Klingbeil präsentiert Steuerschätzung – jetzt drohen harte Verhandlungen um den Etat
Schwere Bürde für den neuen Finanzminister: Klingbeils Steuerschätzung offenbart tiefe Etat-Lücken. Jetzt muss hart verhandelt werden.
Berlin – Neun Tage im Amt – und schon mitten im Feuer: Lars Klingbeil (SPD), frisch ernannter Bundesfinanzminister und Vizekanzler, wird am Donnerstag die mit Spannung erwartete Steuerschätzung vorlegen. Was sie offenbart, könnte einen massiven Dämpfer für die Koalition aus CDU/CSU und SPD bedeuteten: Der Staat dürfte in den kommenden Jahren deutlich weniger Steuereinnahmen haben als bislang angenommen. Das Haushaltsloch ist gewaltig – und der Spardruck ebenso.
Klingbeil präsentiert Steuerschätzung für den Bundeshaushalt
Die neue Prognose, die von einem Gremium aus Expertinnen und Experten seit Dienstag erarbeitet wurde, bildet die finanzielle Grundlage für die kommenden Haushaltsverhandlungen. Die Steuerschätzung ist eine der wichtigsten Termine im finanzpolitischen Kalender. Sie entscheidet maßgeblich darüber, ob die Ampel für neue Projekte auf Grün oder auf Rot steht.
Doch was Klingbeil nun vorlegen wird, lässt wohl wenig Spielraum für politische Wunschlisten: Nach Informationen des Handelsblatts muss der Gesamtstaat bis 2029 einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag weniger einnehmen als noch im Herbst prognostiziert. Für das Haushaltsjahr 2026 allein rechnen Regierungskreise mit einer Finanzierungslücke von über 20 Milliarden Euro, für den Zeitraum bis 2029 summiert sich das Defizit auf 110 Milliarden Euro. Und das, obwohl gerade erst zusätzliche Mittel für Verteidigung und Infrastruktur bewilligt wurden.
Haushalt unter Merz: Klingbeil muss zwischen Wunschdenken und Wirklichkeit navigieren
Klingbeil trifft diese Realität besonders hart – er tritt sein Amt ohne Einarbeitungszeit an. „Mit Minute eins loslegen“, hatte der 47-Jährige laut dpa angekündigt. Tatsächlich wartet ein ganzes Bündel an Aufgaben: Beratungen in Brüssel, ein G7-Treffen, zwei Haushalte und die Umsetzung milliardenschwerer Investitionen. Vor allem die Haushaltsaufstellung für 2025 ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Seit Januar befindet sich die Bundesregierung wegen des Koalitionsbruchs in einer vorläufigen Haushaltsführung.
Am 25. Juni will Klingbeil seinen Entwurf durchs Kabinett bringen, noch vor der Sommerpause soll der Bundestag beraten. Doch bekanntlich werden andere Minister sich gerade zu Beginn der Legislaturperiode mit Vorschlägen und Maßnahmenkatalogen profilieren wollen. Wunschlisten treffen auf knappe Kassen – Klingbeil wird nach der Steuerschätzung viel Nein sagen müssen.

Klingbeils Steuerschätzung: Teure Reformen der Regierung von Union und SPD stehen auf der Kippe
Die wirtschaftspolitischen Ambitionen der Koalition würden mit solchen Aussichten freilich ins Wanken geraten. „Mein Anspruch ist es, dass wir Deutschland wieder auf Wachstumskurs bringen“, sagte Klingbeil jüngst. Gesetzentwürfe zur Senkung der Energiepreise und zur Förderung von Unternehmensinvestitionen sollen bereits vor der Sommerpause kommen. Doch teurere Maßnahmen wie eine Unternehmenssteuerreform oder eine Entlastung für arbeitende Rentner stehen auf der Kippe, wenn der Finanzrahmen fehlt.
Selbst das milliardenschwere Infrastruktur-Sondervermögen ist kein Allheilmittel. Die 500 Milliarden Euro dürfen nur für zusätzliche Investitionen verwendet werden – eine Bedingung, die die Grünen durchgesetzt hatten. Hinzu kommt, dass Deutschland mit dem Programm möglicherweise gegen EU-Vorgaben verstößt. Klingbeil muss auf Entgegenkommen aus Brüssel hoffen.
Lars Klingbeil ist zweitbeliebtester Politiker in Deutschland – und muss nun liefern
Klingbeils neuer Posten ist mehr als ein Ministerium – es ist strategische Schaltzentrale und Sprungbrett zugleich. Wie die dpa schreibt, richtet der SPD-Chef sein Umfeld schon jetzt auf die „Mission 2029“ aus. Nach dem Debakel der SPD bei der Bundestagswahl im Februar sei das Finanzministerium „nicht nur das Haus des Geldes, sondern Vizekanzleramt“.
Tatsächlich genießt Klingbeil außerhalb der SPD hohes Ansehen. Laut Insa-Ranking für die Bild-Zeitung ist er bereits der zweitbeliebteste Politiker im Land – nur Verteidigungsminister Boris Pistorius liegt vor ihm. Doch um diesen politischen Kredit zu sichern, muss er nun liefern – trotz knapper Kassen. Die Steuerschätzung dürfte jedenfalls ein Weckruf sein: Der finanzpolitische Spielraum der schwarz-roten Koalition ist offenbar kleiner als gehofft. Klingbeil muss kürzen, priorisieren, verhandeln. Der neue Finanzminister steht vor seiner ersten großen Bewährungsprobe – und die lautet nicht, Wünsche zu erfüllen, sondern Etat-Löcher zu stopfen. (dpa/chnnn)