Das Prinzip des Projekts „Clean Circles“ der Darmstädter Forscher klingt simpel: Sie wollen Eisen verbrennen und aus der Verbrennung Wärme gewinnen. Eisen ist in feinverteilter Form wie Stahlwolle oder Eisenpulver brennbar.
Ähnlich wie bei der Verbrennung von Kohle entsteht Wärme. Das Metall hat indes ökologisch einen großen Vorteil: Da Eisen ein kohlenstofffreier Energieträger ist, wird bei der Freisetzung kein Kohlenstoffdioxid (CO2) als Treibhausgas emittiert. Das wollen die Forscherinnen und Forscher der TU Darmstadt nun nutzen.
Rosten statt rasten
Eine wichtige Rolle spielt dabei auch der Rost, der nichts anderes als wasserhaltiges Eisenoxid ist und überdies Sauerstoff gebunden hat. Aus grünem Strom hergestellter Wasserstoff löst den Sauerstoff wieder heraus und verwandelt den Rost wieder in Eisen in seiner reinen Form zurück. Der Wechsel von Eisen und Rost in einem sauberen Kreislauf kann als Speicher für grüne Energie genutzt werden, sagt Andreas Dreizler, Professor für reaktive Strömungen und Diagnostik an der TU Darmstadt und Sprecher des „Clean Circles“-Projekts.
Rost gilt so nicht länger nur als Abfallprodukt, sondern durch Rückverwandlung in Eisen gleichermaßen als Energiespeicher und Energiequelle. Die in Eisen gespeicherte Energie sei einfach und sauber zu transportieren.
Das Potenzial sei enorm und könne weltweit große Bedeutung bekommen, sagt Dreizler. Zumal jährlich weltweit 27 Millionen Tonnen Eisen und 1,6 Milliarden Tonnen Rost oder Eisenerz per Bahn oder Schiff verfrachtet werden. „Dem Ziel Energiesicherheit kämen wir damit näher“, sagt Christian Hasse, Professor für die Simulation reaktiver Thermo-Fluid-Systeme an der TU Darmstadt.
"Eine Option für die Zukunft"
Denn die Speicherung von Energie, über Nacht oder den Winter über – also dann, wenn die Sonne nur wenig scheint – sei der zentrale Punkt der Energiewende. Eisen sei dafür die ideale Lösung, denn das Metall werde nicht verbraucht und kann wie eine Batterie aufgeladen werden, so Hasse, und es werde eben kein Kohlenstoff freigesetzt.
In einem Demonstrationskraftwerk auf dem Gelände der TU Darmstadt üben die Forscher von Clean Circles, ob auch im größeren Maßstab funktioniert, was sie im Laborreaktor ausgetüftelt haben. Das Kraftwerk wird bislang für Versuche mit Abfallstoffen und Biomasse genutzt und soll jetzt ein Megawatt (MW) „Eisenenergie“ liefern. Sollte es funktionieren, haben die Forscher eine noch größere Energieproduktionsstätte im Visier: Ein Wärmekraftwerk in Berlin, das bislang mit Kohle betrieben wurde und einen Stadtteil mit Nahwärme versorgt. Die Darmstädter wollen es auf Eisenverbrennung umstellen und zeigen, „dass Eisen eine Option für die Energieversorgung der Zukunft ist“, sagt Dreizler.
Neue Zukunft für Kohlekraftwerke?
Die Wissenschaftler von "Clean Circles" sind sich sicher, dass die Zukunft der Energieversorgung in einem Technologiemix liegt. Dabei sei die Langzeitspeicherung ein wichtiger Aspekt, den Eisen ermöglichen könne, so Schmidt. „Darin lassen sich extrem große Mengen Energie über lange Zeit speichern“, betont Hasse – etwa für die berühmte Dunkelflaute im europäischen Winter. Eisenspeicher im großen Maßstab sind für diese Zwecke ideal. „Die ersten Umrüstungen von Kohlekraftwerken kommen ab 2030“, ist sich Hasse sicher. „Zur Technologieoffenheit sollte auch Eisen zählen.“
Ganz nebenbei ergebe sich noch ein nachhaltiger Effekt auf dem Bausektor: Kohlekraftwerke müssen nicht abgerissen werden, sondern könnten ohne CO2-Ausstoß weiterlaufen, bei Bedarf.