Bittere Berechnung für Rentner: Weniger Rente trotz längerer Arbeit – Millionen Arbeitnehmer betroffen

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Wer länger arbeitet, sollte mehr Rente bekommen. Neue Berechnungen zeigen nun, dass das teilweise nicht stimmt. Für die Linke ist deshalb klar: Keine Anhebung des Rentenalters.

Berlin – Deutschland wird älter, die Menschen leben länger, beziehen länger Rente und um das zu kompensieren, müssen sie auch länger arbeiten: Bis 2031 wird das Renteneintrittsalter von 65 auf 67 angehoben. Eine neue Berechnung einer Arbeitsexpertin zeigt jetzt aber, dass diese Annahme irreführend sein kann. Denn: obwohl Menschen in den vergangenen Jahren später in Rente gegangen sind, ist die Lebenserwartung kaum gestiegen. Das Resultat: Die Menschen bekommen weniger Rente. Für die Linke ist das Anlass, die Erhöhung des Rentenalters zu stoppen.

Später in Rente und trotzdem weniger Altersgeld

Die Expertin für Arbeitsschutz- und Arbeitsmedizin, Dagmar Pattloch, sorgte vor Kurzem mit einer Analyse für Aufsehen. Sie stellte in einem wissenschaftlichen Papier die Frage, was die Anhebung des gesetzlichen Rentenalters bringt. Dabei hat die Forscherin eine präzisere Berechnungsmethode angewandt, als es die Behörden der Bundesregierung tun. Die Ergebnisse: 2022 haben Frauen und Männer ihre Rente kürzer bezogen, als noch 2012. Männer bekamen im Schnitt 16,59 Jahre lang das Altersgeld (2012: 17,41 Jahre), Frauen 20,22 Jahre (2017: 21,51). Im Schnitt gingen die Deutschen 2022 mit 64,9 Jahren in Rente.

Die Menschen sollen später in Rente gehen. Weil sich die Lebenserwartung zuletzt aber kaum erhöhte, bleibt Millionen Deutschen unterm Strich weniger lange etwas von der Rente.
Die Menschen sollen später in Rente gehen. Weil sich die Lebenserwartung zuletzt aber kaum erhöhte, bleibt Millionen Deutschen unterm Strich weniger lange etwas von der Rente. © IMAGO/Michael Gstettenbauer

Das heißt, dass sich Pattloch zufolge die Länge der Rente bei Männern um 0,8 Jahre und bei Frauen um 1,3 Jahre verkürzte. Grund dafür ist, dass die Menschen in im Laufe der zehn Jahre später in Rente gingen, sich die Lebenserwartung aber nicht im gleichen Maß erhöhte. „Dieser Aufschub von AR [Altersrente] übersteigt bei weitem die Entwicklung der Lebenserwartung. Die Folge ist eine verkürzte Bezugsdauer von AR“, heißt es in Pattlochs Analyse.

„Keine faktische Grundlage“ für höheres Rentenalter

Diesen wissenschaftlichen Beitrag nahm Matthias W. Birkwald, Renten- und Alterssicherungspolitischer Sprecher der Linken im Bundestag, nun zum Anlass, die offiziellen Zahlen der Bundesregierung dazu abzufragen. Die Antwort der Bundesregierung und die Daten des Statistischen Bundesamts liegen IPPEN.MEDIA exklusiv vor. Daraus geht hervor, dass sich das durchschnittliche Renteneintrittsalter im Jahresverlauf kaum geändert hat. Darin zeigt sich auch, dass sich die Lebenserwartung insgesamt kaum gestiegen ist, bei Menschen ab 65 Jahren ist sie zwischen 2021 und 2022 sogar leicht gesunken. Dabei weist die Regierung auf die erhöhte Sterblichkeit während der Corona-Pandemie hin.

Matthias Birkwald (Die Linke)
Linken-Politiker Matthias W. Birkwald ist erklärter Gegner eines späteren Renteneintrittalters. © Christoph Soeder/dpa

Für Birkwald zeigen sowohl Pattlochs Berechnungen als auch die Zahlen der Regierung, „dass für eine Diskussion über die Anhebung des Rentenalters aktuell keine faktische Grundlage besteht“, wie der Politiker gegenüber IPPEN.MEDIA sagt. Die Bundesregierung nimmt die Ergebnisse Pattlochs nach Birkwalds Anfrage nun „zur Kenntnis.“

Kritik an Renten-Plänen der Jugend von CDU und CSU

Birkwald kritisiert angesichts dieser Erkenntnisse vor allem die Nachwuchsorganisation der CDU und CSU: „Statt – wie die Junge Union – fälschlicherweise wieder lautstark eine Anhebung des Renteneintrittsalters zu fordern, sollten wir also erst einmal genau untersuchen, wozu die bisherige Anhebung des Renteneintrittsalters geführt hat“, so der Linken-Politiker. „Die Junge Union scheint darüber hinaus zu vergessen, dass diese Anhebung hauptsächlich die kommenden Generationen, nicht aber die bald schon in den Ruhestand eintretenden Babyboomer treffen werden wird. Wer selbst Politik gegen seine eigenen Interessen macht, der hat wirklich gar nichts verstanden.“

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