Ökonom statt Kriegsherr: Schoigu-Nachfolger Beloussow war noch nie beim Militär
Beloussows Ernennung zum Verteidigungsminister zeigt, dass Putin nun voll auf Kriegswirtschaft setzt. Für die Ukraine bedeutet das: aushalten.
Moskau – Der russische Präsident Wladimir Putin beginnt seine fünfte Amtszeit mit einem Personalwechsel in der Regierung – so sieht es die Gesetzgebung vor. Die Kabinettumstrukturierung um den alten und neuen Ministerpräsidenten Michail Mischustin birgt eine größere Überraschung: Als Verteidigungsminister ernennt Putin den Zivilisten Andrej Beloussow.
Russlands neuer Verteidigungsminister Beloussow: Schoigu-Nachfolger hat nie in der Armee gedient
Beloussow arbeitet seit fast zwei Jahrzehnten für die russische Regierung. Der promovierte Ökonom war lange der wichtigste Wirtschaftsberater Putins, zudem bekleidete er führende Positionen im Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung. Seit 2020 vertrat er als Vize-Ministerpräsident Michail Mischustin. Beloussow sitzt im Vorstand des russischen Eisenbahnunternehmens RSCHD, von 2015 bis 2017 saß er dem Verwaltungsrat des Mineralölkonzerns Rosneft vor – abgelöst wurde er damals von Altkanzler Gerhard Schröder.

In seiner Karriere hat Beloussow eine Station verpasst: die Armee. Nach Angaben der russischen Tageszeitung fontanka.ru hat Beloussow nie gedient, besitzt aber den zivilen Rang „Wirklicher Staatsrat 1. Klasse der Russischen Föderation“. Dieser ist in Russland dem militärischen Dienstgrad eines Armeegenerals gleichgestellt.
Ausgaben des russischen Verteidigungsministeriums erfordern „besondere Aufmerksamkeit“
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte zu der unerwarteten Personalentscheidung, die militärische Komponente des Verteidigungsministeriums sei „schon immer das Vorrecht des Generalstabschefs gewesen“. Dieser bleibe aktuell Waleri Gerassimow. „Die Ernennung [Beloussows] wird das derzeitige Koordinatensystem in keiner Weise ändern“, erklärte Peskow am Sonntag, 12. Mai.
Das Verteidigungsbudget Russlands wird dieses Jahr voraussichtlich über sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts umfassen, Tendenz steigend. Das erfordere „besondere Aufmerksamkeit“, fuhr Peskow fort. „Auf dem Schlachtfeld gewinnt der, der offen ist gegenüber Innovation“, deswegen habe sich Präsident Putin für einen Zivilisten entschieden.
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Beloussow stehe für „technologische Souveränität“
Innovativ ist er: Beloussow bemühte sich in den letzten Jahren darum, Russlands Technologieforschung voranzutreiben. 2023 erschien ein unter seiner Mitwirkung ausgearbeitetes Konzept zur „technologischen Entwicklung“. Dieses sieht unter anderem vor, Russlands selbstständige Produktion von hochtechnologischen Produkten wie Mikrochips, Drohnen und Telekommunikationsgeräte anzukurbeln.
„Beloussow steht für technologische Souveränität und ist auch einer der Ideengeber von Russlands Drohnenprogramm. Er wird mit seinem Mandat also wahrscheinlich versuchen, wo möglich militärische Innovationen in die Massenproduktion zu überführen“, bekräftigt Fabian Burkhardt, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung in Regensburg und Experte für Russlands Machtzirkel. Für den Ukraine-Krieg bedeutet der neue Verteidigungsminister einen Fokus auf die Kriegswirtschaft: „Putin macht Ernst mit einem langen Krieg. Er erkennt klar, dass die Militärindustrie die Basis für den Kriegserfolg ist“, so Burkhardt weiter.
Der ehemalige Verteidigungsminister Sergej Schoigu stand oft in der Kritik. Beobachter spekulierten schon länger, ob Putin ihn abservieren wird. Jetzt ist es zwar so weit, doch degradiert wird er nicht: Er rotiert zum Sekretär des nationalen Sicherheitsrats. Was mit Nikolaj Patruschew passiert, der diesen Posten aktuell innehat, ist noch unklar. (ah)