E-Fuels im Verbrennungsmotor: Ein ernüchterndes Jahr für die Verbrenner-Revolution

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Behälter mit E-Fuel: Synthetische Kraftstoffe erhitzen in Deutschland die Gemüter. © Marijan Murat/dpa

E-Fuels könnten die deutsche Autoindustrie ins Elektro-Zeitalter begleiten und dem Verbrennungsmotor den Weg in die Zukunft bereiten. Ein wichtiges Projekt stockt jedoch.

Berlin/München - Das Ende der Verbrenner soll auf EU-Ebene besiegelt werden, der Traum eines Fortbestehens dieser Fahrzeuge mit E-Fuels bleibt jedoch. Besonders die FDP um Bundesverkehrsminister Volker Wissing möchte künftig auf E-Fuels setzen, um Autos mit Verbrennungsmotor klimaneutral zu machen. Modelle mit Benzin- oder Dieseltechnologie hätten also doch eine längere Zukunft, zudem könnte sich die hiesige Autoindustrie weiterhin ihrer altbekannten Stärken widmen.

Abseits der Hängepartie auf EU-Ebene gibt es beim ambitionierten E-Fuels-Vorhaben einen Rückschlag: Wollte das Berliner Start-up P1 Fuels Anfang des Jahres mit der Bundesregierung gemeinsame Sache für eine flächendeckende Kooperation machen, so ist das Projekt laut Welt.de auf Eis gelegt. Die Tankstellenkette Sprint, die auf einer Pressekonferenz zunächst als Partner auftrat, hat sich demnach mittlerweile aus dem Projekt verabschiedet.

E-Fuels: Zusammensetzung und CO₂-Ersparnis Stand jetzt noch unklar

Denn wie auf EU-Ebene gibt es auch hier ein politisches Zögern: Was wirklich in dem Treibstoff von P1 drinsteckt, scheint dem Bericht zufolge noch nicht klar definiert. Im Januar waren Begriffe wie „Wasserstoff-Elektrolyse“ und „erneuerbare Energiequellen“ gefallen, was auf E-Fuels hindeutet. Mittlerweile ist auch die Rede von bio-synthetischem Kraftstoff: „Aktuell ist es die zweite Generation Biomasse, die wir als Ausgangsstoff nutzen“, erklärt Mitgründer Benjamin Pochhammer. „Unsere Partnerfabriken in Polen, Belgien und Deutschland unterstützen uns dabei, den Kraftstoff herzustellen.“ Künftig wolle P1 auch E-Fuels in einer eigenen Anlage herstellen.

Dabei hängt die Zukunft wesentlich von einem Punkt ab: der möglichen CO₂-Einsparung. Hierzu haben sich die Angaben im Laufe des Jahres geändert. Aus der im Januar verkündeten Minderung von „mehr als 90 Prozent“ gegenüber Fossil-Kraftstoff ist inzwischen eine CO₂-Reduktion von 77,4 Prozent geworden. Erst künftig werde man die Reduktion auf 94 Prozent verbessern, heißt es den Angaben zufolge. 

In der deutschen Parteienlandschaft ist die FDP ein großer Befürworter von E-Fuels. Gefordert wird unter anderem eine Revolution der Kfz-Steuer:

E-Fuels: Synthetische Kraftstoffe potenziell klimaneutral - Hängepartie in der EU

Auf EU-Ebene wird über diese Zahlen gerade heftig gestritten, wenn es um die Grenzwerte der Zukunft geht. Die Kommission verlangt, dass E-Fuels künftig komplett klimaneutral hergestellt werden. Die Branche hält das technisch für nicht machbar und bezeichnet den Vorschlag als E-Fuel-Verbot. Noch wird auf Expertenebene darüber verhandelt und ein Konflikt zwischen dem EU-Ministerrat, der die Richtlinie beschließen muss, und der Kommission ist Berichten zufolge wahrscheinlich.

Im März war eine Verordnung verabschiedet worden, nach welcher neu zugelassene Modelle ab 2035 emissionsfrei sein müssen. Verbrennungsmotoren, die mit E-Fuels betrieben werden, gehören (noch?) nicht dazu. Weil das ausgestoßene CO₂ jedoch bei der Produktion der Kraftstoffe etwa aus Industrieanlagen oder aus der Luft entnommen wird, gelten sie in der Bilanz als klimaneutral, wenn der zur Produktion verwendete Strom wiederum mit erneuerbaren Energien produziert wurde.

Generell gelten synthetische Kraftstoffe jedoch als teuer und vom Wirkungsgrad her ineffizient - vor allem gegenüber Elektroautos, die den Strom unmittelbar für den Antrieb nutzen.

Autos mit E-Fuels sind kostentechnisch ein Problem - neue Subventionen nötig

Selbst ohne strenge Regelung für die EU-Staaten bezüglich E-Fuels ist die Einsparung von Schadstoffen kostenintensiv: „100 Prozent synthetische Kraftstoffe, die keine fossilen Brennstoffe mehr enthalten, sind deutlich teurer als herkömmliche Kraftstoffe“, führt Pochhammer aus. Eine genaue Zahl benennt er nicht. In Finnland ist man da weiter: P1 hat angekündigt, seinen Treibstoff einem Flottenbetreiber zur Verfügung zu stellen - und der Preis pro Liter zunächst doppelt so hoch sei wie bei fossilen Kraftstoffen.

So ist das Anfang 2023 getätigte Versprechen von P1 Fuels („der klimaneutrale Betrieb von Verbrennermotoren ist schon jetzt möglich“) zwar technologisch gegeben, jedoch sind das Hindernis für eine flächendeckende Umsetzung die noch unklare Situation bezüglich Schadstoffen sowie die Finanzierung: Denn ohne staatliche Subventionen sind synthetische Kraftstoffe teurer als andere Treibstoffarten. 

Bundesverkehrsminister Wissing
Volker Wissing (FDP), Bundesminister für Digitales und Verkehr. © Britta Pedersen/dpa

Umweltverbände kritisieren das Ministerium des Freien Liberalen am Festhalten an E-Fuels: Beim Klimaschutz im Verkehr kommt die Bundesrepublik laut dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) nicht voran. „Das zweite Jahr in Folge steigen die Emissionen im Verkehr und überschreiten die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes. Doch statt Verkehrsminister Wissing in die Pflicht zu nehmen, streicht die Ampel die Sektorziele und entlässt den Minister aus der Verantwortung“, kritisierte die Bundesvorsitzende Kerstin Haarmann.

Zukunft von Verbrennermotoren: Neuer Schwung für Dieselmotoren durch HVO

Derweil gibt es noch eine andere Möglichkeit, wie Verbrennungsmotoren zukunftstauglich gemacht werden. Bei Tankstellenbetreiber Sprint orientiert man sich nun offenbar anders, und zwar auf die Einführung von HVO in Reinform: „Damit werden wir für die Dekarbonisierung viel bewegen können“, zitiert Welt.de einen Sprecher. Bei Hydrotreated Vegetable Oil (hydriertes Pflanzenöl) handelt es sich um Bio-Diesel, der aus Abfallstoffen wie altem Frittierfett oder Schlachtabfällen gewonnen wird. Gegenüber Erdöl-Diesel sind die bilanziellen CO₂-Emissionen Herstellern zufolge um bis zu 90 Prozent geringer.

In anderen EU-Ländern war dieser Öko-Diesel in Reinform bereits zugelassen, in Deutschland bisher nur als Beimischung. Das hat sich jedoch Ende November geändert: „Paraffinische Dieselkraftstoffe” seien nun auch als Reinkraftstoff zugelassen, teilte das Bundesumweltministerium vergangene Woche mit. (PF mit Material der dpa)

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