„Haben jahrzehntelang debattiert“ - Forscher lassen Urmenschen rennen und lüften Geheimnis der menschlichen Evolution
Ein Forscherteam der University of Liverpool hat mithilfe moderner Computersimulationen die Laufkapazitäten des frühen menschlichen Vorfahren Australopithecus afarensis untersucht. Zu dieser Art von Frühmenschen, die vor 3,8 bis 2,9 Millionen Jahren lebten, gehört auch das berühmte Fossil 'Lucy'.
Die Ergebnisse ihrer im Fachblatt „Current Biology“ veröffentlichten Studie zeigen, dass dessen Körperbau seine Laufgeschwindigkeit im Vergleich zu modernen Menschen stark einschränkte. Daraus leiten die Wissenschaftler eine Hypothese über die Evolution des Menschen ab.
Urmenschen rannten nur halb so schnell wie wir
Die Gruppe unter der Leitung von Professor Karl Bates nutzte das fast komplett erhaltene Skelett von 'Lucy', um ein Computermodell von Australopithecus afarensis zu erstellen. Dabei konnten sie die Muskelmasse frei anpassen und so die Evolution digital nachspielen.
Die Simulationen ergaben, dass Lucys Artgenossen zwar aufrecht laufen konnten, aber ihre Höchstgeschwindigkeit selbst mit menschenähnlicher Beinmuskulatur nur etwa 18 Kilometer pro Stunde betrug. Dies liegt deutlich unter den Spitzengeschwindigkeiten moderner Spitzensprinter von bis zu 38 Kilometer pro Stunde.

Ergebnisse erklären die Ausbildung von „typisch menschlichen Merkmalen“
Die Forscher konnten zeigen, dass evolutionäre Veränderungen an Muskeln und Sehnen entscheidend für die Verbesserung der Laufgeschwindigkeit und -effizienz waren. Studienautor Karl Bates hebt gegenüber „Popular Archeology“ die Bedeutung der Ergebnisse hervor. So stärke die Studie die Hypothese, dass sich der menschliche Körper zur Optimierung des Rennens entwickelt hat.
Dabei stand, den Autoren zufolge, die Höchstgeschwindigkeit im Vordergrund. „Jahrzehntelang haben Wissenschaftler darüber debattiert, ob eine ökonomischere Gehfähigkeit oder verbessertes Rennen der primäre Faktor war, der die Evolution vieler typisch menschlicher Merkmale vorantrieb“, sagt Bates dem Wissenschaftsmagazin.
Im Stammbaum des Menschen fehlen bis heute die Wurzeln
Die Wissenschaft von der Entstehung des modernen Menschen (Homo sapiens) nennt man Paläoanthropologie. Auch wenn, wie Karl Bates betont, die „Enträtselung“ der Evolution des Menschen bereits weit fortgeschritten ist, fehlt noch immer das letzte Bindeglied zwischen Mensch und Affe. Diese Schritte sind bisher bekannt.
- Vormenschen: Die Abspaltung des Tribus der Hominini, zu denen auch wir Menschen gehören, beginnt vor etwa sieben Millionen Jahren. Forscher streiten noch über die Zugehörigkeiten der frühesten Gattungen Sahelanthropus (vor sechs bis sieben Millionen Jahren), Orrinin (6,2 bis 5,65 Millionen Jahre), und Ardipithecus (5,7 bis 4,4 Millionen Jahre).
- Australopithecus: Die Vertreter dieser Gattung gelten als die ersten gesicherten Vorfahren des modernen Menschen. Sie lebten vor 4,2 bis zwei Millionen Jahren in Afrika. Sie konnte bereits aufrecht gehen, hatten jedoch ein kleines Gehirn.
- Homo: Vor rund 2,5 Millionen Jahren bildete sich die Gattung Homo (lat. für Mensch) heraus. Wichtige gemeinsame Merkmale sind der aufrechte Gang, die Proportionen der Gliedmaßen, der opponierbare Daumen und der Kraft- bzw. Präzisionsgriff sowie der Gebrauch von Werkzeugen.
- Moderne Menschen: Seit ungefähr 300.000 Jahren ist die Existenz unserer Spezies belegt. Von da an breitete sich der Homo sapiens über die ganze Welt aus und wurde in kürzester Zeit zur dominanten Spezies. Die Klassifikation prägte Karl von Linné im Jahre 1758.
Neue Theorie zur menschlichen Evolution stellt „Out-of-Africa“-Modell in Frage
Der gängigste Ansatz zum ersten Auftreten anatomisch moderner Menschen ist, dass sich der Homo sapiens in Afrika entwickelt hat. Es gibt jedoch auch andere Theorien.
Huang Shi, ein pensionierter Professor für Epigenetik und Evolution an der Central South University, hat eine neue Theorie zur menschlichen Evolution entwickelt. Er argumentiert, dass die geringere genetische Vielfalt der Ostasiaten darauf hindeutet, dass moderne Menschen eher aus Ostasien als aus Afrika stammen.