Gasalarm am Supervulkan: Italiens Behörden warnen vor Erstickungs-Tod

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Am Supervulkan der Phlegräischen Felder gibt es neue Angst: Die Behörden sehen ein Risiko durch Giftgas, das aus dem Solfatara-Krater ausbrechen könnte. Hunderte Menschen leben in der Gefahrenzone.

Pozzuoli/Neapel – Der Supervulkan in der Caldera der Phlegräischen Felder im Süden Italiens kommt nicht zur Ruhe. Immer wieder sorgen neue Beben für Angst vor einem Vulkanausbruch. Die Behörden sehen keine Anzeichen für eine bevorstehende Eruption, auch wenn einige Experten das anders sehen.

Allerdings wurde jetzt ein „geochemisches Risiko“ als neue Gefahr identifiziert. Die Zeitung La Repubblica berichtet, dass die Region (entspricht einem Bundesland) Kampanien, in der die Phlegräischen Felder liegen, in einem neuen Gesundheitsplan warnt: „Auf der Grundlage der bisher verfügbaren Informationen über die Emissionen von Schwefeldioxid, Kohlendioxid und Schwefelwasserstoff kann man ein chemisches Risiko nicht ignorieren.“ Eine flächendeckende Kontamination der Atemluft sei möglich.

Ein über 24 Stunden andauerndes Schwarmbeben hält die Anwohner des Supervulkans der phlegräischen Felder in Atem.
Die dampfenden Gas-Quellen von Pisciarelli liegen nahe der Siedlungen. © IMAGO/napolipress

Behörden sprechen von einem „geochemischen Risiko“

Viele Menschen berichten immer wieder von Schwefelgeruch in der Caldera, in der fast eine halbe Million Menschen leben. Bislang werden die Gase genügend von der Außenluft verdünnt. Doch besonders tückisch ist der Ausstoß von Kohlendioxid, der vor allem alte und kranke Menschen gefährdet. Kohlendioxid riecht man nicht, es ist schwerer als Sauerstoff und verdrängt diesen in Bodennähe. Vor allem in Niederungen oder Kellern herrscht daher Erstickungsgefahr.

Das Szenario eines möglichen großen Ausbruchs giftiger Gase betrifft den Bereich zwischen dem bekannten Solfatara-Krater und den heißen Quellen von Pisciarelli in einem Umkreis von 1,3 Kilometern. Der wurde als „potenziell gefährlich“ eingestuft . Die Behörden denken über einschneidende Maßnahmen wie die „Umsiedlung in einen sicheren Bereich“, insbesondere für Gesundheitseinrichtungen, nach.

Der Solfatara-Krater liegt im Zentrum des Erdbebengeschehens.
Der Solfatara-Krater stößt täglich Hunderte Tonnen CO₂ aus. © IMAGO/Antonio Balasco

Der Supervulkan stößt so viel Gas wie ein aktiver Vulkan aus

Tatsächlich strömt der Supervulkan in diesem Bereich derzeit Mengen vulkanischer Gase aus, wie sie für aktive Vulkane typisch sind – zwischen 4000 und 5000 Tonnen CO2 am Tag. Obwohl in den jüngsten Berichten keine wesentlichen Änderungen festgestellt wurden, wird die Situation beobachtet: „Die Expositionsszenarien sind komplex, sogar potenziell sehr gefährlich“, heißt es in dem Report.

Die Neapolitaner Universität Federico II soll mit den Behörden in neuen Untersuchungen „die Hauptursachen für die anomale Ansammlung von Kohlendioxid vertiefen“. Die Notwendigkeit wird durch einen Unfall im Jahr 2018 unterstrichen, bei dem ein Arbeiter (49) bei Wartungsarbeiten an einem Aufzug der Kunsthochschule Boccioni im Neapolitaner Stadtteil Fuorigrotta in der roten Zone aufgrund hoher CO2-Konzentration erstickte. Analysen ergaben, dass „das aus dem Aufzugsschacht entnommene Gas ausschließlich natürlichen Ursprungs (vulkanisch-hydrothermisch) war“.

Vor sieben Jahren sind bereits drei Menschen im Solfatara-Krater erstickt

Auch der am 14. April aktualisierte Notfallplan deckt zusätzlich zu den bekannten Szenarien im Zusammenhang mit Vulkanismus und Erdbeben auch geochemische Risikoszenarien ab. Es enthält detaillierte Regelungen für die Evakuierung von Krankenhauspatienten, wobei 1506 Menschen, verteilt auf Krankenhäuser und Seniorenheime, im Notfall in sichere Einrichtungen verlegt werden können.

Dass das Gas der Phlegräischen Felder gefährlich ist, zeigte ein Unfall am 12. September 2017, bei dem ein elfjähriger Junge und seine Eltern im Solfatara-Krater tödlich verunglückten. Beim Versuch, den elfjährigen Lorenzo zu retten, der in eine nicht abgesperrte Bodenspalte rutschte, kamen beide Eltern ums Leben. Die drei Opfer waren in den giftigen Dämpfen erstickt. Seitdem ist der Krater für Besucher gesperrt.

Vulkangas-Katastrophe in Kamerun forderte Hunderte Menschenleben

Noch viel drastischer war 1986 der Ausbruch einer Kohlendioxidwolke am Nyos-See in Kamerun, der die ahnungslosen Dorfbewohner an seinen Ufern überraschte und 1700 Menschen tötete. Das vom dortigen Vulkanismus stammende Gas hatte sich unter der Wasseroberfläche angesammelt und war auf einmal mit einer Flutwelle ausgebrochen.

Der Nyos-See wurde für Hunderte Menschen zur Todesfalle.
Der Nyos-See wurde für Hunderte Menschen zur Todesfalle. © United States Geological Survey

Nach der Katastrophe wurde ein Rohr auf einem Floß befestigt, das das Gas nun regelmäßig entweichen lässt, damit sich keine tödliche Wolke mehr bilden kann.

Auf japanischer Vulkaninsel gehören Gasmasken zum Alltag

Auch die japanische Vulkaninsel Miyake-jima ist für ihre gefährlichen Gaswolken bekannt. Früher waren die 3000 Bewohner der Insel verpflichtet, jederzeit Gasmasken bei sich zu tragen, was teilweise zu verstörenden Bildern führte: So gibt es Bilder von Hochzeitsgesellschaften, Badeausflügen und Demonstrationen mit Gasmasken. Zudem galten Zugangsbeschränkungen in stark gefährdeten Gebieten. Heute wird bei einem dramatischen Anstieg der Konzentration giftiger Gase in der Luft Alarm ausgelöst, sodass man sich im Notfall mit der Maske schützen kann.

Die vulkanischen Gasemissionen des Vulkans werden heute mit einem modernen Mehrkomponenten-Gasanalysatorsystem gemessen, das die Entgasung aufsteigender Magmen vor dem Ausbruch erkennt und so die Vorhersage vulkanischer Aktivität verbessert. Das geschieht auch in den Phlegräischen Feldern. Zuletzt hatten die Erdbeben in der Region dafür gesorgt, dass eine Tribüne des Maradona-Stadions in Neapel wegen Einsturzgefahr gesperrt wurde.

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