BND-Agent mit schockierenden Rekord: Neues Buch über Heinz Felfe

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. München Landkreis
  4. Pullach

KommentareDrucken

Zehn Jahre war er Chefhistoriker beim BND. Jetzt schreibt Bodo Hechelhammer Bücher über Spionage-Affären. © F:M: Günther

Für sieben verschiedene Geheimdienste hat Heinz Felfe auf deutschem Boden spioniert. Jetzt rückt er in Pullach erneut ins Rampenlicht. Dank Bodo Hechelhammers neuem Buch.

Pullach – Seit Jahren befasst sich Bodo Hechelhammer, langjähriger Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienst und von 2010 bis 2021 dort Chefhistoriker, mit einem seiner ehemaligen Kollegen – dem Mehrfachagenten Heinz Felfe. Zwei Bücher hat Hechelhammer dem Mann gewidmet, der als überzeugter Nationalsozialist im Dritten Reich tätig gewesen war, dann als Antikommunist in der Bundesrepublik ebenso sein Geld verdient hat wie als Kundschafter des Friedens in der Deutschen Demokratischen Republik.
Wobei er, das ist eben das Erstaunliche, „sein Loyalitätsempfinden nicht als Widerspruch begriff“, wie es Hechelhammer ausdrückt. Hechelhammers Erkenntnis: „Er arbeitete vor allem immer für sich selbst.“ Nächsten Dienstag, 23. April, stellt Hechelhammer sein Buch „Spion ohne Grenzen – Agent in sieben Geheimdiensten“ im Pullacher Bürgerhaus vor. Die Veranstaltung des örtlichen Geschichtsforums beginnt um 19 Uhr. Ein Grund, vorab mit dem Autor zu sprechen.

Die Biographie über Felfe ist schon das zweite Buch, das Sie über den Mehrfach-Spion geschrieben haben. Kann es sein, dass der Mann Sie nicht loslässt?

Ich habe mich zumindest über viele Jahre mit der Geschichte von Heinz Helfe intensiv auseinandergesetzt, nicht nur wissenschaftlich als Historiker. Er war ja auch ein früherer Kollege, wenn man es genau betrachtet. Er war ein Verräter, der Landes- und Geheimnisverrat begangen und für Moskau spioniert hat. Die Frage, warum jemand Verrat begeht, was ihn antreibt und motiviert, ist elementar. Das beschäftigt einen schon ein wenig.

Ihr erstes Buch zu ihm war mehr ein Bildband, der die Wahnsinns-Reise beleuchtete, die Felfe, damals schon für die CIA wie für Moskau tätig, in den Nachkriegsjahren nach Amerika unternommen hat. Im aktuellen Buch schreiben Sie, dass er noch weitere Arbeitgeber hatte.

Ja, er war für insgesamt sieben Nachrichten- und Geheimdienste auf deutschem Boden tätig: ob für die Nazis, den britischen MI 6, die amerikanische CIA, den Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst, oder für das sowjetische KGB oder die Stasi. Das ist Weltrekord.

Wie ist der Kontakt zum KGB zustande gekommen?

Der Kontakt wurde über die Ehefrau seines alten Dresdner Freundes Hans Clemens hergestellt, mit dem er nicht nur zusammen im Reichssicherheitshauptamt gearbeitet hatte, sondern auch bei der Organisation Gehlen und schließlich zusammen für Moskau spionierte. Heinz Felfe wollte das anfangs nicht unbedingt, er hätte lieber das Wissen über die Anwerbungsversuche Moskaus genutzt, um selbst wieder in einer deutschen Bundesbehörde als Kriminalpolizist arbeiten zu können, etwa im BKA. Da wurde er aber nicht genommen.

Er hatte dann später überhaupt keine Skrupel, auch Kollegen zu verraten.

Er verriet sowieso alle Personen, die er kannte, außerdem zahlreiche Gegenspionage-operationen. Nicht wenige der Personen, die er dem KGB ans Messer geliefert hat, sind spurlos verschwunden.

Was glauben Sie, hat ihn angetrieben?

Heinz Felfe bekam natürlich Geld, und das brauchte er auch. Aber es war eben auch der Mangel an beruflichen Alternativen, ein gekränktes Ego, welches Moskau gekonnt zu umschmeicheln wusste und der irrige Glauben, eine Tätigkeit für das KGB für sich nutzen zu können.

(Übrigens: Alles aus der Region gibt‘s jetzt auch in unserem regelmäßigen Landkreis-München-Newsletter.)

Wie kam es dann, dass einer wie Felfe doch entdeckt worden ist?

Verrat wird nicht selten durch Gegenverrat entdeckt. Es war der KGB-Überläufer Michael Goleniewski. Er gab der CIA 1959 den entscheidenden Hinweis: in einer BND-Delegation, welche auf Einladung der CIA im Herbst 1956 für einige Wochen die USA bereist hat, sollen sich KGB-Spione befunden haben. Das ist ja Thema meines Reisebuches über Felfe, der zu dieser Reisegruppe gehörte. Die CIA begann intern gegen ihn zu ermitteln, ohne den BND zunächst darüber zu unterrichten. Erst Anfang 1961 informierte der amerikanische Geheimdienst den BND-Präsidenten über den Verratsfall in seinen eigenen Reihen. Neben Felfe geriet auch Clemens in Verdacht. Beide wurden überwacht und als KGB-Spione schließlich identifiziert und im November 1961 verhaftet.

Wenn Sie seine Haltung beschreiben müssten – was würden Sie sagen? Hatte er überhaupt eine?

Heinz Felfe war das Musterbeispiel eines Opportunisten ohne funktionierenden politischen und moralischen Kompass, dessen Nadel allein auf sich ausgerichtet war. Nur so konnte er mit der Schnelligkeit eines Chamäleons sich den Zeitläuften anpassen und die nachrichtendienstlichen Erwartungen seiner jeweiligen Umgebung erfüllen.

Haben Sie die verfügbaren Quellen zu ihm nun alle ausgeschöpft – oder steht noch was aus?

Ich denke, ich habe so ziemlich alle wichtigen und zugänglichen Quellen ausgeschöpft. Die russischen Geheimdienstarchive waren damals leider nicht zugänglich und werden es wohl auch in naher und ferne Zukunft auch nicht sein. Was uns daran erinnern sollte, dass Heinz Felfe zwar ein historischer Spionagefall war, die russische Spionage aber ein aktuelles Thema und akut ist.

Auch interessant

Kommentare