Steinmeier mahnt israelischen Kollegen: Blockade für Hilfsgüter muss sofort enden
Deutschland und Israel feiern 60 Jahre diplomatische Beziehungen. Doch der Gaza-Krieg trübt die Stimmung. Der Bundespräsident findet harte Worte.
Berlin – Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Israel aufgefordert, umgehend die Lieferung von Hilfsgütern an die Bevölkerung im Gaza㈠streifen zu ermöglichen. „Die Blockade für Hilfsgüter muss aufgehoben werden, humanitäre Hilfsgüter, medizinische Hilfsgüter – nicht irgendwann, sondern jetzt“, sagte Steinmeier bei einer Pressekonferenz am Montag (12. Mai) mit Israels Präsident Izchak Herzog in Berlin.
Herzog war in die Hauptstadt gekommen, um mit Steinmeier die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vor genau 60 Jahren zu feiern. „Für uns Deutsche war das ein Geschenk, das wir nach den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs und des Zivilisationsbruchs der Schoah nicht erwarten durften“, sagte der Bundespräsident.
Israels Präsident zum Ende des Gaza-Konflikts: „Schlüssel zu allem“ sei die Rückführung der Hamas-Geiseln
Herzog betonte, „Schlüssel zu allem“ im Gaza-Konflikt sei die Rückführung der übrigen Hamas-Geiseln. Wenn diese erfolge, werde sich die Situation in Gaza dramatisch ändern. Es sei Israels moralische, ja heilige Pflicht, die Geiselfrage zu lösen. Steinmeier sagte, Israel führe in Gaza einen Krieg gegen terroristische Bedrohung. Er erkenne das Dilemma, das die Hamas für die israelische Armee verursache, „indem sie sich feige hinter Zivilisten versteckt und dabei weiter Raketen auf Israel abfeuert“.

Er sehe auch das Dilemma, das die Terrororganisation schaffe, indem sie sich an Hilfsgütern bereichere. „Aber ich befürchte auch, dass das Leid, das die Menschen in Gaza erleben, die Gräben immer tiefer macht.“ Es müsse alles dafür getan werden, um eine noch größere Katastrophe in Gaza zu verhindern. Auch er forderte die Freilassung aller Geiseln.
Steinmeier appellierte an Israel und seine regionalen Nachbarn, jetzt die Möglichkeit für eine friedliche Lösung des Konflikts auszuloten. Er habe bei seinen Reisen in die Region eine bislang nicht gesehene Offenheit arabischer Staaten dafür erlebt. „Deshalb gibt es ein Fenster der Möglichkeit, bei dem man testen muss, ob seriös gespielt wird auf allen Seiten.“
60 Jahre diplomatische Beziehungen: Deutschland und Israel feiern Annäherung nach 2. Weltkrieg
Bundeskanzler Ludwig Erhard und Israels Ministerpräsident Levi Eschkol hatten am 12. Mai 1965 diplomatische Beziehungen vereinbart. Vorausgegangen war eine schrittweise Annäherung beider Staaten, deren Verhältnis durch die Ermordung von rund sechs Millionen Juden durch Hitler-Deutschland extrem belastet gewesen war. Israel nennt Deutschland heute seinen zweitwichtigsten strategischen Partner in der Welt gleich nach den USA.
Das Fundament der Beziehungen zu Israel sei tief und tragfähig, betonte Steinmeier. Vielleicht könne die „ganz und gar unglaubliche deutsch-israelische Versöhnungsgeschichte“ selbst ein Hoffnungsschimmer für den Nahen Osten sein. „Frieden ist möglich, Versöhnung ist möglich.“
Hamas lässt US-israelische Geisel frei
Die islamistische Hamas hat im Gazastreifen eine US-israelische Geisel an Vertreter des Roten Kreuzes übergeben. Das meldeten mehrere israelische Medien übereinstimmend. Der 21-jährige Edan Alexander kam aufgrund einer Vereinbarung der Palästinenserorganisation mit den USA, ohne israelische Beteiligung, frei. Das wurde auch als Zeichen der Hamas an US-Präsident Donald Trump gedeutet, der heute zu einer Nahost-Reise aufbricht. Berichten zufolge könnte Alexander Trump in Katar treffen, sofern sein Gesundheitszustand das zulässt. Laut Berichten von Montagabend geht es ihm einigermaßen gut. Unterdessen kündigte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu für heute die Entsendung eines Verhandlungsteams nach Katar für Gespräche über die Freilassung weiterer israelischer Geiseln an.
Herzog nannte Steinmeiers Worte und Taten „ein Beispiel und Vorbild für moralische Klarheit, für das mutige Bündnis zwischen unseren Ländern und Völkern“. Er erinnerte daran, dass Steinmeier kurze Zeit nach dem Überfall der islamistischen Hamas nach Israel gereist sei und seine Solidarität zum Ausdruck gebracht habe. „So verhält sich ein wahrer Freund“, sagte Herzog. „Wir sind stolz auf das Bündnis mit Deutschland und wir schätzen die tiefe Freundschaft und den deutschen Beitrag zu Israels Sicherheit und Wohlstand sehr.“
Beide Präsidenten setzen das Jubiläum heute und morgen in Israel fort. Steinmeier wird dort unter anderem mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und mit Abgeordneten der Knesset sprechen.