstand im August 2023 ein Schaden von über 1,2 Millionen Euro. Den Eigenanteil von 1000 Euro pro Fahrzeug stecke auch ein so großes Unternehmen nicht einfach weg, sagt Thomas Stanglmair. „Wären wir nicht versichert gewesen, hätten wir den Standort geschlossen“, erklärt der Geschäftsführer. Seine Versicherung fordert Hagelschutzmaßnahmen. Daraufhin hat Stanglmair sowohl Hagelmatten als auch eine Kooperation mit den Hagelfliegern geprüft. „Aber die Hagelmatten bekommen wir nicht schnell genug auf alle unsere Fahrzeuge, wenn’s losgeht. Und am Wochenende ist keiner vor Ort“, sagt der Autohaus-Chef. Zudem sei es schier unmöglich, Matten für einen Fahrzeugbestand wie den seinen zu lagern. Darum hat das Unternehmer Hagelnetze gespannt. Er halte dies für alternativlos, meint Stanglmair. Auch wenn dies Stellplätze koste und die Säulen Betriebsabläufe stören.
„Unsere Präsentation leidet katastrophal“
„Ich finde sie auch optisch bescheiden, unsere Präsentation leidet katastrophal“, sagt Stanglmair mit Blick auf die schwarzen Netze einer Südtiroler Firma, die sich auf Hagelschutz für Autohäuser spezialisiert hat. Von dieser hat Stanglmair Ende April drei seiner sechs Filialen mit Hagelnetz-Überspannungen ausstatten lassen. Zwischen 700 000 und 800 000 Euro hat er dafür insgesamt in Schongau, Garmisch und Rottach-Egern/Weissach investiert. Dies in der Annahme, die Bauten seien, weil sie nur saisonal bis September stehen und innerhalb von zwei Stunden abgebaut werden können, genehmigungsfrei.
Genehmigungsverfahren laufen
Sie sind es nicht. Die Gemeinde Kreuth hat die „Hagelschutz-Vogelkäfige“ in Weissach moniert, die Baubehörde am Landratsamt fordert einen Bebauungsplan. „Auch in Garmisch und Schongau habe ich Bauanträge gestellt“, sagt Stanglmair. Aber offenbar wisse man nirgends, wie mit diesem Thema umzugehen sei. „Alle haben Verständnis dafür, dass die Autohäuser ihre Werte schützen wollen und auch letztlich aus Verantwortung der Mitarbeiter gegenüber schützen müssen, aber Lösungen gibt es nicht“, sagt der Firmenchef. Eigentlich wollte er auch seine Standorte in Murnau, Starnberg und Wielenbach mit temporären Hagelschutznetzen ausstatten. Jetzt wartet er auf den Ausgang der Genehmigungsverfahren. Und hofft, wie seine Kollegen, dass ihn kein weiteres Hagelunwetter trifft.