Putins Bluff am Verhandlungstisch: „Chancen auf eine echte Waffenruhe stehen sehr schlecht“
Nach drei Jahren Funkstille im Ukraine-Krieg bringt Putin wieder direkte Gespräch mit Kiew ins Spiel. Konkret könne „bilateral“ über eine 30-tägige Waffenruhe gesprochen werden. Doch Experten sehen darin nur eine Taktik, um die verstimmten USA zu umgarnen.
Es ist Frühjahr 2022. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine tobt seit erst wenigen Wochen. Der Schock über den russischen Überfall hängt dem Westen tief in den Knochen. Die Welt hofft zu diesem Zeitpunkt noch auf ein baldiges Kriegsende. Schließlich laufen gerade direkte Gespräche zwischen Kiew und Moskau.
Doch der Hoffnungsschimmer verblasst zunehmend. Russland zeigt keine Kompromissbereitschaft, beharrt auf Maximalforderungen. Währenddessen offenbaren Kriegsverbrechen wie das Massaker von Butscha, zu welcher bloßen Grausamkeit russische Streitkräfte fähig sind. Der vergleichsweise intensive, direkte Kontakt beider Seiten bricht ab – und wird seither nicht wieder aufgenommen.
Die beiden Länder bündeln ihre militärischen Kräfte, konzentrieren sich auf den Frontverlauf. Der Ukraine gelingt es in einer Gegenoffensive nach und nach Gebiet zurückzuerobern, und bringt im August 2024 auch russisches Gebiet unter ihre Kontrolle. Direkter Kontakt ist – bis auf humanitäre Fragen und der Austausch von Gefangenen – auf ein Minimum reduziert. Vermittlungsversuche laufen maximal über Drittstaaten.
Drei Jahre nach Beginn des Ukraine-Kriegs: Plötzlich denkt Putin laut über Waffenruhen nach
Jetzt, drei Jahre nach Kriegsbeginn, kommen erstmals wieder direkte Gespräche zwischen der Ukraine und Russland auf den Verhandlungstisch. Russlands Präsident Wladimir Putin persönlich bringt sie in Spiel. „All das verdient es, sorgfältig geprüft zu werden“, sagt Putin auf einen ukrainischen Vorschlag zu einer 30-tägigen Waffenruhe für zivile Infrastruktur. „Vielleicht auf bilaterale Weise“, sagt der russische Präsident weiter. Man schließe nichts aus. Um auch keinen Spielraum für Interpretationen zu lassen, schiebt Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hinterher, dass mit „bilateral“ direkt mit der ukrainischen Seite gemeint ist.
Zuvor hatte Putin mit einer spontanen Waffenruhe überrascht. Als US-Präsident Trump am Wochenende damit drohte, auf weitere Gespräche zu „verzichten“, wenn es in den Vermittlungen „eine der beiden Parteien sehr schwierig macht“, kündigte der Kreml-Chef gleich eine 30-stündige „Oster-Waffenruhe“ an.

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Putins Kalkül: „Russland will den Krieg lieber militärisch entscheiden“
Für Janis Kluge, Osteuropa-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik ist allerdings klar: „Bei Putins Taktieren geht es nur darum, nicht den Ärger von US-Präsident Trump auf sich zu ziehen“, sagt er gegenüber unserer Zeitung. Es solle nicht so aussehen, als seien Verhandlungen an Russland gescheitert. „Leider stehen die Chancen auf eine echte Waffenruhe sehr schlecht“, sagt Kluge. Putin sei daran nicht interessiert. „Russland will den Krieg lieber militärisch entscheiden, als sich auf einen Kompromiss einzulassen.“
Auch der Sicherheitsexperte Nico Lange warnt davor, zu viel auf Putins Wort zu geben. „Seit mehr als einem Monat hat die Ukraine sich dazu bereit erklärt, einen Waffenstillstand ohne Bedingungen einzugehen“, sagt er in der Tagesschau nach der Ankündigung der Oster-Waffenruhe. „Putin hat das nicht angenommen.“ Um dann schließlich selbst eine kurze Feuerpause zu verkünden.
Jetzt taktiert Putin erneut, spielt auf Zeit. Am Dienstag lässt er über seinen Sprecher mitteilen, dass es keine Eile bei den Gesprächen gebe. Das Thema einer Waffenruhe sei „so komplex“, dass eine „umsetzbare Einigung“ nicht in einem „kurzfristigen Zeitrahmen“ erzielt werden könne. Außerdem müsse Kiew „Hindernisse auf dem Weg zu solchen Kontakten“ abbauen. Zum vierten Mal soll der US-Sonderbeauftragte Steve Witkoff diese Woche nach Moskau reisen.
Und am morgigen Mittwoch berät sich die Ukraine mit ihren Verbündeten – diesmal sind es Großbritannien, Frankreich und die USA. Das Ziel sei eine „Waffenruhe ohne Vorbedingungen“, erklärt Selenskyj. Seine Vision: ein „echter und dauerhafter Frieden“.