Es war ein besonderer Auftakt für eine sehr besondere Ausstellung im Olaf Gulbransson Museum. Zur Vernissage erklärte Florian Illies, Mitherausgeber der ZEIT, warum der Tegernsee der ideale Ort ist, um die „Geschichten vom Meer“ zu zeigen. Schon am ersten Tag kamen 380 Besucher.
Tegernsee – Tegernsee ist der ideale Ort fürs Meer. Das sagte der Autor und Mitherausgeber der ZEIT, Florian Illies, im Tegernseer Barocksaal. Dort fand der Festakt zur Eröffnung der Sonderausstellung „Picasso, Beckmann, Turner und andere. Geschichten, die das Meer erzählt“ im Olaf Gulbransson Museum (wir berichteten) statt. Das Museum selbst war zu klein, um alle Interessierten aufzunehmen.
Private Bande machen Ausstellung möglich
Michael Beck, Vorstand der Olaf Gulbransson Gesellschaft, begrüßte das Publikum persönlich bewegt. Dass er hier stehe, wo sein Vater die Geburtstagsrede auf Olaf Gulbransson zu dessen Achtzigsten gehalten, wo er selbst sein Abiturzeugnis bekommen habe und nun noch einmal einen großen Augenblick erlebe, wühle ihn auf. Die Ausstellung ist ihm teuer, nicht nur im Wert, sondern vor allem wegen dieser großartigen Bilder, die andere, große internationale Museen auch hätten zeigen wollen. Da die Bilder aber in Privatbesitz sind, war es die persönliche Bindung, die die Ausstellung vom Meer an den See brachte.
Vor dem Festakt hatte Beck die Besucher durch die Ausstellung geführt. 380 kamen am ersten Tag. Die Resonanz war bei Kunstkennern, und auch bei denen, die keine sind: pure Begeisterung. Die Meer-Motive wecken die Sehnsucht im Betrachter: nach Wasser, Urlaub oder Freiheit.
Wortmalerei zum Auftakt
Illies, der für den Ausstellungskatalog das Essay geschrieben hat, war gerade noch rechtzeitig in Tegernsee angekommen. Andere Gäste hatten weniger Glück, der Streik verhinderte, dass sie zur Eröffnung da sein konnten. So wurde Nachrückern die spontane Freude zuteil, bei der völlig überbuchten Veranstaltung dabei zu sein. Illies konnte noch einige Minuten den Blick auf die Originale werfen, dann moderierte Mon Müllerschön vom Magazin BUNTE ihn für den Festakt an, und es erklangen die ersten Töne am Klavier, gespielt von den Geschwistern Sophie und Vincent Neeb.
Waren die Eindrücke vom Meer in der Ausstellung durchs Auge zugänglich, schuf Referent Illies eine Atmosphäre der Wortmalerei fürs Ohr. Seine Sprache ließ fein ziselierte Bilder im Kopf entstehen, begann witzig und führte schließlich in die Tiefe des menschlichen Seins.
Das Meer und die Politik
Da verknüpfte Illies den Begriff Meer und die aktuelle Politik: „Unsere Zeit hat sehr viel mit dem Meer zu tun.“ US-Präsident Trump habe sofort den „Golf von Mexiko“ in den „Golf von Amerika“ umbenannt. Er nehme den Panamakanal in den Fokus und träume von einer neuen Riviera. In der konkreten Politik sei das zynisch, spiele aber mit den Ur-Emotionen, die der Mensch mit dem Meer verknüpfe. Das Leben komme aus dem Meer, der Mensch sei getragen im Lebensrhythmus des Meeres – Flut und Ebbe, Einatmen und Ausatmen. Es habe etwas ungemein Tröstliches, sich in den Wellen getragen zu fühlen.
Meine News
Das berge auch die Gefahr, sich in der Weite zu verlieren. Illies ging in eine philosophische Betrachtung über. Das Publikum folgte. Er bewegte die Coolen und beruhigte die Fragenden. Selbst die, die ihn nicht gut hörten, weil er ohne Mikrofon auskommen musste, verstanden, wovon er sprach. „Man wurde im Vortrag von einer großen Energie getragen, konnte eintauchen wie in das Meer selbst“, fasste es eine Zuhörerin später zusammen.
„Zum Meer zieht es uns immer wieder hin“, sagte Florian Illies. „Dort, am Meer, aber kann man keine Ausstellung vom Meer machen. Da wollen Sie ins Wasser, wollen die Weite des Horizonts sehen“. Aber hier, in einer Landschaft mit lieblichen Bergen, hinter Geranien der See, der sich färbe wie der Himmel, sei es nicht riskant, sich in der Weite zu verlieren.
VON SONJA STILL