China-Spionage in Deutschland: So groß ist die Gefahr durch Pekings Agenten

  1. Startseite
  2. Politik

KommentareDrucken

Mehrere Festnahmen in Deutschland zeigen: Die Gefahr durch chinesische Spionage wächst – nicht nur bei uns. In den USA mischt sich in die Bedenken bisweilen aber auch Paranoia.

„In einem Meer von Menschen sind sie dir vielleicht noch nie aufgefallen“, raunt der Erzähler. Doch die Spione sind überall: „Sie haben wechselnde Identitäten, zahllose Verkleidungen und gehen sogar so weit, ihr Geschlecht zu wechseln.“ Als harmlose Touristen geben sie sich aus oder als Wissenschaftler, sie fotografieren Militäreinrichtungen und stehlen Staatsgeheimnisse. Aber keine Sorge: Der Staat ist wachsam, und du solltest es auch sein: „Solange wir 1,4 Milliarden Menschen sind, können wir 1,4 Milliarden Verteidigungslinien aufbauen!“

Mit einem dramatisch inszenierten Video rief Chinas Ministerium für Staatssicherheit (MSS) unlängst die Bevölkerung dazu auf, aufmerksam zu sein angesichts all der ausländischen Spione, die sich im Land herumtreiben. Zum „Tag der Nationalen Sicherheitserziehung“ warnte das MSS in dem Drei-Minuten-Clip vor Schnüfflern aus dem Westen, auch Comic-Hefte und Social-Media-Accounts verbreiteten die Botschaft vom angeblich feindlich gesinnten Ausland. Jetzt aber zeigt sich einmal mehr: China ist selbst hochaktiv, wenn es um Spionage im Ausland geht.

China-Spionage: Bundesanwaltschaft nimmt drei Deutsche fest

Am Montag ließ die Bundesanwaltschaft drei Deutsche wegen des Verdachts auf Spionage für den chinesischen Geheimdienst festnehmen, zwei Männer und eine Frau wurden in Gewahrsam genommen. Der Vorwurf: Sie sollen Informationen zu militärisch nutzbaren Technologien weitergegeben haben. Konkret geht es um den Stand der Technik von Maschinenteilen, die auch für den Betrieb leistungsstarker Schiffsmotoren, wie sie in Kampfschiffen verwendet werden, eingesetzt werden. „Die hier im Raum stehenden Straftaten zeigen einmal mehr, dass wir wachsam sein müssen“, erklärte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) nach Bekanntwerden der Festnahmen. Die chinesische Botschaft in Berlin wies die Anschuldigungen zurück: „Wir fordern die deutsche Seite auf, davon abzulassen, den Spionage-Vorwurf aufbauschend auszunutzen, um das China-Bild politisch zu manipulieren und China zu diffamieren.“

Am Dienstag dann die nächste Eilmeldung: Laut ARD-Informationen wurde ein Mitarbeiter des AfD-Europawahl-Spitzenkandidaten Maximilian Krah wegen des Verdachts auf Spionage für China festgenommen. Dass chinesische Spione auch in Deutschland aktiv sind, ist nichts Neues. Vor wenigen Tagen erst wurde bekannt, dass Volkswagen von 2010 bis mindestens 2014 von mutmaßlichen chinesischen Staatshackern ausspioniert worden war. Bis zu 19.000 Dateien sollen dabei erbeutet worden sein, unter anderem Unterlagen zur Entwicklung von Motoren- und Getriebetechnologie, wie der Spiegel und das ZDF berichteten.

Polizist in Peking
Polizist in Peking (Symbolfoto): Chinas Geheimdienst ist nicht nur im Inland tätig, sondern weltweit. © Imago/Kyodo News

Betroffen sind auch andere europäische Länder. Just an diesem Montag wurden in Großbritannien ein Mitarbeiter des britischen Parlaments und ein britischer Wissenschaftler wegen Spionage für China angeklagt, und im vergangenen Dezember erschütterte ein Spionageskandal die belgische Politik. Jahrelang hatte sich ein belgischer Politiker Medienberichten zufolge von einem chinesischen Agenten dafür bezahlen lassen, Informationen zu besorgen. Peking weist solche Anschuldigungen stets zurück.

„Hacking ist ein wichtiger illegaler Weg, über den sich China Zugang zu wichtigen Technologien verschafft“

Laut westlichen Beobachtern haben es Chinas Spione vor allem auf jene Technologien abgesehen, die die Regierung in Peking schon vor Jahren in ihrer Strategie „Made in China 2025“ als zukunftsweisend identifiziert hat. Dazu gehören Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz, Biomedizin oder Luft- und Raumfahrtechnik. Auch für Quantentechnologie und Hyperschallsysteme interessieren sich laut deutschem Verfassungsschutz die chinesischen Geheimdienste. Neben klassischer Spionage setzt Peking zunehmend auf Cyberattacken. „Chinesische Hackerangriffe stellen eine Gefahr für den langfristigen Wohlstand Europas dar“, heißt es in einem Bericht der China-Denkfabrik Merics vom vergangenen November. „Hacking ist ein wichtiger illegaler Weg, über den sich China Zugang zu wichtigen Technologien verschafft.“

Auch die USA sind alarmiert. Am Freitag erklärte FBI-Direktor Christopher Wray, China entwickele mithilfe seiner Staatshacker die Fähigkeit, „unsere kritische Infrastruktur zu einem Zeitpunkt seiner Wahl physisch zu zerstören“. Der Netzwerkausrüster Huawei wurde bereits vor Jahren Opfer amerikanischer Sicherheitsbedenken, aktuell droht der App TikTok, die einem chinesischen Mutterkonzern gehört, ein Verbot.

USA in Sorge vor chinesischer Spionage

Wo die Linie zwischen berechtigen Sicherheitsinteressen und Paranoia verläuft, ist allerdings nicht immer klar. Vor allem in den USA herrscht seit Jahren eine regelrechte China-Phobie, wittern selbsternannte Peking-Kritiker überall Gefahr. Vor zwei Jahren etwa machte ein Bericht Schlagzeilen, nachdem mit dem Internet verbundene Kaffeemaschinen im Auftrag Chinas unbescholtene US-Bürger ausschnüffeln würden. Chinesische Hafenkräne, wie sie zu Hunderten in den USA im Einsatz sind, gerieten in den vergangenen Jahren ebenso unter Spionageverdacht wie U-Bahnen des chinesischen Staatskonzerns CRRC, der eine Zugfabrik in Chicago errichtet hatte. Beweise für die Anschuldigungen gab es allerdings nicht.

Anfang 2023 sorgte dann ein angeblicher chinesischer Spionageballon, der über den USA entdeckt worden war, für eine monatelange Eiszeit zwischen Peking und Washington. China sprach von einem Wetterballon, der vom Kurs abgekommen sei. Zuletzt nahm die US-Regierung sogenannte „smart cars“ chinesischer Hersteller ins Visier, also selbstfahrende Autos und ganz allgemein alle Fahrzeuge, die mit Kameras und Sensoren ausgestattet und mit dem Internet verbunden sind. „Vernetzte Fahrzeuge aus China könnten sensible Daten über unsere Bürger und unsere Infrastruktur sammeln und diese Daten an die Volksrepublik China senden“, erklärte US-Präsident Joe Biden im Februar. „Auf diese Fahrzeuge könnte aus der Ferne zugegriffen werden oder sie könnten deaktiviert werden.“

Ähnliche Sorgen gibt es übrigens seit Längerem schon in China: Dort dürfen die vernetzten E-Autos des US-Herstellers Tesla manche Flughäfen, Krankenhäuser oder Konferenzzentren nicht mehr ansteuern – aus Angst vor Spionage.

Auch interessant

Kommentare