Das Dorf ohne Nahversorger: Wie man sich nach der Schließung des Traditions-Geschäfts hilft

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Geretsried-Wolfratshausen
  4. Dietramszell

Kommentare

Im Hofladen „Zum Bertenbauer“ verkauft die Familie von Helene Häsch seit über 60 Jahren Produkte aus der eigenen Landwirtschaft. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Einkaufen in Dietramszell geht auch ohne Nahversorger, Supermarkt und Discounter. Viel Auswahl haben die Menschen aber nicht - und einiges fehlt komplett.

Der größte und namensgebende Ort der Gemeinde hat vieles zu bieten: ein Kloster, zwei Schulen, eine Kita und natürlich ein Rathaus. Was fehlt, ist ein Lebensmittelgeschäft. Nach 110 Jahren schloss wie berichtet vor Kurzem der Laden von Josef Peiß – insbesondere für ältere Menschen ein herber Verlust.

Das Dorf ohne Nahversorger: Wie hilft sich D‘zell nach der Schließung des Traditions-Geschäfts?

Als die Geschäftsaufgabe bekannt wurde, hatte das Management eines großen Marken-Discounters sein Interesse bekundet, an einer der Einfahrtsstraßen eine Filiale zu eröffnen. Zweiter Bürgermeister Anton Huber hat jedoch wenig Hoffnung, dass daraus noch etwas wird. „Es kommt eigentlich nur ein Grundstück am Ortseingang infrage und das möchte der Eigentümer derzeit nicht verkaufen“, erklärt er auf Nachfrage unserer Zeitung.

Aus den Plänen für einen Discounter wird wohl nichts

Auch wenn die Einkaufsmöglichkeiten im Klosterdorf rar geworden sind: Die meisten Grundnahrungsmittel bekommen die Bürgerinnen und Bürger noch in der Nähe. Im Hofladen „Zum Bertenbauer“ verkauft Familie Häsch seit über 60 Jahren Produkte aus der eigenen Landwirtschaft: anfangs vor allem Eier, inzwischen auch Geflügel, Schinken und Schweinefleisch. Dazu gibt es beispielsweise Nudeln und Käse aus der Region sowie viele Südtiroler Spezialitäten – allerdings keine Billigware, wie Seniorchef Michael Häsch betont: „Mit Discounter-Preisen können und wollen wir nicht mithalten.“

(Unser Wolfratshausen-Geretsried-Newsletter informiert Sie regelmäßig über alle wichtigen Geschichten aus Ihrer Region. Melden Sie sich hier an.)

Seiner Erfahrung nach fahren die meisten Dietramszeller ohnehin schon lange zum Einkaufen in die Supermärkte nach Ascholding, Geretsried, Otterfing oder Bad Tölz. „Nur wenn man etwas vergessen hat, geht man zu den kleinen Betrieben vor Ort.“ Früher sei das anders gewesen. Er erinnere sich an drei Metzgereien, vier Lebensmittelgeschäfte, zwei Schuster und eine Apotheke in der näheren Umgebung, „die haben wir alle verloren“. Um die Versorgung zumindest ein bisschen zu verbessern, überlegt der Geflügelbauer, sein Ladensortiment um Milch, Joghurt und andere Milchprodukte zu erweitern. Sein Sohn plane außerdem einen Automatenverkauf für Grundnahrungsmittel.

Gegen den Durst: Matthias Gams von Getränke Binder sorgt in der Gemeinde für Nachschub.
Gegen den Durst: Matthias Gams von Getränke Binder sorgt in der Gemeinde für Nachschub. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Bäckerei erweitert Öfffnungszeiten im Dorf

Auch die Schmid-Bäck-Filiale gegenüber dem Kloster will auf die Peiß-Schließung reagieren, wie Rathaus-Vize Huber berichtet: Statt wie bisher nur dreimal pro Woche kann man dort ab Mitte September jeden Tag frisches Brot, Semmeln und Kleingebäck kaufen. Von Donnerstag bis Sonntag bietet auch das Café Schwalbe gegenüber dem ehemaligen Lebensmittelgeschäft Ware an. Bier, Wasser, Limo und ein paar Schnäpse gibt's seit über 30 Jahren bei Getränke Binder. Und neben dem Blumenladen in der Münchner Straße steht dienstags und samstags ein Verkaufswagen mit frischem Obst und Gemüse.

+++ Uns gibt's auch auf Instagram! Unter „MerkurWolfratshausenGeretsried“ finden Sie immer die spannendsten Geschichten aus unserer Region +++

Schlecht sieht es dagegen mit Hygieneartikeln und anderen Drogeriewaren aus: Die bekommt man im Hauptort jetzt nicht mehr. Eine Apotheke findet sich im ganzen Gemeindegebiet nicht. Eigentlich sollte in Ascholding neben dem neuen Kindergarten eine einziehen, berichtet der Zweite Bürgermeister: „Leider hatte keiner der Apotheker, bei denen wir angefragt haben, Interesse.“ Zum Glück gebe es aber einen gut funktionierenden Lieferservice für Medikamente: Wer ein Rezept bekommen hat, wirft das in den Briefkasten der Arztpraxis im Kreuzbichlweg. „Das bekommt man dann in der Regel am selben Tag abends nach Hause gebracht“, so Huber.

Gemeinderat vermisst übergreifendes Konzept

CSU-Gemeinde- und Kreisrat Häsch hofft, dass die Einführung des Flex-Busses den Versorgungsnotstand im Klosterdorf lindert: „Der kann die Leute, die nicht mobil sind, zum Einkaufen fahren.“ Ab 2027 sollen laut Kreistagsbeschluss in den Gemeinden Dietramszell und Egling drei solcher Bedarfsbusse eingesetzt werden. Einem Discounter steht der Eierproduzent dagegen skeptisch gegenüber – hauptsächlich, weil deren Marktmacht und Preisdiktate für die Landwirtschaft problematisch seien. „Ich vermisse ein Konzept, das über die Ansiedlung eines Discounters hinausgeht“, bemängelt er. Vielleicht, so seine Idee, könnten die örtlichen Anbieter gemeinsam überlegen, wie sich die Einkaufsmisere auffangen lässt – „zum Beispiel mit einer Art Dorfladen“.

Auch interessant

Kommentare