„Müssen länger arbeiten“: Reiche präsentiert Rettungsplan für die Rente

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Wirtschaftsministerin Katherina Reiche fordert weiterhin einen späteren Renteneintritt. Berater der Ministerin dringen auf rasche Reformen und warnen vor einer „tickenden Zeitbombe“.

Berlin – Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hat sich wieder in die hitzige Rentendebatte eingeschaltet. Nun geht es um ein Papier, in dem ein von ihrem Ministerium beauftragter Expertenrat „zu Recht“ darauf hinweise, dass „wir angesichts einer höheren Lebenserwartung länger arbeiten müssen“, erklärte Reiche am Dienstag (9. September). „Daneben brauchen wir weniger Anreize, früher in Rente zu gehen.“

Papier zur Rente: Wirtschaftsweise unterstützt Reiche als Beraterin

Reiche hatte erst vergangene Woche mitgeteilt, dass sie einen Expertenkreis als Unterstützung für „entschlossene Reformen im Geiste der Sozialen Marktwirtschaft“ berufen hat. Dieser ist hochkarätig besetzt – neben der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm sind auch der Ökonom Volker Wieland, sowie die Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Stefan Kolev vom Ludwig-Erhard-Forum für Wirtschaft und Gesellschaft in Berlin Mitglieder.

Katherina Reiche.
Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) fordert weiterhin einen späteren Renteneintritt. (Archivbild) © Bernd Elmenthaler/Imago

Die Ökonomen haben nun ein Impulspapier veröffentlicht – mit Forderungen für die Rentenversicherung. Darin warnen sie vor den Folgen der Alterung der Gesellschaft: „Ohne eine entschlossene Reformagenda droht die Rentenversicherung zu einer zunehmenden Belastung des Bundeshaushalts zu werden – und zur tickenden Zeitbombe für die Generationengerechtigkeit.“ Vor dem Hintergrund bisheriger Pläne, das Rentenniveau bei 48 Prozent zu halten, warnen sie vor einem massiven Anstieg der Kosten. Mehr als 90 Milliarden Euro müssten zusätzlich aus dem Bundeshaushalt kommen.

Reiche und Ökonomen fordern späteren Renteneintritt

Um den Kostendruck aus dem deutschen Rentensystem zu nehmen, haben sie mehrere Vorschläge – unter anderem fordern sie die automatische Kopplung des Renteneintrittsalters an die längere Lebenserwartung. Dabei wollen sie Tempo: „Eine weitere Anhebung des Rentenalters müsste jetzt auf den Weg gebracht werden.“ Wenn die Politik damit bis zur nächsten Legislaturperiode warte, bleibe kaum Zeit für eine faire und rechtzeitige Umsetzung. „Die derzeitige Verzögerungstaktik lässt das Zeitfenster für eine sozialverträgliche Anpassung zunehmend kleiner werden.“

Konkret heißt das nach Vorstellungen der Ökonomen für das zukünftige Renteneintrittsalter: „Ausgehend von den mittleren Annahmen des Statistischen Bundesamtes würde das bedeuten: Ab 2031 – wenn die schrittweise Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters auf 67 Jahre abgeschlossen ist – müsste das Rentenalter etwa alle zehn Jahre um ein halbes Jahr steigen“, schreiben sie. Die Grenze von 69 Jahren wäre demnach „erst Anfang der 2070er Jahre“ erreicht.

Weitere Forderungen: Abschaffung der Rente ab 63 und Verzicht auf Ausweitung der Mütterrente

Zudem fordern die Wirtschaftsexperten weitere „gezielte Anpassungen“, um die Zuschüsse zur Rente einzudämmen. So soll die Merz-Regierung auf die schon geplante Ausweitung der Mütterrente verzichten, denn dies würde die Rentenversicherung „strukturell entlasten“. Zudem schlagen sie die Abschaffung der Rente ab 63 vor. Stattdessen sollten Frühverrentungen „künftig über klar definierte Härtefallregelungen ermöglicht werden, die gezielter auf tatsächliche Bedarfe eingehen“.

Weitere Reformschritte seien eine künftige Anpassung der Bestandsrenten an die Preisentwicklung statt an die Löhne. „Die Anpassung an die Inflation würde weiterhin sicherstellen, dass die Kaufkraft der Renten erhalten bleibt, aber die Belastungen der Rentenkassen würden gedämpft“, erklären die Ökonomen dazu. Außerdem schlagen sie private Altersvorsorgekonten für alle Erwerbstätigen vor, „in die verpflichtend eingezahlt wird – ergänzt durch staatlich zertifizierte, breit gestreute und kostengünstige Benchmark-Fonds“.

Rente: Reiche nennt Reformbedarf „umfassend und dringlich“

Reiche nannte mit Blick auf das Papier den Reformbedarf bei der Rente „umfassend und dringlich“. Dabei dürften Reformen „nicht ausschließlich zulasten der jungen Generation und unserer Wettbewerbsfähigkeit“ gehen. „Wenn heute rechnerisch 2,5 Personen im erwerbsfähigen Alter auf eine Person im Rentenalter kommen, werden es schon 2035 nur noch zwei sein“, warnte Reiche. „1960 kamen über fünf Personen im erwerbsfähigen Alter auf eine Person im Rentenalter, im Jahr 1995 waren es noch vier Personen.“

Vor diesem Hintergrund müsse „mittel- und langfristig“ auch „die Frage des Renteneintrittsalters“ beantwortet werden. Die Ministerin hatte sich zuletzt mehrfach für eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit ausgesprochen und damit für Diskussionen gesorgt.

Umsetzung von Reiches Renten-Forderungen fraglich – SPD stellt sich quer

Ob ihre Forderungen – auch wenn sie diese nun von Wissenschaftlern in einem Papier untermauert hat – umgesetzt werden, ist allerdings mehr als fraglich. Die SPD lehnt eine solche Anhebung des Renteneintrittsalters kategorisch ab. Bisher wurden von der schwarz-roten Koalition eher teure Wahlgeschenke wie das Festhalten an der Haltelinie von 48 Prozent und die Ausweitung der Mütterrente beschlossen, die das Rentensystem weiter finanziell belasten. Große Reformen des Rentensystems, wie in dem Positionspapier angesprochen, sind bisher nicht geplant – eine Kommission soll stattdessen bis 2027 Vorschläge machen. (lma mit dpa/AFP/Reuters)

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