Verliebt in einen Narzissten - Erst nannte er mich sexy, dann fette Kuh: Mein Weg aus einer toxischen Beziehung
- Im Video: Selbsttest: Bin ich ein Narzisst? Einblicke von einer Expertin
Als ich ihn kennenlernte, fühlte ich mich wie in einem Film. Er schaute mich an, als wäre ich das Einzige, was zählt. In seinen Augen war ich nicht nur schön – ich war begehrenswert, besonders, außergewöhnlich. Ich war die Frau, auf die er angeblich sein Leben lang gewartet hatte.
Was wie eine große Liebesgeschichte begann, entpuppte sich als gefährliche Täuschung.
Mit der Zeit wich das intensive Werben subtiler Abwertung. Kleine Seitenhiebe. Sticheleien über mein Aussehen, meine Entscheidungen, mein Wesen. Erst nannte er mich sexy – dann: „fette Kuh“. Erst schwärmte er von meiner Ausstrahlung – dann war ich angeblich peinlich, hysterisch, zu viel.
Ich war längst Teil einer Beziehung, in der ich nicht mehr wusste, was richtig und falsch war. Ich rechtfertigte mich, erklärte mich, versuchte, besser zu sein. Und je mehr ich mich bemühte, desto mehr verlor ich mich.
Ich wurde in kürzester Zeit schwanger – und mit der Schwangerschaft wuchs in mir der Wunsch, meinem Kind eine intakte Familie zu bieten. Das hat mich motiviert, mich noch mehr um Harmonie zu bemühen. Ich wollte, dass es funktioniert. Ich ließ mir vieles gefallen – aus Liebe, aus Hoffnung.
Emotionale Abhängigkeit: Warum wir bleiben, obwohl es weh tut
Wenn wir in eine narzisstische Beziehung geraten, verwechseln wir Drama mit Tiefe. Wir glauben, die emotionalen Höhen und Tiefen seien Ausdruck von Leidenschaft – dabei sind sie Zeichen einer toxischen Dynamik.
Betroffene wie ich spüren eine tiefe emotionale Abhängigkeit, lange bevor sie das Muster verstehen. Der Narzisst tut uns leid, er erscheint zerbrechlich, charmant, verletzlich – und wir erkennen seine Not. Und geben. Und geben.
Denn wir sind stark. Empathisch. Wir können viel halten. Und genau das wird uns zum Verhängnis.
So erkennen Sie, ob Sie in einer toxischen Beziehung gefangen sind
Wenn Sie sich in folgenden Punkten wiedererkennen, lohnt es sich, genauer hinzusehen:
- Sie fühlen sich ständig schuldig oder nicht genug.
- Sie stellen seine Bedürfnisse über Ihre eigenen.
- Sie haben das Gefühl, ohne ihn „nichts“ zu sein.
- Kritik ist demütigend, Lob unberechenbar.
- Ihre Freunde erkennen Sie kaum wieder.
Die Wende: Als ich verstand, dass Liebe niemals weh tun darf
Es brauchte viele schmerzhafte Erkenntnisse, bevor ich mir selbst eingestand: Das ist keine Liebe – das ist emotionale Gewalt. Ich wollte nicht länger überleben, sondern leben und atmen.
Ich begann, mich zurückzuziehen. Ich hörte auf, mich zu rechtfertigen. Ich lernte, mich wieder an mich selbst zu erinnern.
Der wichtigste Satz, den ich mir damals sagte, lautete: „Ich muss nicht beweisen, dass ich liebenswert bin – ich bin es.“
Über Chris Oeuvray
Chris Oeuvray hat als langjährige psychologische Beraterin tiefen Einblick und umfangreiche Fachkenntnis zu Herausforderungen und Konflikten. Ihre Schwerpunkte sind Narzissmus und Mobbing. Ihr Ratgeber "Narzissmus – ohne mich" hilft Betroffenen von narzisstischem Missbrauch mit einem 28-Tage-Plan. In ihrem Thriller "Tödlich verliebt" und dem Roman "Teufelsweib" verbindet sie Literatur mit Lebenshilfe. Sie ist 1967 geboren und lebt mit Partner und Sohn in Zug (Schweiz).
Was Sie tun können, wenn Sie sich wiedererkennen
- Sprechen Sie mit jemandem, der Sie ernst nimmt: Viele Betroffene stoßen im Umfeld auf Unverständnis. Suchen Sie sich Menschen oder Fachpersonen, die wissen, was narzisstischer Missbrauch bedeutet.
- Führen Sie ein „Realitätstagebuch“: Schreiben Sie auf, was wirklich geschieht – nicht, wie er es darstellt. Es hilft, die Realität von der Manipulation zu unterscheiden.
- Stärken Sie Ihre Selbstverbindung: Narzissten lösen in uns das Gefühl aus, dass wir nur durch sie existieren. Kehren Sie zu sich zurück. Machen Sie Dinge nur für sich. Gehen Sie spazieren, atmen Sie durch, sagen Sie sich: „Ich bin sicher. Ich bin da.“
Mein Appell an alle Betroffenen
Wenn Sie das hier lesen und sich in meiner Geschichte wiedererkennen, dann denken Sie bitte daran: Sie sind nicht schwach. Sie sind verletzt. Und das ist ein großer Unterschied.
Sie können sich entscheiden, Schritt für Schritt zurück ins Licht zu gehen. Und Sie müssen es nicht allein tun.
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