Erster Todestag von Nawalny: Julia Nawalnaja ruft zum Kampf für ein freies Russland auf

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Menschen stehen am Grab des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny auf dem Borisowskoje-Friedhof in Moskau, ein Jahr nach dessen Tod. © dpa/AP

Vor einem Jahr starb Putin-Gegner Nawalny im Straflager. Sein Team arbeitet weiter. Aber wer den Kreml kritisiert, der riskiert mitunter sein Leben – auch im Ausland.

Berlin – Ein Jahr nach dem Tod von Alexej Nawalny wird am Sonntag weltweit an den russischen Oppositionellen erinnert. In Deutschland ist unter anderem eine Demonstration vor der russischen Botschaft in Berlin geplant (16.00 Uhr). Am Abend finden in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin eine Andacht (18.00 Uhr) und eine Gedenkveranstaltung (19.00 Uhr) statt, bei der Nawalnys Witwe Julia Nawalnaja persönliche Erinnerungen an ihren Mann teilen und über sein Vermächtnis sprechen will.

Nawalny, der von den russischen Behörden als „Extremist“ eingestuft worden war, war der prominenteste Kritiker von Kreml-Chef Wladimir Putin. Er starb am 16. Februar 2024 unter ungeklärten Umständen in einem Straflager in der Arktis, wo er eine 19-jährige Haftstrafe verbüßte. Nawalnys Anhänger und zahlreiche westliche Politiker machen die russische Führung für den Tod des Oppositionellen verantwortlich. 

Ein Jahr nach dem Tod von Nawalny: Julia Nawalnaja ruft zum Kampf für ein freies Russland auf

„Wir wissen, wofür wir kämpfen: ein zukünftiges Russland, das frei, friedlich und schön ist“, sagte Julia Nawalnaja am Sonntag in einer Videobotschaft. „Das, wovon Alexej geträumt hat, ist möglich.“

An die Anhänger ihres Mannes appellierte Nawalnaja: „Tun wir alles, um seinen Traum wahr werden zu lassen.“ Jeder könne etwas tun, betonte die Witwe des verstorbenen wichtigsten Widersachers von Kreml-Chef Wladimir Putin: „Demonstrieren, an politische Gefangene schreiben, die Meinung derjenigen ändern, die einem nahe stehen, sich gegenseitig unterstützen.“ Zugleich zeigte sie sich überzeugt, dass „das Gute siegen wird“.

Hunderte Moskauer gedenken Nawalny – Polizei filmt Trauernde

Laut Medienberichten legten Hunderte Moskauer am Grab des Kremlkritikers Blumen nieder. Die Polizei ließ die Trauernden auf den Borissowskoje-Friedhof, filmte sie dabei jedoch, wie unabhängige Medien berichteten. Unter den Besuchern befanden sich demnach auch ausländische Diplomaten, darunter die US-Botschafterin Lynne Tracy und EU-Botschafter Roland Galharague.

Unabhängige Medien meldeten zudem lange Warteschlangen am Friedhof. Auch in anderen russischen Städten fanden Gedenkaktionen statt, darunter in St. Petersburg und Jekaterinburg. In Nowosibirsk kam es laut dem Bürgerrechtsprojekt OWD-Info zu mindestens fünf Festnahmen bei einer Gedenkveranstaltung für Nawalny.

Nach dem Tod des russischen Oppositionsführers Nawalny geht Russland auch gegen seine Anwälte vor

Nach Nawalnys Tod im Straflager gerieten auch seine Anwälte ins Visier. Drei seiner Verteidiger – Wadim Kobsew, Igor Sergunin und Alexej Lipzer – wurden zu Haftstrafen verurteilt. Damit richtet sich die staatliche Repression erstmals nicht nur gegen Oppositionelle, sondern auch gegen deren rechtlichen Beistand.

Dem ZDF zufolge entging lediglich Olga Michailowa, die jahrelang als Anwältin für Nawalny tätig war, der Verfolgung – und das nur durch Zufall. Zum Zeitpunkt der Verhaftung ihrer Kollegen befand sie sich im Urlaub außerhalb Russlands. Heute lebt sie in Paris und sieht in den jüngsten Entwicklungen einen neuen Höhepunkt der staatlichen Repression. „Die Behörden haben eine Grenze überschritten, die nicht überschritten werden durfte“, sagt sie dem ZDF. „Wenn es keinen unabhängigen Rechtsberuf mehr gibt, dann gibt es im Land auch keine Gerechtigkeit mehr.“

Kritik am Kreml: Putin-Gegner haben es auch im Exil nicht leicht

Auch die Kremlgegner im Ausland haben es schwer. Viele sind seit langem im Exil, andere sind in den fast drei Jahren des Kriegs gegen die Ukraine geflüchtet. Die Oppositionellen Jaschin und Wladimir Kara-Mursa sowie Oleg Orlow von Memorial mussten gegen ihren Willen Russland verlassen.

Nun fehlen die Rückkoppelung an eine Basis in Russland, eine gemeinsame Strategie – und vorerst jede Aussicht, an den Verhältnissen etwas zu ändern. „Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass sie eine große Rolle spielen werden, dieses Regime in die eine oder andere Weise zu beeinflussen“, sagt der Politologe Jan Matti Dollbaum. Der Assistenzprofessor an der Uni Fribourg in der Schweiz hat über die russische Opposition geforscht. 

Man müsse nicht unbedingt im Land präsent sein. „Aber man muss schon die Möglichkeit haben, in Russland zumindest Leute zu mobilisieren zu irgendeiner Art von Handlung. Und das ist doch sehr schwierig.“ Trotzdem hält Dollbaum die Arbeit der Exil-Opposition für nützlich, weil sie Kommunikationskanäle mit einer möglichen Elite für eine Zeit nach Putin schaffe. (dpa/afp/jal)

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