Wie Arbeiter aus dem Westen Putins Wirtschaft retten sollen – aber es reicht nicht

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Ein neues Visum soll westliche Arbeitskräfte nach Russland locken. Dafür gibt es mehrere Gründe. Allerdings reicht die Maßnahme nicht aus.

Moskau – Russland gehen die Arbeitskräfte aus. Ein Kreml-Minister warnte im Juli noch davor, dass innerhalb der nächsten Jahre mehr als zehn Millionen Arbeitskräfte fehlen könnten. Die Geburtsrate innerhalb Russlands ist zu niedrig, der Krieg verschärft die Situation. Der russische Präsident Wladimir Putin hat daher eine neue Strategie aufgefahren: Der Westen soll aushelfen.

Neue Arbeiter für Russlands Wirtschaft – aus dem Westen

Was aber steckt dahinter? Neu ist das „Shared Values Visa“, also das Visum für geteilte Werte, nicht. Bereits seit August 2024 wirbt Russland damit und will frustrierte Bürger aus westlichen Demokratien anwerben. Die grundlegende Message: „Wenn ihr mit der politischen Richtung eurer Länder nicht mehr zufrieden seid, kommt nach Russland.“ Dabei gibt Russland vor, das konservative, patriotische, nicht-„woke“ Europa konserviert zu haben.

Wladimir Putin in Moskau.
Wladimir Putin in Moskau (Symbolfoto). Ein neues Visum soll westliche Arbeitskräfte nach Russland locken. Dafür gibt es mehrere Gründe. Allerdings reicht die Maßnahme nicht aus. © IMAGO / SNA

Das Visum richtet sich an Bürger von Staaten, die Russland als „unfreundlich“ eingestuft hat. Unter anderem befinden sich die USA, Kanada, Australien und ein Großteil der EU-Staaten darunter. Die Zielgruppe ist schnell erfasst: Es sind Erzkonservative, Enttäuschte und finanziell Abgehängte. Per Online-Anzeige und Webseiten richtet der Kreml spezielle Werbung an diese Menschen, in der Hoffnung, dass sie sich dann auf den Weg gen Russland machen.

Sollten sie diese Reise antreten, können sie mit verschiedensten Konditionen rechnen: Mit dem Visum dürfen die Einreisenden drei Jahre lang in Russland leben, dort arbeiten, sich selbstständig machen und das Land für sich entdecken. Weder ein Sprachtest oder ein Integrationsnachweis noch Investitionen oder Qualifikationen sind notwendig. Allerdings müssen Antragstellerinnen und Antragsteller die „traditionellen moralischen und spirituellen Werte“ Russlands respektieren. „Unsere Kunden sagen, dass sie ihre Länder nicht mehr wiedererkennen“, zitiert die Welt dazu Ilja Belobragin, Geschäftsführer von MoveToRussia.com. Das Unternehmen hilft bei der Übersiedlung nach Russland.

Russlands Wirtschaft vor Arbeitskräfte-Mangel – elf Millionen könnten fehlen

Ein Influx von westlichen Arbeitskräften wäre vor allem wegen der massiven Lücke in Russlands Arbeitsmarkt wünschenswert für den Kreml. 2023 berichtete die russische Zeitung Izvestia noch von rund 4,8 Millionen fehlenden Arbeitskräften, für dieses Jahr gab die Gazprombank immer noch eine Lücke von 1,8 Millionen Arbeitern an. Das Institute for the Study of War (ISW) spricht von „signifikantem Arbeitskräftemangel“ und aus dem Kreml selbst hieß es, bis 2030 könnten elf Millionen Arbeiter fehlen.

Im gleichen Zuge stieg der Bedarf für Arbeitskräfte innerhalb von Russlands Wirtschaft massiv. Im Mai 2025 erreichte der monatliche Durchschnittslohn die 99.442 Rubel (1.068,4 Euro), was einen jährlichen Anstieg um 14,5 Prozent bedeutet. Mit eingerechneter Inflation kommt ein realer Lohngewinn von 4,2 Prozent zustande, berichtete die Moscow Times. Die Unternehmen in Russland waren in ein regelrechtes Wage Race eingetreten, ein Wettrennen um die besten Löhne, um Arbeitskräfte zu binden.

Diese Entwicklung hat sich Richtung Sommer etwas verlangsamt. Auch die Jobausschreibungen seien zuletzt weniger geworden. Das lag jedoch weniger daran, dass die Unternehmen ihren Bedarf decken konnten, sondern vielmehr an reiner Frustration, keine Arbeitskräfte zu finden. So jedenfalls erklärte es Natalia Orlowa, Chefökonomin bei der privaten Alfa Bank.

Abwanderung und Kriegseinsatz – Werte-Visum kann Russlands Lücke nicht schließen

Russland leidet dabei unter mehreren gravierenden Problemen, die diesen Arbeitskräftemangel befeuern. Der offensichtlichste ist der Ukraine-Krieg. Russland braucht Soldaten, und mehrere Mobilisierungswellen haben dafür gesorgt, dass dem Arbeitsmarkt jede Menge Männer im kriegstüchtigen Alter fehlen. Weiter sind massenhaft Russen abgewandert, um eben nicht an die Fronten zwischen Kharkiv und Kherson geschickt zu werden.

Ob das „Werte-Visum“ von Wladimir Putin diese Entwicklung aufhalten kann, ist fraglich. Laut Welt-Bericht gingen seit Einführung des Visums mehr als 1150 Anträge ein. Bei Millionen von fehlenden Arbeitskräften ist das ein Tropfen auf heißem Stein. „Zuallererst ist das Symbolpolitik“, sagt Katharina Bluhm, Chefin des Institute for East European Studies an der Freien Universität Berlin, zum Nachrichtennetzwerk DW.

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