Stellantis-Chef warnt vor Niedergang Europas – wegen Verbrenner-Aus und E-Autos
Ist Europa bereit für das Verbrenner-Aus und den Umstieg auf Elektroautos? Der Chef eines großen Autokonzerns sagt „Nein“ – und liefert eine düstere Prognose.
Paris/München – Das Verbrenner-Zeitalter neigt sich in Europa dem Ende entgegen, die Zukunft soll elektrisch sein. Ausschlaggebend ist eine Strategie auf EU-Ebene, welche das Verbrenner-Aus für 2035 vorsieht. Geht es nach Stellantis-Chef Carlos Tavares, ist die hiesige Autoindustrie jedoch „noch nicht bereit für den Wandel“.
Zwar treibt der Portugiese mit seinem 14-Marken-Konzern den Umstieg auf E-Autos selbst massiv voran, jedoch hält der Manager den eingeschlagenen Kurs seitens Politik offenbar nicht für wasserfest. Die Begründung lieferte Tavares am Rande einer Zeremonie im italienischen Produktionsstandort Mirafiori bei Turin.
Verbrenner-Aus in Europa: Stellantis-Chef hält Kurswechsel für möglich
„Im kommenden Jahr finden zwei sehr wichtige Wahlen statt, im Juni die Wahl zum Europaparlament und im November die Wahlen zum US-Repräsentantenhaus. Es könnte sein, dass die Politik dann eine andere sein wird“, ließ der 65-Jährige laut Automobilwoche bei der Veranstaltung wissen.
Es geht konkret um die Regelung, dass in Europa ab 2035 Neuwagen emissionsfrei sein müssen, das heißt sie dürfen kein CO2 mehr ausstoßen. Das trifft nach derzeitigem Stand nur mehr auf Elektroautos zu, sofern es bei Fahrzeugen mit E-Fuels nicht noch eine entsprechende Lösung gibt. Freilich macht Tavares schon länger darauf aufmerksam, dass er die geplante Abkehr vom Verbrennungsmotor für einen Fehler hält.
Das ließ der CEO zuletzt auch in einem Spiegel-Interview verlauten: „Die EU-Kommission hat sich für eine sehr kostspielige Technologie entschieden: die E-Mobilität, die sich nur einige Kundinnen und Kunden leisten können“, erklärte der Stellantis-Chef. Darin bemängelte er die nach wie vor hohen Produktionskosten und eine damit verbundene Abwanderung der hiesigen Autoindustrie in Richtung Asien oder Amerika.

Umstieg auf Elektroautos: „Dogmatismus ohne Realitätscheck“
Der Strippenzieher von Marken wie Opel, Peugeot, Fiat oder Citroën kritisiert insbesondere den Regulierungsdrang der europäischen Politik im Hinblick auf alternative Antriebe. Für hiesige Autobauer sei dadurch ein Dilemma entstanden: Einerseits müsse die Profitabilität gewahrt werden, andererseits müsse man trotz höherer Entwicklungs- und Produktionskosten bezahlbare Elektroautos anbieten – und dieses „Dilemma“ könne laut Tavares für Autohersteller „schlimm enden“. Bei Volkswagen, einem der ärgsten Rivalen von Stellantis, ist diese Prophezeiung bereits Realität geworden.
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Das von der EU angestrebte Verbrenner-Aus bezeichnet der erfahrene Manager als „Dogmatismus ohne Realitätscheck“, während die Autokonzerne mit dem härtesten Wettbewerb konfrontiert seien, „den wir in der Geschichte der Industrie erlebt haben“. Dabei hält Carlos Tavares eine mögliche Abschwächung der Antriebswende für realistisch: „Wir müssen möglicherweise unsere Strategie ändern, wenn sich die öffentliche Meinung in Richtung weniger Elektrofahrzeuge bewegt“, führte der Konzernchef im Spiegel aus. „Wir haben dafür einen Plan in der Tasche.“
Verbrenner-Aus in den USA und Großbritannien nicht besiegelt
Ähnlich wie BMW hält sich Stellantis mehrere Antriebsvarianten offen, der Vorstandsvorsitzende spricht in diesem Zusammenhang von einer „technologieoffenen“ Erkundung umweltfreundlicher Antriebsformen. Der Mehrmarken-Konzern plant eigenen Angaben zufolge zwar, ab 2030 in Europa nur noch Elektroautos zu verkaufen. Auf anderen Kontinenten könnte das dementsprechend anders aussehen.
Dass Tavares mit seiner Prognose nicht so falsch liegt, zeigen die jüngsten Entwicklungen in der Politik: In Großbritannien hat Premierminister Rishi Sunak kürzlich Umweltrichtlinien der Vorgängerregierung abgeschwächt und gegen niedrigere Zielwerte eingetauscht. Aus den USA gab es dafür vom republikanischen Präsidentschaftsanwärter Donald Trump prompt Lob. Der Vorgänger von Joe Biden möchte den amtierenden demokratischen Staatschef im kommenden Jahr wieder ablösen. (PF)