„Ich bin nur wertvoll, wenn ich dünn bin“: Wie soziale Medien das Essverhalten beeinflussen

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Wer durch Instagram oder TikTok scrollt, sieht sie überall: Bilder von fitten Influencern mit keinem Gramm Fett am Körper. Das kann Essstörungen auslösen – vor allem bei einer Personengruppe.

Auf Social Media sind Menschen umgeben von Bildern. Bilder vom Oberkörper beim Fitnesstraining. Bilder vom Strandurlaub im neuen Bikini. Bilder von gesundem Essen – Hashtag #healthylife. Das Motto auf Instagram, TikTok & Co.: Schlank sein ist in. Zwar gibt es immer wieder auch Gegenmodelle, die sich dem Schlankheitswahn entgegenstellen. Insgesamt regiert in sozialen Medien aber ein Körperbild, das viele in der Realität nicht erreichen können. Das kann zu Problemen führen. Vor allem bei jungen Nutzern.

Wie aktuelle Erhebungen zeigen, löst die Nutzung sozialer Medien bei Jugendlichen oft Unzufriedenheit mit dem eigenen Körperbild aus. Zudem erhöht sie das Risiko, ein problematisches Essverhalten zu entwickeln. Den Zusammenhang zwischen Social Media und Körperbild erläuterte nun Katrin Giel von der Universität Tübingen am Rande einer Pressekonferenz des Deutschen Kongresses für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie.

Wie TikTok, Instagram & Co. das Essverhalten beeinflussen

Die Forschungslage sei klar, so Giel: Wer soziale Medien lang und intensiv nutzt, ist unzufriedener mit seinem Körperbild und anfälliger für Essstörungen. Besonders betroffen seien junge Mädchen und Frauen. Gefährlich werde es dabei vor allem für aktive User, die regelmäßig posten: „Ein besonderes Risiko haben Nutzerinnen und Nutzer, die sich selbst beteiligen an einer Community und denen Rückmeldung wie Likes besonders wichtig sind“, sagt Giel. Hungern für mehr Likes.

Längsschnittdaten aus zahlreichen Studien belegten, dass eine längere und intensivere Nutzung sozialer Medien mit Risikofaktoren für die Entwicklung von Essstörungen bei jungen Usern einhergeht. Das gehe vor allem über „Plattformen mit einer starken Bildsprache“, etwa TikTok oder Instagram. „Sie sind prädestiniert dafür, bestimmte Körperideale zu vermitteln.“

Hungern für mehr Likes: „Ich bin nur wertvoll, wenn ich dünn bin“

Gerade junge Menschen in ihrer Findungsphase würden einem Körperideal hinterhereifern, um dazuzugehören. „In diesem Bereich der Selbstoptimierung setzen sich junge Menschen stark unter Druck“, sagt Giel und schildert, dass Jugendliche deshalb ihr Essverhalten verändern würden. Getreu dem Motto „Ich bin nur wertvoll, wenn ich dünn bin“, wie Giel sagte.

Essstörungen entwickeln sich in der Jugend. Die drei relevantesten Erscheinungen sind Magersucht („Anorexia nervosa“), Ess-Brech-Sucht („Bulima nervosa“) und die Binge-Eating-Störung mit regelmäßigen Essattacken. „Das sind schwere psychische Erkrankungen, die eine Psychotherapie erfordern“, sagt Giel. Zur Entstehung tragen Persönlichkeitseigenschaften wie niedriger Selbstwert, Perfektionismus und soziale Ängstlichkeit in Kombination mit biologischen und gesellschaftlichen Faktoren bei. „Zu letzterem zählen auch die sozialen Medien“, so Giel.

Allen voran junge Mädchen und Frauen hadern mit ihrem Körper – was von sozialen Medien begünstigt werden kann. © IMAGO/Pond5 Images/IMAGO/HalfPoint Images (Collage Symbolbild)

Verzicht auf Social Media kann Essstörungssymptome reduzieren

Giel sagt aber auch: „Essstörungen sind komplexe psychische Erkrankungen, deren Entstehung auf verschiedene Faktoren zurückzuführen ist.“ Es wäre daher sehr vereinfacht, soziale Medien allein dafür verantwortlich zu machen. Instagram oder TikTok könnten aber Essstörungen begünstigen – und ein Verzicht auf Social Media daher heilend wirken, wie die Uni Tübingen in einer aktuellen Pilotstudie berichtet. „Wenn Studentinnen und Studenten auf soziale Medien verzichten, reduzieren sich die Essstörungssymptome signifikant“, so Giel.

Neue Studie: Mediensucht seit 2019 fast verdoppelt

In dieser Woche wurde auch eine weitere neue Studie zum Nutzungsverhalten sozialer Medien veröffentlicht. Laut einer Erhebung der Krankenkasse DAK-Gesundheit hat sich die digitale Mediensucht bei Kindern und Jugendlichen seit 2019 fast verdoppelt. Sechs Prozent der Zehn- bis 17-Jährigen – rund 360.000 – erfüllen derzeit die Kriterien eines Suchtverhaltens bei der Nutzung sozialer Medien.

Der Anteil der Kinder und Jugendlichen mit einer Social-Media-Sucht verdoppelte sich damit während und nach der Pandemie von 3,2 auf 6,1 Prozent nahezu. Zudem nutzt mit 24,5 Prozent jedes vierte Kind soziale Medien auf riskante Art und Weise. Das sind hochgerechnet insgesamt 1,3 Millionen Mädchen und Jungen und dreimal so viele wie noch vor vier Jahren, als dieser Anteil bei 8,2 Prozent lag.

Kinder und Jugendliche verbringen der Studie zufolge an einem normalen Wochentag durchschnittlich 150 Minuten in sozialen Netzwerken. 2019 waren es 123 Minuten. Am Wochenende sind es mit 224 Minuten sogar mehr als dreieinhalb Stunden, nach 191 Minuten im Jahr 2019. Die Forschung zu Essstörungen kann sich an solchen Erhebungen orientieren, denn auch andere negative Auswirkungen durch Social Media wurden durch die Studie deutlich. Wie die Untersuchung zeigt, berichten Mädchen und Jungen mit einer problematischen Social-Media-Nutzung häufiger von depressiven Symptomen, mehr Ängsten und einem höheren Stresslevel als unauffällige User.

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