„Ein großer Fehler“: EU-Deal mit Libanon soll Ankunft von Geflüchteten verhindern – trotz Kritik
Die EU plant laut einem Bericht einen Milliarden-Deal mit dem Libanon. Es geht um syrische Geflüchtete – und es gibt auch Bedenken.
Brüssel/Beirut – Die EU will im Libanon offenbar einen neuen Migrationsdeal verkünden. Nach Recherchen der Nachrichtenagentur dpa will das Staatenbündnis mit EU-Geld den Zustrom von bislang im Libanon lebenden syrischen Flüchtlingen in die EU stoppen.
Mit den Finanzhilfen von rund einer Milliarde Euro sollen nach Angaben von EU-Beamten das Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen im Libanon gestärkt werden. Die legale Migration wird den Plänen zufolge erleichtert werden. Zudem sind EU-Mittel für den Libanon vorgesehen für folgende Bereiche:
- die Sicherheitsbehörden
- die Streitkräfte des Landes
- den Kampf gegen Schleuserbanden
- Wirtschafts- und Finanzreformen
Das Unterstützungspaket soll laut dpa an diesem Donnerstag (2. Mai) bei einer Libanon-Reise von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Zyperns Präsident Nikos Christodoulidis angekündigt werden. Der für den Libanon vorgesehene Betrag ist für den Zeitraum bis Ende 2027 vorgesehen. Ein erster hoher dreistelliger Millionenbetrag könnte bereits im Sommer fließen.
Migration aus Syrien: Zahl der Ankünfte stieg zuletzt drastisch
Angaben von Staatschef Christodoulidis zufolge kamen in den vergangenen Monaten fast täglich Syrer aus dem Libanon in Zypern an. Seit Jahresbeginn wurden bereits rund 4000 Migranten gezählt – im ersten Quartal des Vorjahres waren es lediglich 78.
In absoluten Zahlen sind das deutlich weniger als beispielsweise in Italien, Spanien und Griechenland, wo Bootsflüchtlinge aus Ländern wie Tunesien, Libyen, Ägypten, Marokko oder der Türkei ankommen. Gemessen an seiner Einwohnerzahl gibt es aber nirgendwo in der EU so viele Asylanträge wie auf Zypern. Auf der Insel sind die Flüchtlingslager überfüllt.
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Libanon in der Krise – Diskriminierung von syrischen Flüchtlingen im Land
Ob das EU-Geld ausreicht, um die Lage im Libanon zu entspannen, ist allerdings fraglich. Das Land steckt derzeit in der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seiner Geschichte – und zählt mit mehr als 1,5 Millionen syrischen Flüchtlingen gleichzeitig zu denjenigen Staaten, die pro Kopf weltweit die meisten Flüchtlinge aufgenommen haben. Das hat dazu geführt, dass mittlerweile eine antisyrische Stimmung herrscht und viele Flüchtlinge sich aus Angst vor Übergriffen nicht mehr auf die Straße trauen.
Zudem gibt es Berichte über willkürliche Festnahmen und Folter: Menschenrechtlern zufolge wenden libanesische Beamte seit Jahren diskriminierende Praktiken gegen Syrer an, um sie zur Rückkehr nach Syrien zu zwingen. Die libanesischen Regierenden vertreten die Meinung, das Bürgerkriegsland sei stabil und sicher genug, um eine Rückkehr zu gewährleisten. Die Vereinten Nationen und andere Menschenrechtsorganisationen sehen dies allerdings weiter anders.
EU-Migrations-Deal mit dem Libanon? Nahost-Experte warnt
Angesichts dieser Gemengelage werden die Pläne der EU auch kritisch gesehen. „Die EU macht im Libanon einen großen Fehler“, sagt etwa Riad Kahwaji, Direktor des Institute for Near East and Gulf Military Analysis. Das Land habe eine lange Geschichte interner Probleme, getrieben von konfessionellen Konflikten, die bis heute immer wieder zu einem Machtvakuum führen.
Der Libanon sei in keiner Weise bereit, ein Aufnahmeland für Flüchtlinge zu sein. Die gleichen Politiker, die jetzt Gelder von der EU in Empfang nähmen, würden auf Podien dazu aufrufen, die Syrer aus dem Land zu werfen. „Es ist irre, zu sehen, dass die Europäer an die Illusion glauben, dass die libanesischen Behörden in der Lage wären, den Flüchtlingsstrom einzudämmen.“ (dpa/frs)