Von Familienbetrieb zu Niemandsland: Die Krise der Unternehmensnachfolge

Warum finden so viele Mittelständler keine geeigneten Nachfolger mehr?

Laut einer aktuellen KfW-Umfrage betrifft das bis zu 231.000 mittelständische Unternehmen, die Ende 2025 ihr Wirken einstellen werden, wenn keine Übergabe zustande kommt. Natürlich spielt da der demografische Wandel mit rein: Unternehmerinnen und Unternehmer werden immer älter – und bleiben immer länger mit Freude im operativen Geschäft. Vor 10 Jahren war rund ein Fünftel über 55 Jahre alt, heute ist es mehr als die Hälfte.

Der Haken daran: Viele schieben das Thema Nachfolge zu lange vor sich her. Natürlich ist es verlockend, das Ganze auf »später« zu legen, wenn du fit bist und das Geschäft läuft. Doch die Dinge können sich schneller ändern, als dir lieb ist. Emotionen spielen hier auch eine wichtige Rolle. Schließlich geht es bei vielen Unternehmern nicht einfach um eine Firma, sondern um ihr Lebenswerk. Doch deswegen so lange wie möglich nicht loslassen zu wollen, ist definitiv die falsche Entscheidung.

»Bei so einem gut laufenden Unternehmen wird sich schon jemand finden.« Und was ist, wenn nicht? Ich habe selbst mein Unternehmen, die Limbeck Group, im vergangenen Jahr verkauft. Das ging nicht von heute auf morgen. Ich habe rund zwei Jahre daran gearbeitet. Und das war schon schnell. Egal, ob es darum geht, einen Käufer zu finden oder einen Nachfolger aufzubauen – beides braucht Zeit. Zeit, die Unternehmer unbedingt einplanen sollten.

Früher war es auch oft gesetzt, dass eines der Kinder die Nachfolge antritt. Doch die Zeiten haben sich geändert. Die junge Generation denkt anders. Verantwortung übernehmen, unternehmerisches Risiko tragen, 60+ Stunden pro Woche arbeiten? Da winken viele ab und entscheiden sich lieber für eine Festanstellung. Das ist in Ordnung – wichtig ist nur, das als Unternehmer miteinzuplanen und nicht felsenfest davon auszugehen, dass die Unternehmensführung in Familienhand bleiben wird.

Welche wirtschaftlichen Risiken entstehen, wenn keine geeignete Nachfolgeregelung gefunden wird?

Das Wichtigste ist meiner Ansicht nach, dass wir der Realität ins Gesicht blicken: Der Mittelstand ist das Rückgrat Deutschlands – und dieses Rückgrat droht zu brechen, wenn das Thema Nachfolge nicht endlich systematisch angegangen wird. Wer keinen Nachfolger hat, hat kein Geschäftsmodell mit Zukunft.

Und nicht nur das. Denn wenn ein Inhaber geht und das Unternehmen schließt, stirbt nicht nur ein Unternehmen. Dann brechen gleich ganze Wertschöpfungsketten weg: Arbeitsplätze, regionale Stabilität, Innovation – da hängt einiges dran.

Inzwischen lesen wir fast wöchentlich, dass ein alteingesessener Mittelständler aufgibt – weil sich die Produktion am Wirtschaftsstandort Deutschland nicht mehr rentiert, das Unternehmen in die Insolvenz gerutscht ist. Oder eben, weil es keinen Nachfolger gibt. Das ist tragisch, denn Deutschland verliert damit nicht nur wirtschaftliche Substanz, sondern auch Unternehmergeist. Es ist eine stille Massenflucht aus der Verantwortung – mit lauten Konsequenzen für den Standort.

Und was Unternehmer, die sich in dieser Situation befinden, ebenfalls bedenken sollten: Wer zu spät handelt, verliert massiv an Unternehmenswert. Ohne klare Nachfolgestrategie werden Betriebe am Ende unter Wert verkauft oder gar abgewickelt. Das betrifft nicht nur den Chef – das betrifft Familien, Mitarbeitende, Lieferanten, Kunden.

Über Martin Limbeck

Martin Limbeck ist Mehrfachunternehmer, Investor, fünffacher Bestsellerautor und einer der führenden Experten für Sales und Sales Leadership in Europa. Mit seiner Gipfelstürmer Mentoring GmbH unterstützt er Unternehmer dabei, ein Sales-Mindset zu entwickeln, Vertrieb zur Chefsache zu machen und ihre Firma zur Sales Driven Company zu transformieren. Als Botschafter von Kinderlachen e.V. engagiert er sich für kranke und hilfsbedürftige Kinder in Deutschland. Mehr auf martinlimbeck.de

Wie können Unternehmer den Herausforderungen der Unternehmensnachfolge erfolgreich begegnen?

Um es ganz pragmatisch zu sagen: Es ist höchste Zeit, dass Unternehmer aufhören, zu verdrängen – und anfangen, die Nachfolge in Ihrem Betrieb zu planen und zu gestalten.

Nachfolge ist kein Ereignis, sondern ein Prozess. Und der sollte mindestens fünf Jahre vorher beginnen. Das bedeutet: frühzeitig systematisieren, Wissen transferieren, Führungsnachwuchs aufbauen – und sich auch emotional von der Idee verabschieden, dass es ohne einen selbst nicht geht.

Der zweite Hebel: Attraktivität. Selbst wenn sie Lust auf Unternehmertum haben, übernehmen junge Leute kein verstaubtes Unternehmen aus den 80ern. Da braucht es moderne Strukturen, digitale Prozesse, einen klaren Purpose – und ein Team, das bereit ist, gemeinsam zu wachsen.

Und drittens: Externe Beratung reinholen. Wer das zum ersten Mal macht, braucht Profis, keine Bauchentscheidungen. Das ist kein Ego-Thema, sondern strategische Weitsicht. Ich begleite selbst aktuell einen Unternehmer und seine Nachfolger dabei, die Prozesse gemeinsam zu definieren und das Unternehmen auch vertrieblich zukunftsfähig aufzustellen.

Welche politischen und finanziellen Maßnahmen könnten helfen, die Lage zu verbessern?

Auch wenn es um das Thema Unternehmensnachfolge geht, brauchen wir mehr echte Anreize statt nur Lippenbekenntnisse der Politik. Steuerlich gesehen wäre ich für eine klare Entlastung bei der Unternehmensübertragung, insbesondere bei Erbschaft- und Schenkungssteuer, wenn das Unternehmen weitergeführt wird. Sonst strangulieren wir das, was erhalten werden soll.

Zweitens: Wir brauchen Förderprogramme, die gezielt auf das Thema Nachfolge ausgerichtet sind. Nicht nur für Gründung, sondern eben auch für Übernahmen. Junge Unternehmer brauchen Kapital, Coaching, digitale Tools und Unterstützung, um Fuß zu fassen, sei es als Nachfolger oder mit einer eigenen Geschäftsidee. Was wir nicht brauchen, ist noch mehr Bürokratie.

Drittens – und das würde ich mir besonders wünschen: Das Thema Unternehmertum endlich in Schulen und Universitäten bringen. Ein Start-up gründen ist vielleicht noch cool – warum ist es die Übernahme eines erfolgreichen Handwerksbetriebs nicht? Was wir in diesem Land wirklich brauchen, ist ein Kulturwandel. Die Politik kann die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Den Mut zur Nachfolge, den müssen wir jedoch in der Gesellschaft neu wecken.

Lesetipp (Anzeige)

"Limbeck. Unternehmer. Das Standardwerk für erfolgreiches Entrepreneurship" von Martin Limbeck

Dieser Beitrag stammt aus dem EXPERTS Circle – einem Netzwerk ausgewählter Fachleute mit fundiertem Wissen und langjähriger Erfahrung. Die Inhalte basieren auf individuellen Einschätzungen und orientieren sich am aktuellen Stand von Wissenschaft und Praxis.