Putin-Eskalation in „Badewanne der Nato“: Hinweise auf russische Sabotage
Wladimir Putin strapaziert den Westen längst nicht nur mit seinem Ukraine-Krieg. Auch auf der Ostsee provoziert Russland offenbar gezielt.
Berlin – Wenn von der Gefahr eines Angriffs durch Russland die Rede ist, wird darunter zumeist ein weiterer Vormarsch von Moskaus Truppen über Land verstanden. Falls Kreml-Chef Wladimir Putin seinen Ukraine-Krieg tatsächlich mit der Einnahme von Kiew beenden und deshalb auf den Geschmack gekommen sein sollte. Ebenso wurde bereits auf die Möglichkeit von Luftschlägen auf Ziele in Deutschland verwiesen. Ob von Russland selbst aus, aus eroberten Gebieten oder sogar der Exklave Kaliningrad.
Direkte Konfrontationen mit Putins Militärs sind aber bereits jetzt möglich. Etwa in der Ostsee. Die gilt laut Welt am Sonntag (WamS) in Militärkreisen als „Badewanne der Nato“, da das Bündnis seit dem Beitritt von Finnland und Schweden nahezu die gesamte Region kontrolliere. Das schreckt die Russen aber offenbar kein bisschen ab. Ganz im Gegenteil.
Gefahr durch Russland in der Ostsee? Moskau könnte Nato laut Bundeswehr verdrängen
Die Bundeswehr schreibt in ihrem neuesten Marine-Lagebericht „Kurs Marine“ generell: „Die Lage auf See hat sich weiter verschärft, die Bedrohung durch ein militärisch erstarkendes Russland ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen.“ Und speziell über das Meer, an das sowohl Deutschland als auch Russland grenzen: „Im Ostseeraum konkretisiert sich die Gefahr.“
Moskaus Ziel könnte es sein, „die Nato zunächst mit konventionellen Mitteln aus der Ostsee zu drängen und eine See- und Lufthoheit aufzubauen“. Dabei wird auf die Regionen Kaliningrad und St. Petersburg verwiesen. „Mit modernen Waffensystemen ist Russland in der Lage, die vitalen Nachschubwege der Alliierten im Baltikum und Skandinavien zu stören, ihr Territorium im Ostseeraum zu isolieren – und im schlimmsten Fall zu besetzen“, ist weiter zu lesen.
Die Antwort des transatlantischen Bündnisses beinhalte eine „Operationsplanung, welche die Freiheit der See verteidigt und den Nachschubweg von der amerikanischen Atlantikküste bis in die östliche Ostsee offenhält.“ Die Deutsche Marine brauche daher mehr Einheiten, mehr Personal, mehr Tempo. Denn sonst könnte es zu spät sein: „Es gilt, durch Abschreckung einen Krieg zu verhindern.“ Also: Kriegstüchtig werden, um keinen Krieg führen zu müssen.
Merz-Minister warnt vor Putin: „Im Ostseeraum bedroht Russland uns alle“
Außenminister Johann Wadephul hatte zuletzt am Rande eines Treffens mit seinen Nato-Amtskollegen in Antalya bereits verdeutlicht, dass Deutschland dem von US-Präsident Donald Trump ausgegebenen Fünf-Prozent-Ziel folgen sollte, wenn es nach ihm geht. Das heißt, fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) würden in die Verteidigung gesteckt werden. Zum Vergleich: 2024 kam die Bundesrepublik nach Nato-Angaben basierend auf Preisen und Wechselkursen des Jahres 2015 auf 2,12 Prozent.
Wadephul aber weiß, was die Stunde geschlagen hat. „Im Ostseeraum bedroht Russland uns alle“, wird der CDU-Politiker von der WamS zitiert: „Die Bedrohungslage hat sich in den letzten Monaten immer weiter verschärft: Durchtrennte Kabel, gestörte Signale und verdächtige Schiffe machen uns große Sorgen.“
Die russische Schattenflotte, die nicht nur der Deutschen Marine das Leben auf See erschwert, nennt er ein „absolutes Sicherheitsrisiko“. Diese Schiffe, die Moskau beim Umgehen von Sanktionen helfen sollen, würde die EU nun „mit weiteren Sanktionen belegen“. Zum Schutz der Ostsee-Kabel werden bereits F-35-Jets eingesetzt.

Russische Sabotage im Ostseeraum: Kampfjet beschützt Schiff aus Putins Schattenflotte
Wie Putin seine Schattenflotte beschützt, wird in dem Artikel ebenfalls deutlich. So sei ein russischer Kampfjet aufgetaucht und in Nato-Hoheitsgebiet eingedrungen, als die estnische Marine vor Finnland einen ohne Flagge verkehrenden Tanker kontrollieren wollte, der auf der britischen Sanktionsliste steht.
Es geht augenscheinlich rauer zu auf der See. Marcus Fiene, Fregattenkapitän des zum Nato-Minenjagdverbandes in der Ostsee zählenden Bootes „Datteln“, verrät: „Wir haben in den vergangenen Monaten mehrfach Schiffe gesehen, die sich auffällig verhalten, sie beobachtet und nach bestimmten Kriterien abgefragt.“
Teija Tiilikainen, die dem European Centre of Excellence for Countering Hybrid Threats – kurz: Hybrid COE – vorsteht, nimmt eine massive Zunahme von hybriden Bedrohungen wahr: „Wir sehen vor allem im Ostseeraum, dass immer mehr Instrumente zum Einsatz kommen und immer mehr Akteure sie mit dem Ziel einsetzen, unsere Werte, unsere Sicherheit und unsere Stabilität zu untergraben.“
Laut der finnischen Politikwissenschaftlerin nimmt Putin dabei besonders Deutschland ins Visier – wegen dessen wichtiger Rolle in der EU und der engen transatlantischen Beziehungen. Sie vermutet, dass sich Russland auf einen militärischen Konflikt mit dem Westen vorbereitet: „Im Ostseeraum werden dazu verschiedene Szenarien wie Sabotage von Kabeln und Pipelines, GPS-Störungen oder Cyberangriffe durchgespielt, um unsere Reaktionen zu testen.“ Sogar von Sabotage an deutschen Kriegsschiffen wurde bereits berichtet.
Deutsche Marine bereitet sich auf Putin vor: „Müssen uns im Gefecht bewähren können“
Auch Johannes Peters, Abteilungsleiter Maritime Strategie und Sicherheit an der Universität Kiel, warnt: „Ein militärischer Konflikt des Westens mit Russland ist jetzt wahrscheinlicher geworden. Und wenn es dazu kommen sollte, wird er im Ostseeraum beginnen.“

Also in der oder am Rand der „Badewanne der Nato“. Die Marine schaut derweil auch über den Beckenrand hinaus: „Die angespannte Lage in der Ostsee ist aber nur ein Nebenkriegsschauplatz der eigentlichen Gefahr. Hinter der hybriden Aggression baut sich eine existenzielle konventionelle Bedrohung auf.“ Russland rüste derart auf, dass es spätestens 2029 in der Lage sei, „im gesamten Spektrum militärischer Operationen gegen die Allianz vorzugehen“.
Für die Marine gehe es darum, ihrer Verteidigungsaufgabe nachkommen zu können. „Wir müssen uns im Gefecht bewähren können. Die Haltung eines Jeden wird über den Erfolg entscheiden“, wird verdeutlicht, dass gegen Aggressor Putin alle in einem Boot sitzen werden. (mg)