Er war Mitbegründer der Heavy-Metal-Band Black Sabbath und die schillerndste Figur im Musikzirkus. Nun ist Ozzy Osbourne, der an Parkinson erkrankt war, im Alter von 76 Jahren gestorben. Unser Nachruf.
„Mama, I’m coming home.“ Da sitzt dieser sichtlich geschwächte Mann, der so viel erlebt, so viel gesehen, so viel erreicht hat, auf seinem Thron. Die Augen dick mit Kajal umrandet. Festgeschnallt ist er, denn die Parkinson-Erkrankung hat längst Herrschaft über seine Gliedmaßen übernommen. Und doch sieht man, wie Ozzy Osbourne versucht, sich zu erheben, um diesen letzten Auftritt stehend zu absolvieren. Allein, sein Körper gestattet es nicht. Beim Zuschauen zerreißt es einem das Herz. Und die Kamera fängt an diesem 5. Juli viele, viele Menschen im Publikum ein, die mit den Tränen zu kämpfen haben. Junge, Alte, Frauen, Männer.
Am 5. Juli spielten Black Sabbath ihr Abschiedskonzert in Birmingham
Natürlich ist ihnen allen, die sie ins britische Birmingham gekommen sind, klar, dass dieses Konzert ein Abschied ist. Black Sabbath haben zum letzten Gig geladen – ins Villa-Park-Stadion in Aston, unweit jenes Orts, an dem sich die Band 1968 gegründet hat. Ein letztes Mal spielen sie in Originalbesetzung, vier Songs: Sänger Osbourne, Gitarrist Tony Iommi, Bassist Geezer Butler und Bill Ward am Schlagwerk. Zuvor verabschiedet sich ihr Frontmann mit fünf seiner Solo-Hits von den Menschen, darunter „Mama, I’m coming home“. Wer da nicht mitheult, muss tot sein.
Dass der Abschied nur 17 Tage später für immer ist, macht die Sache nun noch emotionaler: Wie berichtet, ist Ozzy Osbourne am Dienstag im Kreis seiner Familie und „umgeben von Liebe“ gestorben. Er wurde 76 Jahre alt. Damit endet eine Karriere, deren Bedeutung für die Rockmusik kaum zu überschätzen ist.
Es war klar, wie es um den Sänger steht. Die „The End“-Tour mit Sabbath bringt Osbourne 2017 noch zu Ende (2014 spielen sie am Königsplatz) – seine Konzertreise zum Abschied als Solokünstler muss er abbrechen. Parkinson, 2019 diagnostiziert, und die vielen Jahre mit Alkohol und anderen Drogen fordern ihren Tribut. Der Ruf als „Madman“ ist brutal erarbeitet, die Anekdoten über seine Aussetzer sind mannigfach: die Fledermaus, der er auf der Bühne den Kopf abgebissen hat, weil er dachte, sie sei ein Spielzeug (danach ging’s zur Tetanus-Impfung), das Schnupfen der Ameisenstraße etc. pp. Dennoch reagiert die (Musik-)Welt mit tiefer Trauer auf das Ende der Legende.
All das freilich wird John Michael Osbourne 1948 nicht in die Wiege gelegt. Diese steht in einem kleinen Reihenhaus in Birmingham. Zwei Zimmer, sechs Kinder (John Michael ist das vierte), der Vater malocht im Stahlwerk, die Mutter schuftet in einer Autofabrik. Mit 15 schmeißt Osbourne die Schule, schlägt sich als Hilfsarbeiter durch: als Ungelernter beim Schlachter, beim Klempner, beim Bestatter, Hauptsache Cash. Der Druck, unter dem die sogenannten kleinen Leute ihr Leben meistern müssen, prägt vor allem seine frühen Lieder. Wen wundert’s? Als er nach einem Diebstahl im Knast landet, tätowiert er sich seinen Spitznamen Ozzy, den sie ihm in der King-Edward-VI-Gesamtschule verpasst haben, mit Nadel und etwas Graphit selbst. Ein Buchstabe pro Finger. Sein Markenzeichen.
Die Wende kommt, als er über ein Inserat Tony Iommi, Geezer Butler und Bill Ward trifft, die zufällig einen Sänger suchen. Im August 1968 gründen sie die Bluesband Polka Tulk, ein Jahr später nennen sie sich Black Sabbath und erfinden den Heavy Metal mit. Wie es dazu gekommen ist? Sie proben über einem Kino, das voll ist, wenn Gruselfilme der Hammer-Studios mit Christopher Lee laufen. Iommi schlägt irgendwann vor, doch Musik zu machen, die zum Fürchten ist. Es funktioniert. Und wie. „Mehr als jede andere Rockband haben Black Sabbath mit der heuchlerischen, selbstgerechten Hippie-Mentalität abgerechnet, die dabei war, den Planeten zu verseuchen“, schreibt Chuck Klosterman in „Fargo Rock City“.
Butler und Ward schichten dazu ein massives Fundament auf, Iommi, dessen Gitarrenspiel Aggressivität und Schönheit vereint, baut darüber Riffs und Soli, die in die Musikgeschichte eingehen. Und Ozzy singt mit seiner nasalen, nörgelnden, meckernden, melancholischen Stimme Melodiebögen, die bis dato in der Rockmusik nicht zu hören waren. Eine Stimme wie ein Werkzeug, und er weiß, damit zu arbeiten. Einmal gehört, vergisst man seinen Sound nicht. Die Musik ist düster, heavy im Wortsinn und mit zynischen Texten. 1970 erscheint das Debüt „Black Sabbath“ und wird ein kommerzieller Erfolg – 2013 kommt mit „13“ die letzte Studioproduktion heraus, „Höchstleistung von Totgesagten“, urteilt unser Kritiker.
„Patient Number 9“ ist das letzte Solo-Album von Ozzy Osbourne
Stimmt, totgesagt wird Ozzy Osbourne oft. 1979 fliegt er bei Sabbath raus, zu viele Drogen. Seine Rettung heißt Sharon Rachel Levy, Tochter des ehemaligen Managers der Band und Plattenboss. Sie kann anpacken, hat Geschäftssinn und viel, viel Geduld mit dem Mann, den sie 1982 heiratet. Sie baut ihn als Solokünstler auf, als er im Sumpf aus Drogen und Depressionen verloren zu gehen droht. Mit Randy Rhoads hat er einen genialen Gitarristen an seiner Seite; „Blizzard of Ozz“ (1980) und „Diary of a Madman“ (1981) werden zu Klassikern des Genres. Dann stirbt Rhoads bei einem Flugzeugabsturz; Osbourne kommt kaum darüber hinweg. Sein letztes Solo-Album legt er 2022 vor: „Patient Number 9“ wird mit einem Grammy geadelt.
Zusammen mit MTV erfinden Sharon und Ozzy Osbourne 2002 quasi das Reality-Fernsehen. „The Osbournes“ heißt die Doku-Soap, für die sie sich mit ihren Kindern Kelly und Jack bei ihrem Familienalltag filmen lassen. Ein cleverer Schachzug, denn so wird Ozzy bei einer Generation bekannt, die noch nicht mal geplant war, als Sabbath das erste Riff durch die Verstärker jagten.
In einer der schönsten Szenen der Serie sieht man, wie Sharon ihrem Mann die Bühneneffekte für die nächste Tour präsentiert. Plötzlich fliegen Seifenblasen durch die Konzerthalle. Ozzy ist maximal entgeistert: „Bubbles?! Come on, Sharon! I’m fucking Ozzy Osbourne, the Prince of fucking Darkness.“ Er wird es bleiben. Fucking, yes!
Finale in Birmingham
Am 5. Juli 2025 spielten Black Sabbath ihr letztes Konzert vor rund 42 000 Menschen im Fußballstadion Villa Park in Birmingham. Das rund zehnstündige Spektakel, bei dem Bands wie Metallica, Slayer und Guns N‘ Roses auftraten, wurde weltweit in die Kinos übertragen und im Internet gestreamt. Die Künstler verzichteten auf Gagen. So kamen rund 190 Millionen US-Dollar zusammen, die Black Sabbath spendeten, unter anderem an die Parkinson-Hilfe, an ein Kinderkrankenhaus und ein Kinderhospiz in Birmingham.