„Versagen der Regierungsarbeit“: Rentnerin ringt Putin überraschende Entschuldigung ab

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Hohe Preise sorgen in Russland für Unmut. Wladimir Putin reagierte jetzt mit einer Entschuldigung bei einer Rentnerin.

Moskau – Wladimir Putin will in Russland weiter regieren. Gerade hat der Kreml-Herrscher seine erneute Kandidatur für die Wahl im März 2024 bekannt gegeben. In seiner jährlichen Pressekonferenz lobte Putin einmal mehr auch die vermeintliche wirtschaftliche Stärke Russlands. Umso überraschender war es, als eine Rentnerin Russlands Präsidenten bei dem öffentlichen Auftritt eine Entschuldigung abringen konnte.

Traditionell stellt sich Wladimir Putin zum Ende des Jahres in einer Frage-und-Antwort-Runde der russischen Öffentlichkeit. Dabei darf jedoch bezweifelt werden, dass die Fragen an den Präsidenten ohne vorherige Auswahl gestellt werden.

Putin sieht „Versagen“: überraschendes Geständnis zu Russlands Wirtschaft nach Rentner-Kritik

So wurde in der Sendung eine Rentnerin gezeigt, die sich via Videoübertragung von ihrem Küchentisch aus an Putin wandte – mit Kritik. So beschwerte sich die Frau, dass die Preise für Eier, Hähnchenbrust und Hähnchenflügel in Russlands Supermärkten enorm in die Höhe geschossen seien. „Wladimir Wladimirowitsch, haben Sie Mitleid mit den Rentnern“, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters die Dame. Weiter sagte sie: „Wir bekommen keine Millionen in unsere Renten. Bringen Sie das in Ordnung – wir haben niemanden, an den wir uns wenden können“.

Damit wurde in der öffentlichen Putin-Runde ein Thema aufgegriffen, das in Russland schon seit längerem für Unmut sorgt. Besonders die Eierpreise stehen hier im Fokus des Zorns der russischen Öffentlichkeit. Sie sind laut der russischen Statistikbehörde Rosstat innerhalb von einem Jahr um mehr als 40 Prozent gestiegen. Dies führte zuletzt dazu, dass sich bei Landwirtschaftsmessen lange Schlangen bildeten, da Eier hier billiger zu bekommen waren. Die Eierpreise werden aktuell besonders zum Politikum, da in Russland zu den Festtagen traditionell der Olivier-Salat gekocht wird, der ohne Eier nicht auskommt. Die langen Schlangen sorgten in Russland für großes Aufsehen in den Medien, auch da sie an schlimme Sowjetzeiten erinnerten, in denen die Menschen für Grundnahrungsmittel anstehen mussten.

Wladimir Putin bei seiner jährlichen Frage-und-Antwort-Runde. Dabei rang eine Rentnerin Russlands Präsidenten eine Entschuldigung ab.
Wladimir Putin bei seiner jährlichen Frage-und-Antwort-Runde. Dabei rang eine Rentnerin Russlands Präsidenten eine Entschuldigung ab. © IMAGO/Stanislav Krasilnikov/SNA

Putin entschuldigt sich für Preise und gibt Versprechen an Rentnerin ab

Diese Besorgnis in der Bevölkerung kann Putin gerade angesichts seiner Kandidatur nicht gefallen. Dennoch überrascht seine Reaktion auf die Bitte der Rentnerin: „Ich entschuldige mich dafür, aber das ist ein Versagen der Regierungsarbeit“, erwiderte Putin und ließ sogar ein Versprechen folgen: „Ich verspreche, dass die Situation in naher Zukunft korrigiert wird“, sagte er.

Angesichts des überschwänglichen Lobes für Russlands Wirtschaft noch in derselben Sendung, kommt dieses Eingeständnis durchaus überraschend. Aber offenbar lassen sich die hohen Preise für Lebensmittel auch in Russland nicht wegreden. Insofern dürfte Putin die Lage genutzt haben, um sich einmal mehr als Retter und Kümmerer darstellen zu können.

Allerdings lobte Putin auch am Donnerstag Russlands Wirtschaft über alle Maßen. So habe diese trotz der Sanktionen des Westens infolge des Ukraine-Kriegs zugelegt. Das Bruttoinlandsprodukt werde etwa um 3,5 Prozent steigen, verkündete Putin etwa. Nach Angaben Putins sind auch die Reallöhne – trotz der Inflation um acht Prozent von fast acht Prozent – gestiegen. Die russische Volkswirtschaft habe eine unerwartet hohe Widerstandskraft bewiesen, die es dem Land erlaube, trotz des westlichen Drucks auf Wachstumskurs zu bleiben, erklärte der 71-Jährige. Putin erwähnte nicht, dass das Wachstum besonders auf die Kriegswirtschaft und Rüstungsproduktion zurückgeht. Experten betonten immer wieder, dass es sich nicht um natürliches oder gesundes Wachstum handele.

Putin lobt Russlands Wirtschaft: Experten sehen es anders

Die statistischen Daten in Russland sind aufgrund häufig wechselnder Berechnungsmethoden nur schwer überprüfbar. In die Berechnung der angeblich gestiegenen Einkommen etwa fließen auch die hohen Soldzahlungen für die an Russlands Angriffskrieg beteiligten Militärs in der Ukraine ein. Die Zahlungen liegen um ein Vielfaches über dem durchschnittlichen Einkommen.

Entgegen Putins Lobeshymnen weisen die Indikatoren aber auf eine große Unausgewogenheit innerhalb der russischen Wirtschaft hin. Branchen wie Produktion, Bau- und Landwirtschaft leiden unter Arbeitskräftemangel - eine Auswirkung der Mobilisierung hunderttausender Reservisten für den Kampf in der Ukraine. Zudem sind viele Fachkräfte ins Ausland gegangen, um eine Einberufung in die Armee zu vermeiden. Durch diesen Mangel sind die Unternehmen gezwungen, im Werben um Arbeitskräfte höhere Löhne anzubieten.

Russland ächzt unter Preisanstieg: Putin reagiert offenbar direkt

Dennoch war schon einen Tag nach der Putin-Ansprache eine Reaktion zu beobachten: Die russische Zentralbank hat im Kampf gegen die Inflation den Leitzins um einen Prozentpunkt auf 16 Prozent erhöht. „Der aktuelle Inflationsdruck bleibt hoch“, erklärte die Zentralbank am Freitag. Es werde erwartet, dass „die jährliche Inflation im Jahr 2023 nahe der oberen Grenze des Prognosebereichs von 7,0 bis 7,5 Prozent liegen wird“. Es ist die fünfte Zinserhöhung in Russland seit dem Sommer. Die Bank kündigte an, die „strengen monetären Bedingungen“ für „eine lange Zeit“ beibehalten zu wollen, um den Preisanstieg bei etwa vier Prozent zu „stabilisieren“.

Allerdings hat die russische Regierung auch angekündigt, die Wehrausgaben 2024 um 70 Prozent zu steigern. Das könnte zu einem weiteren Preisanstieg beitragen. (rist/dpa/afp)

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