Ist das der Befreiungsschlag?

Der Krise zum Trotz heizt SPD-Chef Lars Klingbeil den Genossen auf ihrem Parteitag mit einer kämpferischen Rede ein. Die Stimmung der SPD kann das kurzfristig heben – doch der eigentliche Härtetest steht noch bevor.

Es ist ein Ergebnis mit Signalwirkung: Beim Bundesparteitag der SPD werden die Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil mit großer Mehrheit wiedergewählt. Für Esken stimmten am Freitag in der Berliner Messehalle CityCube 82,6 Prozent der Delegierten, für Klingbeil 85,6 Prozent.

Esken konnte ihr Ergebnis von 2021 (76,6 Prozent) damit um mehrere Prozentpunkte verbessern, Klingbeil verlor leicht (86,3 Prozent). Ein solides Ergebnis für die beiden – und für die SPD ein positives Zeichen. Es zeigt: Die Genossinnen und Genossen stehen weitgehend geschlossen hinter ihrem Führungsduo. Trotz Haushaltskrise, trotz schwieriger Ausgangslage als Regierungspartei in einer Dreierkoalition.

Ein Parteitag unter ungünstigen Vorzeichen

Ein Hoffnungsschimmer in schwierigen Zeiten also. Erst gestern machte die Hiobsbotschaft die Runde, dass die Ampelregierung bei ihren Haushaltsgesprächen vorerst gescheitert ist. Einen ordentlichen Haushalt 2024 wird es in diesem Jahr nicht mehr geben, der Bund rutscht ab Jahresbeginn in die vorläufige Haushaltsführung – und darf ab dem 1. Januar nur das Nötigste ausgeben.

Doch diese schwerste Krise der Ampel seit ihrem Bestehen ist auf dem SPD-Parteitag im Berliner CityCube nur indirekt präsent. Dafür sorgen vor allem die Vorsitzenden der Partei, Saskia Esken und Lars Klingbeil. In ihren Reden am Freitagvormittag geben sie die Stoßrichtung für das dreitägige Parteitreffen vor.

Für den Sozialstaat – gegen CDU und AfD

Im Fokus beider Reden stehen soziale Forderungen, beide werben für einen unternehmerischen Staat, der die Transformation in die Klimaneutralität lenkt. Sie fordern die Lockerung der Schuldenbremse, ein massives Investitionsprogramm und eine scharfe Abgrenzung zur CDU und zur AfD. Esken und Klingbeil konzentrieren sich auf das Kerngeschäft der deutschen Sozialdemokratie. Zur Abwechslung mal "SPD pur" statt ständig Kompromisse in der Ampel.

Video | SPD-Chef Klingbeil: Schuldenbremse wird Wohlstandsrisiko
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Quelle: Reuters

Vor allem Lars Klingbeil liefert eine kämpferische Rede ab. Gleich zu Beginn spricht er von den globalen Krisen, die an Deutschland nicht spurlos vorbeigingen, von einer kriegerischen "Atommacht vor den Toren Europas", der Klimakrise, der Inflation, den Migrationsbewegungen.

Der SPD-Chef sagt es nicht direkt, aber gemeint ist offensichtlich, dass die Republik inmitten historischer Umwälzungen stehe und man dies bei der Bewertung der Arbeit einer Kanzlerpartei doch zu berücksichtigen habe. Es ist Klingbeils Versuch, eine Erklärung zu finden für die schlechten Umfragewerte, die natürlich alle hier kennen und die für die SPD derzeit nur in eine Richtung gehen: weiter nach unten.

Klappt der Befreiungsschlag?

Bei rund 15 Prozent liegen die Genossen mittlerweile nur noch, das sind zehn Prozent weniger als bei der Bundestagswahl 2021, als sie als stärkste Partei ins Parlament zogen. Auch die Beliebtheitswerte des Kanzlers sind am Boden, doch um den soll es an diesem Freitag nur am Rande gehen.

Viel wichtiger, und das ist in beinahe jedem Gespräch zu spüren, ist das große Bedürfnis, endlich wieder die Partei in den Mittelpunkt zu rücken. Der Parteitag soll ein Befreiungsschlag werden, nachdem die SPD zwei Jahre lang vor allem die Kanzlerarbeit flankiert hat und viele ihrer Herzensanliegen der Realpolitik im Ampelland opfern musste.


Quotation Mark

"Friedrich von gestern wird niemals die Zukunft unseres Landes sein."


SPD-Chef Lars Klingbeil


Bei der Suche nach sich selbst hilft der SPD vor allem einer, der gar nicht da ist: Oppositionschef Friedrich Merz. Sowohl Esken als auch Klingbeil arbeiten sich mit Hingabe an ihm ab. Merz spalte das Land, hetze mit der AfD gegen die Ampel, schade dem Ansehen Deutschlands, so Esken in ihrer Rede, in der sie dem CDU-Chef "politischen Vandalismus" vorwirft.