Interview zum Anschlag in München - „Irgendwann platzt ihm dann der Kragen“: So erklärt Profiler Psyche des Täters
Bei dem Täter des Anschlags von München soll es sich um einen 24 Jahre alten, abgelehnten afghanischen Asylbewerber handeln, der schon 2016 nach Deutschland kam. Er ist also schon neun Jahre in Deutschland. Was sagt das über den Täter aus?
Helmut Kury: Junge Flüchtlinge, die schon so lange wie der Täter von München in Deutschland sind, haben in der Regel weniger Probleme bei der Integration als ältere, auch, weil sie die Sprache viel schneller lernen. Hier stellt sich vor allem die Frage, wie gut der Mann integriert war. Hatte er eine Arbeit, hatte er deutsche Freunde, oder hat er sich vor allem in migrantischen Kreisen bewegt?
Die Tatsache, dass er diese furchtbare Tat begangen hat, spricht eher dafür, dass er Probleme hat. Die Erkenntnis ist zwar nichts Neues, aber man sollte sie an dieser Stelle noch einmal erwähnen: Die Wahrscheinlichkeit einer Radikalisierung wächst, je weniger Flüchtlinge und Migranten integriert sind. Und natürlich ist dabei auch von Bedeutung, ob er gearbeitet hat oder nicht. Letzteres hemmt die Integration weiter.
„Radikalisierung des Täters von München fortgeschritten“
Der 24-Jährige soll vor der Tat einen mutmaßlich islamistischen Post abgesetzt und in sozialen Netzwerken geteilt haben. Was leiten Sie daraus ab, was die Entschlossenheit zu dieser furchtbaren Tat angeht, auch im Hinblick auf die lange Zeit, die der Mann bereits in Deutschland ist?
Helmut Kury: Die Tatsache, dass er islamistische Parolen verbreitet haben soll, deutet zumindest darauf hin, dass die Radikalisierung schon fortgeschritten war. Das könnte bedeuten, dass er sich schon über einen längeren Zeitraum in eine Art Wut oder Hass hineingesteigert hat, was Deutschland und seine Bürger angeht. Und was die Schwere der Tat betrifft: Ein Anschlag mit einem Auto ist relativ leicht umzusetzen. Da braucht es weder Helfershelfer noch eine besondere Vorbereitung.
„Erfahrung mit Straftaten macht anfälliger für Anschläge“
Laut Landesinnenministerium soll der Täter polizeibekannt sein – er war schon durch Ladendiebstähle und in Zusammenhang mit Betäubungsmitteln aufgefallen. Das dürfte die Hemmschwelle sicher senken.
Kury: Absolut. Jemand, der bereits Straftaten begangen hat, hat in der Regel weniger Skrupel, weitere zu begehen. Das macht es einem solchen Täter leichter, eine besonders schreckliche Tat wie einen Anschlag in München zu planen und umzusetzen. Zusätzlich kann man daraus ableiten, dass Personen, die schon eine kriminelle Vorgeschichte haben, natürlich auch für Radikalisierungen anfälliger sind. Das geht Hand in Hand.
Inwieweit können vorherige Anschläge wie zuletzt jener in Aschaffenburg, der gerade einmal drei Wochen zurückliegt, Täter wie jenen aus München triggern?
Kury: Vor allem solche leicht umsetzbaren Anschläge, für die man nicht viel Vorbereitung braucht, triggern Extremisten. Und auch eine schnelle Abfolge solcher Schreckenstaten kann Menschen, die ohnehin schon Probleme mit der Gesellschaft haben, in der sie als Gast leben, zusätzlich anstacheln.