Fensterln, beten und viel Bier: Was ein Pfarrer vor 150 Jahren über die Hallertauer aufschrieb

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Schaufenster in die Vergangenheit: Die Kolpingfamilie in Au hat eine Kollage an historischen Bildern gefertigt. © Lorenz

Wie die Hallertauer im 19. Jahrhundert getickt haben, hat Pfarrer Prechtl vor rund 150 Jahren beschrieben. Glaubt man ihm, muss es sich um überaus lasterhafte Gesellen gehandelt haben.

Au/Hallertau - Über die Hallertau wurde vor rund 150 Jahren des Öfteren berichtet, denn es kamen damals immer häufiger Archivare, Gelehrte, Geistliche oder Schriftsteller in die Hopfengegend, um diese zu erkunden. Einer, der sich mit den Hallertauern bestens auskannte, schon von Berufes wegen, war der Reichertshausener Pfarrer Johann Baptist Prechtl, der zudem auch noch den Historischen Verein in Freising gegründet hat. Zusammen mit einem Kaplan des Militärkrankenhauses zu München hat Prechtl 1862 im Archiv des Auer Schlosses gestöbert und so mancherlei Urkunden zu Tage gefördert. Während diese Datenlage vor allem für Historiker interessant ist, bietet insbesondere die Einleitung des Buches „Urkunden aus dem Schloss-Archive zu Au in der Hallertau“ einen eindrucksvollen Blick auf diese Zeit.

„Die Hallertauer waren seit jeher wackere Biertrinker“, lautete das Urteil von Prechtl, der freilich somit auch auf den Hopfenanbau eingeht. Die ersten Hopfengärten, so ergaben es seine Nachforschungen, seien wirklich noch Gärten gewesen, immer nahe am Haus, um die Pflanzen vor Wildtieren zu schützen. Auch wo der erste Hopfen überhaupt wuchs, hatte Prechtl recherchiert, nämlich in Gründl nahe Nandlstadt.

In Au soll sich ein „herrlicher Weinberg“ befunden haben

Ansonsten sei die Region für eines vor allem bekannt: „In der ganzen Hallertau ist kein Stein in der Größe eines Hühnereis zu finden.“ Das Resultat dieses Problems: Die Wegen und Straßen seien oft sumpfig und fast nicht zu betreten gewesen. Das Erstaunliche: Anno dazumal, rund um 1600, wurde in der Hallertau noch fleißig Wein angebaut – in Au selbst habe sich ein „herrlicher Weinberg“ befunden. Der Umschwung von Wein auf Hopfen war scheinbar kein einfacher gewesen. Um das Jahr 1690 startete Au den ersten größeren Hopfengarten-Versuch, allerdings wollte dieser aus unerfindlichen Gründen nicht gedeihen. Erst 1748 gelang hier der große Durchbruch.

Der Reichertshausener Pfarrer widmete sich aber nicht nur dem Hopfen in seiner Einleitung, sondern natürlich auch den Menschen – und mit denen hat er wohl manchmal seine liebe Not. „Mit dem sechsten Gebot, Du sollst nicht ehebrechen, nimmt man es in der Hallertau ganz leicht“, mahnte Prechtl Das Kammerfenstergehen gehöre fast zum guten Ton, Schlägereien wegen Eifersucht seien deshalb an der Tagesordnung. Was dem Geistlichen auch eher sauer aufstieß: „Das entsetzliche Fluchen und Schelten, das man schon von sechsjährigen Kindern hören kann.“

Hilfesuchende Hallertauer überrannten förmlich einen angereisten Scharlatan

Auf der anderen Seite: „Predigten, Beichten und Wallfahrten sind das geistige Lebenselement des Hallertauers“, stellte Pfarrer Prechtl fest. Und weiter: „Wer im Jahr nicht wenigstens zweimal wallfahrten geht, der ist kein echter Hallertauer.“ Die Hallertauer waren so scheinbar relativ ambivalent unterwegs, zwischen Beten und Fensterln – und auch der Aberglaube gedieh rund um Au besser als anfänglich der Hopfen. Laut Prechtls Beobachtungen gäbe es „gewisse Personen“, die Menschen und Vieh „überbeten“. Ein angereister Scharlatan aus München sei sogar förmlich überrannt worden von hilfesuchenden Hallertauern.

Fundamental wichtig für die Hallertauer waren aber auch ihre Jahr-, Monats- und Wochenmärkte in Wolnzach, Mainburg, Au, Nandlstadt, Freising, Moosburg und Pfaffenhofen. Auf keinen Fall versäumen durfte man dabei den Albiganer-Markt in St. Alban bei Hörgertshausen, wo laut Prechtl „die Elite der Hallertau in ihrem Tun und Treiben gesehen und beobachtet werden kann“.

St. Alban half aber scheinbar auch dem Hirn der Hallertauer auf die Sprünge, denn laut des Geistlichen behauptete eine damalige Weisheit: „Wer gescheid werden will, der muss neunmal die Albiganer Kirchweih besuchen.“ Ob das wirklich hilfreich war, kann allerdings durchaus angezweifelt werden, wie aus einem Bericht des Freisinger Tagblatts über St. Alban aus dem Jahr 1868 hervorgeht: „Die Würze der Märkte bestand häufig mehr im Raufen als im Kaufen.“

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