3sat-Doku "X, Y, Z": Der Konflikt zwischen Gen Z und Babyboomern ist eine Lüge
Babyboomer sind konservative Workaholics, denen die Klimakrise egal ist. Außerdem verstehen die Geburtsjahrgänge von 1965 bis 1980 nichts von der Digitalisierung. Der Generation Z wird umgekehrt Arbeitsscheue und Faulheit nachgesagt. Die Gruppe jener, die zwischen 2000 und 2020 geboren wurden, bestehe aus verwöhnten Nesthockern, die nach Work-Life-Balance streben und Teilzeitmodelle lieben.
Stimmt das?
Doku enttarnt "Generationenstreit" zwischen Babyboomern und Gen Z als Lüge
Alles Unsinn! Der Kampf der Generationen ist abgeblasen. Die 3sat-Doku „ X, Y, Z - Die Generationenlüge“ enttarnt derartige Klassifizierung verschiedener Altersgruppen und entsprechende Zuschreibungen als willkürlich und wenig zielführend. Allein die Ratgeber-Industrie würde von derartigen Vorstellungen profitieren.
„Kinder haben sich noch nie so gut mit ihren Eltern verstanden wie aktuell“, erklärt Soziologe Martin Schröder. Das sei anhand von Daten messbar. „Es gibt keinen Generationenkonflikt. Das ist Quatsch.“
Er habe viel Datenanalyse betrieben, habe gerechnet und gerechnet, aber signifikante Ergebnisse seien nicht zu finden gewesen. „Ich habe gedacht, ich mache einen Fehler, aber dann gemerkt, diesen Effekt gibt es tatsächlich nicht.“
Generationenzwist nur ein "Mythos"
Für den Leipziger Arbeitspsychologen Hannes Zacher sind Unterschiede zwischen den Generationen ebenfalls ein „Mythos“. „Es entstehen stereotype Gruppen und die werden gegeneinander ausgespielt.“ Die Realität sei aber anders: „Die Heterogenität innerhalb einer Gruppe ist sehr hoch. Das wird von der Generationsforschung völlig außer Acht gelassen.“ Dabei könnten sich Stereotype sogar verfestigen, da sie von den Gruppen verinnerlicht werden könnten. Zacher warnt: „Das ist hochproblematisch.“
Streit um Gen Z befeuern, um damit Geld zu verdienen
Jugendforscher und Unternehmerberater Simon Schnetzer ist einer von jener Gruppe, die mit einem angeblichen Generationenkonflikt Geld verdient. Seine Studien können von Betrieben gekauft werden. Er sagt: „Viele junge Leute haben heute das Gefühl, ich muss jetzt leben, weil wer weiß, was noch kommt. Das Klima geht doch sowieso den Bach runter, die Schulden werden uns erdrücken.“
Die älteren Generationen wiederum hätten auf viel verzichtet, um sich etwa ein Haus zu leisten. „Diese Verzichtsbereitschaft sehe ich bei den jungen Menschen nicht. Junge Leute wollen anders emotional abgeholt werden.“ Soziologe Martin Schröder konstatiert: „Alle, die sagen, dass es einen Generationenkonflikt gibt, wollen Geld damit verdienen.“
Arbeitspsychologe: "Generationen werden erfunden"
„Ich finde es schade, dass nur nach Generationen statt nach Alter unterschieden wird, weil solche Informationen verloren gehen“, meint Arbeitspsychologen Hannes Zacher. „Die Grenzen von Generationen sind ohnehin willkürlich gesetzt.“ Dass die Generation Z 2000 beginne und 2020 ende, sei zudem „nicht wissenschaftlich“, weil es dazu „keine psychologische Theorie gibt“. „Generationen werden erfunden. Es gibt keine wissenschaftlichen Beweise dafür, dass Altersgrenzen mit bestimmten Charaktereigenschaften einhergehen.“
Auch der österreichische Unternehmensberater Heinz Herczeg zweifelt am Sinn eines heraufbeschworenen Generationenkonflikts: „Zwischen den Generationen wird auf Trennendes abgehoben. Dabei gibt es viel mehr Verbindendes.“ Zacher ergänzt: „In Wirklichkeit haben diese Gruppen viel mehr gemeinsam, als sie trennt. Wichtig wäre es, sich auf gemeinsame Ziele zu fokussieren.“ In der Realität ist der „Kampf der Generationen“ offenbar nur Schall und Rauch und eher ein Geschäftsmodell für populärwissenschaftliche Bücher und Personalratgeber.
Soziologe: “Keiner ist in seiner Generation gefangen”
Die Dokumentation „XYZ - Die Generationenlüge“ von Constanze Grießler ist ein erhellendes Stück über populäre Wissenschaften und deren Profiteure und Gefahren. Statt eines Konfliktes wird erkennbar, dass sich alle Generationen gemeinsam entwickeln und verändern und sich Individualität nicht in einer Generationstheorie abbilden lässt.
Der Soziologe Martin Schröder findet das auch gut so: „Das Bild, wir alle verändern unsere Meinung gemeinsam mit der Zeit, was ich so in den Daten gefunden habe, ist eigentlich ein Bild, das nicht nur realer ist, sondern auch schöner als jenes, dass wir alle in unserer Generation gefangen sind.“