Nach Dunkelflaute käme der Brownout - So viel müsste noch passieren, damit bei uns der Strom ausfällt

900 Euro kostete die Megawattstunde Strom zeitweise am vergangenen Donnerstag. Der Wind wehte kaum über Deutschland, die Sonne versteckte sich hinter Wolken. Entsprechend wenig Energie produzierten die Windräder und Solaranlagen im Land. Bis zu 17 Gigawatt Strom pro Stunde mussten aus dem Ausland importiert werden. Das knappe Angebot und die hohe Nachfrage an einem kalten Werktag trieben die Preise in die Höhe. Ein solches Szenario kann bei einem auf erneuerbare Energien fokussierten Strommarktdesign, wie es Deutschland anstrebt, immer wieder mal auftreten. Dunkelflaute nennt sich das trivial, wenn eben Sonne und Wind nicht genug Energie liefern können. Weil solche Nachrichten beunruhigend für Verbraucher klingen, klären wir die wichtigsten Fragen dazu.

Ist die Stromversorgung bei einer Dunkelflaute gefährdet?

Bisher nicht. Selbst am 12. Dezember gingen zahlreiche Kohle- und Gaskraftwerke trotz hoher Strompreise nicht ans Netz. Manche waren nicht startklar, bei anderen entschieden sich die Betreiber aus unbekannten Gründen dagegen. Dann gibt es aber auch noch eine Reihe von Kohlekraftwerken, die als „systemrelevant“ markiert sind. Sie werden nur dann hochgefahren, wenn die Stabilität des Stromnetzes in Gefahr ist. Das war bei den beiden Dunkelflauten Anfang November und vergangene Woche nicht der Fall. Das mangelnde Angebot ließ sich noch mit Importen aus dem Ausland beheben. Die systemrelevanten Kraftwerke würden nur auf Anweisung der Netzbetreiber hochgefahren.

Was passiert, wenn die Kraftwerke in Deutschland nicht mehr ausreichen?

Theoretisch ist es denkbar, dass besonders im Winter einmal ein Fall eintritt, an dem Sonne und Wind so wenig Strom produzieren, dass die konventionellen Kraftwerke und Importe aus dem Ausland nicht mehr ausreichen. Der Chef des Energieriesen RWE, Markus Krebber, hat etwa in den vergangenen beiden Monaten mehrmals davor gewarnt, dass Deutschland eine solche Dunkelflaute an einem nachfragestarken Tag im Januar seiner Meinung nach nicht bewältigen könnte. Andere Experten widersprechen dem: „In Deutschland muss niemand Angst von einem Stromausfall haben“, sagt etwa Leonard Probst, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Energiesystemanalyse am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, gegenüber dem Podcast „Mission Energiewende“.

Damit ist ein so genannter „Blackout“, also ein vollständiger Ausfall der Stromversorgung in Deutschland, praktisch ausgeschlossen. Anders sieht es aber bei so genannten „Brownouts“ aus. Sie wären die nächste Eskalationsstufe einer Dunkelflaute.

Was ist ein Brownout?

Erst einmal ist ein Brownout eine wenig originelle Wortschöpfung. Zweitens verbirgt sich dahinter eine seichtere Variante eines „Blackouts“. Bei einem Brownout würde der Strom nicht flächendeckend und für eine unbestimmte Zeit ausfallen, sondern nur lokal oder regional für ein Zeitfenster von etwa 90 Minuten. Zudem wäre es kein Ausfall von Systemen, sondern eine bewusste Abschaltung des Stromnetzes in bestimmten Bereichen. Das kann zum Beispiel ein einzelner Stadtteil einer Großstadt oder ein größeres Industriegelände sein.

Brownouts sind also kontrollierte Stromabschaltungen, keine Stromausfälle. Allerdings gibt es auch unkontrollierte Brownouts. Dabei fällt der Strom nicht aus, sondern lediglich die Spannung im Stromnetz ab. Das dauert meistens nur eine Minute und hat keine verheerenden Folgen. Allerdings können die Datenspeicher elektronischer Geräte durch den Spannungsabfall ausfallen und es so zu Daten- oder Funktionsverlusten kommen.

Was löst Brownouts aus? 

Die Ursache für einen kontrollierten wie unkontrollierten Brownout ist dieselbe. Er entsteht, wenn mehr Strom aus dem Netz gezogen wird als im selben Moment eingespeist wird. Das kann eben in einer schwerwiegenden Dunkelflaute passieren, in denen lokal oder regional begrenzt nicht genug Strom für die Nachfrage zur Verfügung gestellt werden kann. Netzbetreiber korrigieren diesen Nachfrageüberschuss dann dadurch, dass sie Stromkunden kurzzeitig vom Netz trennen. In schwerwiegenden Fällen, in denen das Ungleichgewicht länger anhält, kann das rollierend passieren. Netzbetreiber würden dann zum Beispiel einen Stadtteil für 90 Minuten vom Netz nehmen, danach für 90 Minuten einen anderen und so weiter, bis das Problem behoben ist.

Wie wird entschieden, wer vom Stromnetz getrennt wird? 

Bei den Netzbetreibern wird im Falle eines drohenden Brownouts nur eine Meldung ankommen, dass eine bestimmte Anzahl an Megawatt vom Netz genommen werden muss. Welche Stadtteile, Orte oder Regionen das betrifft, entscheidet bei den meisten ein Zufallsgenerator. Der wird auch angeschmissen, wenn der Brownout länger dauert, also nach 90 Minuten ein anderer Teil des Netzes abgeschaltet werden muss. Dadurch soll sichergestellt werden, dass keiner diskriminiert wird.

Wie erfahre ich, wenn bei mir der Strom abgeschaltet wird?

In der Regel werden die Versorger versuchen, eine kontrollierte Abschaltung im Zuge eines Brownouts ihren Kunden vorher anzukündigen. Das kann je nach Versorger per Email oder SMS geschehen - allerdings nur mit wenigen Minuten oder Stunden Vorlauf. Unkontrollierte Brownouts wären für Versorger nicht vorhersehbar.

Wie kann man sich als Verbraucher auf einen Brownout vorbereiten?

Einen Brownout von maximal 90 Minuten sollte jeder Haushalt in der Regel schadlos überstehen. Trotzdem können Sie einige Vorbereitungen treffen, damit die Zeit nicht allzu nervig ist. Dazu gehören simple Sachen wie etwa Powerbank aufgeladen zu haben, mit denen Sie im Brownout-Fall etwa Ihr Smartphone und/oder Ihren Laptop am Leben halten können. Allerdings sollten Sie sichergehen, dass Sie alle Daten, an denen Sie gerade arbeiten, auf mit dem Stromnetz verbundenen Computern vor Beginn des Brownouts abspeichern – sonst sind sie danach eventuell weg. Das gilt für Word-Dokumente wie für Speicherstände von Spielen.

Auch ein paar volle Batterien und eine Taschenlampe können hilfreich sein, wenn der Ausfall etwa am Abend oder in der Nacht eintritt und Sie sich daheim noch zurechtfinden wollen. Kühl- und Gefrierschränke sollten Sie während eines Brownouts so wenig wie möglich öffnen, damit sie sich nicht aufheizen. In 90 Minuten wird aber auch kein Gefriergut auftauen. Wenn Sie Geräte besitzen, die sensibel auf Spannungsschwankungen reagieren könnten – zum Beispiel Router, PCs, Fernseher und Hi-Fi-Anlagen – sollten Sie diese schlicht vom Netz trennen.

Auf Strom basierende Heizanlagen, also zum Beispiel Wärmepumpen, sind vor Spannungsschwankungen geschützt, würden aber im Falle eines Brownouts nicht mehr funktionieren. Aber auch hier sollten Sie in der Regel bei einer Dauer von maximal 90 Minuten nicht ins Frieren geraten, wenn Sie vorher geheizt haben. Und sollten Sie zu Beginn einer solchen Phase gerade einen Aufzug benutzen, bleiben Sie nicht stecken. Moderne Aufzüge haben genau für diesen Fall eine kleine Batterie, die Sie noch sicher zum nächsten Stockwerk bringt.

Welche Auswirkungen hat ein Brownout auf Wirtschaft und Infrastruktur? 

Die Infrastruktur in Deutschland ist gegen zeitweise Stromausfälle gut geschützt. Krankenhäuser besitzen etwa Notstromaggregate für solche Zwecke. Auch andere sensible Bereiche der Gesellschaft haben Notfallpläne in der Schublade. Härter treffen würde ein Brownout die Industrie. Zwar gibt es hier je nach Unternehmen auch Vorbereitungen auf Stromausfälle, viele werden aber ohne Strom einfach für eine Weile den Betrieb und die Produktion einstellen müssen. Der Ausfall kann dabei länger dauern als der Brownout, weil danach Systeme erst wieder hochgefahren werden müssen. Erstattungen für den dadurch entstandenen Schaden gibt es nicht.

Wie wahrscheinlich sind Brownouts überhaupt?

Auch wenn RWE-Chef Krebber gerne davor warnt, sind Brownout sehr unwahrscheinlich. Selbst am 12. Dezember waren noch rund 8 Gigawatt Leistung in Reserve vorhanden und es wurde auch noch nicht das gesamte Importpotenzial aus unseren Nachbarländern ausgenutzt. Einen kontrollierten Brownout hat es in der Geschichte Deutschlands bisher nie gegeben. Das heißt aber nicht, dass nie jemals irgendwo in Deutschland der Strom ausfällt. Was immer wieder mal passiert, sind Mini-Brownouts von weniger als drei Minuten. Sie dauern oft auch nur wenige Sekunden, bis automatische Systeme der Netzbetreiber die Stromversorgung wiederherstellen. Solche „Netzwischer“ können etwa durch Blitzeinschläge ausgelöst werden.

Wie häufig in Deutschland der Strom ausfällt, wird mit dem System Average Interruption Duration Index, kurz SAIDI, gemessen. Er gibt in Minuten die jährliche Stromunterbrechung im Mittel- und Niederspannungsnetz an, also den Netzen, aus denen Industrie und Haushalte ihren Strom beziehen. Hier werden allerdings nur Ausfälle von mehr als drei Minuten gemessen. Der SAIDI sinkt in Deutschland dabei trotz Ausbau erneuerbarer Energien stetig. Waren es 2006 noch 21,5 Minuten im Mittel- und 2,9 Minuten im Niederspannungsnetz, gingen die Werte bis 2022 auf 12,2 beziehungsweise 2,2 Minuten zurück. Nur im Corona-Jahr 2020 waren sie noch etwa niedriger.