Kanzlerkandidat der Reserve: Söder sucht in China auch nach neuen politischen Herausforderungen

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Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) iszeniert sich in China als Staatsmann von Kanzler-Format. © Peter Kneffel/dpa

In China sucht Bayerns Ministerpräsident Markus Söder nach einer neuen Rolle. Dem politischen Kraftprotz fehlt das Ziel. Bekommt er doch noch die Chance auf die Kanzlerschaft?

Peking – Die Aussichten sind schlecht für Markus Söder. Da hat sich der Ministerpräsident die letzten kniehohen Stufen auf die chinesische Mauer hochgewuchtet. Doch oben sieht er vor allem, dass er nichts sieht. Das Weltwunder liegt eingehüllt im dichten Nebel. Immerhin hat sich der CSU-Chef für diesen Moment ein paar weitsichtige Gedanken zurechtgelegt. „Noch nie hat eine Mauer wirklich etwas aufgehalten“, sinniert er. Weder habe diese Mauer hier Dschingis Khan stoppen können noch die DDR-Mauer die Freiheit. Und auch Donald Trump werde mit seiner Mauer nicht weit kommen. „Ich bin nie ein Fan von Mauern gewesen.“ Ein erstaunlicher Satz an diesem Ort.

Es ist der letzte Tag von Söders China-Reise. Und wohl ihr Höhepunkt. Durch das Treffen mit Premierminister Li Qiang, Chinas Nummer zwei, kann Söder Bayerns Bedeutung dokumentieren. Und seine eigene. Als Annalena Baerbock vor einem Jahr zu Gast war, traf sie nur den Außenminister. Söder dagegen ist hier der erste. Der erste deutsche Ministerpräsident seit der Pandemie. Und er ist vor Olaf Scholz hier, der in vier Wochen erwartet wird. Mit dem Kanzler hat er sich vor der Reise abgestimmt. Söder spielt im Spiel der Großen.

Söder auf Staatsbesuch in China – Wird Bayern dem Ministerpräsidenten bald zu klein?

Fast auf den Tag genau seit sechs Jahren ist der 57-Jährige nun Ministerpräsident – jenes Amt, das er als junger Fan von Franz Josef Strauß ins Visier genommen hatte. Er wollte es unbedingt und bekam es. Nach der verpassten Kanzlerkandidatur brachte er noch einmal seine ganze Kraft auf, um es zu verteidigen. Selbst Gegner waren beeindruckt von dieser brachialen Tour durch Bierzelte und Stadtfeste.

Aber jetzt? Wohin mit all seiner Kraft? Mit Hubert Aiwanger lebt er in einer unromantischen Zweckehe. Der Koalitionsvertrag klingt in weiten Teilen nach „Weiter so“. Nicht wenige Beobachter haben den Eindruck, das alles langweile den ungeduldigen Söder eher. Eigentlich sei ihm Bayern längst zu klein. Er selbst verbittet sich solche Thesen natürlich.

Und manchmal macht ihm das Regieren auch sichtlich Freude, vor allem bei Forschungs- und Wirtschaftsthemen. 2019 startete er seine Hightech-Agenda, in der neuen Legislatur wird sie ausgebaut. Forschung an Kernfusion. Die erste deutsche KI-Universität in Nürnberg. Ein Mondkontrollzentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen. Das macht ihm Spaß.

Bayern „auf Augenhöhe“ mit China – Söder trifft Ministerpräsident Li Quiang

Und das Reisen, neuerdings. Israel, Schweden, Serbien, China. Die nächste große Reise nach Indien ist bereits in Planung. Eigentlich war Söder nie begeisterter Außenpolitiker. Auch in China dauert es ein paar Tage, bis er in seinen Reden die richtige Balance findet. Hier die Chancen für die Wirtschaft, aber dort auch die Gefahr von einseitiger deutscher Abhängigkeit, von Wirtschaftsspionage, ungleichen Wettbewerbsbedingungen und den Menschenrechten.

Nach dem Treffen mit dem Premier aber ist Söder in seinem Element. 45 Minuten habe es gedauert. „Wir sind da schon auf Augenhöhe.“ Er, Ministerpräsident von 13 Millionen Bayern. Li Quiang der von 1,4 Milliarden Chinesen. Zwei Fortschritte: Er habe sich für die bayerische Landwirtschaft eingesetzt, seit der Schweinepest sei der Export nach China eingebrochen. „Da herrscht eine große Offenheit.“ Zugleich wolle man mehr chinesische Touristen nach Bayern locken. Ideen und Konzepte werden ausgearbeitet. Söder ist hoch konzentriert. Das wirkt in diesen Tagen nicht immer so.

K-Frage in der Union – Söder hält sich bereit und in den Schlagzeilen

Der Ministerpräsident hat die Krawatte nach dem Treffen sofort wieder aus- und die Strickjacke angezogen. Auch das fällt auf in Peking. Für einen Staatsbesuch – die Delegation ist klein gehalten – geht es auffallend leger zu. Subtext: Söder muss keinem mehr was beweisen. Er kennt die Umfragen: Laut ZDF-Politbarometer glauben 27 Prozent, dass die Union mit ihm als Kanzlerkandidat die besten Chancen habe. Unter Unionsanhängern sind es sogar 34 Prozent. Der CSU-Chef ist überzeugt, dass die CDU-Basis konservativer tickt als ihr Parteivorstand. Und dass viele lieber ihn als Kandidaten hätten. Aber er kennt auch die Realität: Alles deutet auf Friedrich Merz hin.

Doch entschieden wird erst nach den Landtagswahlen im Osten. Im Herbst. In der Politik ist das noch eine halbe Ewigkeit. Also hält sich Söder bereit – und in den Schlagzeilen. Mit Kritik an der Ampel oder kleinen Provokationen wie dem Gender-Verbot. Im Bundesrat stimmt er auch mal gegen die CDU. Kleine Witzeleien über Hendrik Wüst und Daniel Günther sind Standard.

In China hat Söder einen Glückskeks geöffnet. „Der Wille gestaltet den Menschen, zu Erfolg braucht es jedoch Mut und Ausdauer.“ Er hat ihn gleich begeistert in den Sozialen Medien gepostet. (MIke Schier)

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