Weidel zu „patzig“? AfD hadert wohl mit Ergebnis bei der Bundestagswahl
Alice Weidel war das Gesicht der AfD vor der Bundestagswahl. Doch viele hatten wohl auf mehr Prozente beim Wahlergebnis gehofft – das Abrechnen beginnt.
Berlin – Die AfD hat bei der Bundestagswahl 2025 ein Rekord-Ergebnis eingefahren: Sie hat die Zahl ihrer Stimmen im Vergleich zu 2021 verdoppelt, im Osten fast alle Wahlkreise geholt und wird nun als stärkste Oppositionspartei im Bundestag der Merz-Regierung das Leben schwer machen. Doch intern scheint es dennoch zu rumoren bei der AfD.
Als die Wahlergebnisse zur Bundestagswahl 2025 am Sonntagabend verkündet wurden, habe auf der Wahlparty der AfD in Berlin nicht etwa Euphorie geherrscht, sondern leichte Ernüchterung, heißt es beim Spiegel. Der Applaus für Kanzlerkandidatin Alice Weidel sei zunächst verhalten ausgefallen. Erst als nach einer Weile Björn Höcke einen Sprechchor angestimmt habe, hätten weitere Parteimitglieder mitskandiert.

AfD hoffte wohl auf besserer Ergebnis bei Bundestagswahl - Ernüchterung über Weidel bei Wahlparty
Insgeheim hat man bei der AfD wohl auf ein besseres Ergebnis bei der Bundestagswahl 2025 gehofft als die in Umfragen prognostizierten rund 20 Prozent, die es jetzt auch geworden sind. Parteifunktionäre hätten vor der Bundestagswahl durchaus mit bis zu 25 Prozent für die AfD gerechnet, heißt es beim Spiegel.
Die Hoffnung vieler in der AfD bestand wohl darin, dass einige in der Wahlkabine bei der AfD ein Kreuz machen, auch wenn sie es bei Befragungen der Meinungsforscher zuvor nicht zugeben wollen – und es dann am Wahlabend zur großen AfD-Überraschung kommt.
Alice Weidel hatte als AfD-Kanzlerkandidatin beste Bedingungen vor der Bundestagswahl
Dem war nicht so. Und genau wie bei er SPD und bei den Grünen, wo Robert Habeck seinen Rückzug ankündigte, wird man jetzt auch in der AfD womöglich nach Schuldigen suchen. An vorderster Front kämpfte Alice Weidel vor der Bundestagswahl für die AfD. Und sie hatte dafür eigentlich beste Bedingungen: Bei allen TV-Debatten der Spitzenkandidaten war auch Weidel vertreten. Ob in ARD und ZDF, bei RTL oder Pro7: Die 46-Jährige hatte so viel Zeit und Raum, ihre Positionen zu vertreten wie bei keiner anderen Wahl zuvor.
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Hinzu kam, dass Friedrich Merz kurz vor der Wahl eine Abstimmung im Bundestag mit Stimmen der AfD in Kauf nahm, was die Partei zusätzlich legitimierte. Und aus dem Ausland kam massive Wahlkampfhilfe für die AfD: Elon Musk führte mit Alice Weidel ein Live-Interview auf seiner Plattform X, wobei die AfD-Kanzlerkandidatin ungefiltert und ungeprüft ihre Positionen in den sozialen Medien verbreiten konnte.
US-Vize-Präsident J.D. Vance ermahnte dann auch noch die anderen deutschen Parteien vor der Bundestagswahl, sie sollten mit der AfD zusammenarbeiten. Schützenhilfe kam auch von der rechtspopulistischen FPÖ aus Österreich und von Viktor Orbán in Ungarn, der Alice Weidel vor der Wahl wie einen Staatsgast empfing und ihr nach der Wahl gratulierte – und nicht zuallererst Wahlsieger Friedrich Merz.
Rückenwind für AfD aus dem Ausland – trotzdem kann Alice Weidel Ergebnis nicht verbessern
Bei der AfD-Pressekonferenz am Montag nach der Bundestagswahl stellte ein Journalist Alice Weidel deshalb die Frage: Warum schnitt die AfD trotz idealer Wahlkampf-Bedingungen nicht besser ab? Weidel wollte davon nichts hören. Sie wies die Frage mit Verweis auf den Wahlerfolg der AfD zurück. Ihr Co-Chef Tino Chrupalla ergänzte, dass man dies auch andere Parteien stellen könne, deren Ergebnisse ebenfalls nicht besser als erwartet oder gar schlechter ausfielen.
Wohnhaft in der Schweiz und homosexuell: In der AfD stelle man sich Fragen zu Weidel
Doch auch innerhalb der AfD stelle man sich durchaus Fragen zu Weidel, hieß es am Montag nach der Bundestagswahl von einer Korrespondentin des Nachrichtensenders Phönix. Dass Weidel nicht in Deutschland, sondern in der Schweiz wohnt, werfe Fragezeichen auf. Dass sie zudem homosexuell ist und mit einer indischstämmigen Frau zusammenlebt, könne auf potenzielle AfD-Wähler abschreckend wirken, schließlich passt das so gar nicht zum Familienbild der Partei. Hinter vorgehaltener Hand werde diskutiert: War Weidel die richtige Wahl als Kanzlerkandidatin?
Auch der Spiegel berichtet über parteiinterne Kritik an Weidel. Allerdings sprächen diejenigen, die nicht zufrieden seien, nur anonym. Es gehe auch hier um Weidels Wohnort in der Schweiz, aber auch darum, dass Weidel im Wahlkampf zu „patzig“ und „brüsk“ rübergekommen sei.
Weidel zu „patzig“ und „brüsk“ vor der Bundestagswahl? AfD-Kritik an ihr nur anonym
Tatsächlich fiel Weidel in den TV-Debatten nicht durch ihre charmante Art auf, auch wenn sie sich durch viele Nachfragen und höfliche Floskeln offensichtlich darum bemühte. Im ZDF-Klartext legte sie sich sogar mit den Zuschauern an und warf einem Bürger, der eine Frage stellte, in arroganter Manier vor, er habe diese wohl auswendig gelernt.
Für die Zeit nach der Wahl ist nicht zu erwarten, dass sie ihren barschen Ton ändert, im Gegenteil: Weidel wird wohl noch radikaler aufreten, mit dem Ziel, die Union von Merz zu zerlegen. (smu)