Was Klingbeil bei erstem Großauftritt mit den Händen macht, ist kein gutes Zeichen
In seiner ersten Regierungserklärung gibt sich Lars Klingbeil verbindlich, sympathisch, fast kumpelhaft. Der SPD-Chef wirkt nahbar, gleichzeitig erstaunlich staatsmännisch.
Aber: Kommunikativ fehlt ihm noch die Kraft, die ein Finanzminister in dieser Rolle mitbringen muss.
Klingbeil hält sich mit den Händen fest und zeigt Verteidigung statt Führungsstärke
Was sofort auffällt: Lars Klingbeil hält sich permanent am Rednerpult fest. Das wirkt zunächst kontrolliert und standfest.
Aber wer sich rhetorisch so „festklammert“, zieht dabei automatisch die Schultern hoch und senkt den Kopf.
Klingbeil klammert: So steht man, wenn man Angst hat
Ein Klassiker aus der Körpersprache: Diese Haltung signalisiert eher Verteidigung als Führungsstärke. So steht man, wenn man Angst hat – oder sich schützen will.
Dabei braucht es in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit genau das Gegenteil: Aufrechte Haltung, Blickführung, gestische Klarheit.
Ein Finanzminister muss nicht der Lauteste sein – aber der Souveränste. Und davon war Klingbeils Auftritt noch ein Stück entfernt.
Über Michael Ehlers
Michael Ehlers ist Rhetoriktrainer und coacht seit über drei Jahrzehnten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Unternehmer, Top-Manager/innen, Profi-Sporttrainer, Influencer und viele mehr. Der mehrfache Bestsellerautor (u.a. "Rhetorik - Die Kunst der Rede im digitalen Zeitalter“ und „Der Fisch stinkt vom Kopf mit seinem Alter Ego Hein Hansen“) ist gefragter Experte und hat zum Beispiel für Focus, N-TV, ZDF und nahezu allen ARD-Sendern Rhetorik-Analysen durchgeführt (Kanzler-Duelle, Putin-Analysen). Ehlers ist Geschäftsführender Gesellschafter der Institut Michael Ehlers GmbH, Bamberg, Director of the Center for Rhetoric at SGMI Management Institute St. Gallen und Dozent des St. Galler Management Programm (SMP). Er tritt regelmäßig auf Veranstaltungen als Keynote-Speaker auf.
Klingbeil sagt oft, was „wir wollen“ – aber kaum, was passieren wird
Inhaltlich war die Rede solide. Klingbeil nennt klare Prioritäten:
- Entlastung der arbeitenden Mitte
- Investitionen in Infrastruktur
- Modernisierung des Staates
- ein Investitionsbooster mit Abschreibungen
- Körperschaftssteuersenkung ab 2028
Aber die Art, wie er es präsentiert, bleibt weich gezeichnet. Er sagt oft, was „wir wollen“ – aber selten, was genau passieren wird. Starke Sprache lebt von Verben der Tat, nicht von solchen des Wünschens. Hier wäre mehr Mut zur Klarheit gefragt.
Kanzler Friedrich Merz hatte zuletzt mit markigen Aussagen wie „Wenn der Spiegel dich lobt, war es Mist“ die Lufthoheit im politischen Framing zurückerobert. Klingbeil dagegen bleibt freundlich – fast zu freundlich. Und verliert damit Raum in der Debatte.
Politische Psychologie: Klingbeil ist beliebt, aus gutem Grund
Laut aktueller INSA-Umfrage ist Klingbeil nach Boris Pistorius der zweitbeliebteste Politiker im Land. Warum? Weil er so gar nicht wie ein klassischer Finanzminister wirkt.
Kein Taschenrechner-Image, kein Machtgehabe. Sondern ein Kommunikator, der sich bedankt, einordnet, lobt und einlädt.
Doch Beliebtheit ist kein Ersatz für Autorität. Und der Job, den Klingbeil jetzt übernommen hat, ist einer der undankbarsten: Er muss bremsen, priorisieren, kürzen – und gleichzeitig das Image des „Investitionsministers“ aufbauen.
Das wird nur gelingen, wenn er lernt, rhetorisch Führung zu zeigen. Nicht durch Lautstärke, aber durch Struktur, Klartext und klare Körpersprache.
Mein Fazit: Freundlichkeit reicht nicht – jetzt braucht es Führung
Lars Klingbeil hat das Zeug zum moderaten Gegenpol eines zunehmend kantig auftretenden Friedrich Merz. Sein Ton ist angenehm, seine Haltung integrativ – und das ist gerade in aufgeheizten Zeiten ein Wert an sich.
Aber ein Finanzminister muss nicht nur erklären, er muss auch führen. Er darf nicht nur Appelle senden, sondern muss Entscheidungen durchsetzen. Und das beginnt bei der Sprache, bei der Präsenz – bei der Wirkung.
Wenn Klingbeil jetzt noch lernt, nicht nur zu moderieren, sondern zu markieren, kann er weit kommen. Andernfalls bleibt er: der nette Junge von nebenan – in einem Amt, das Härte verlangt.