„Abscheuliche Eskalation“: Russlands Raketenhagel schaltet ukrainische Stromversorgung aus
Russland greift wieder großflächig die Ukraine an und verwendet auch Streumunition. Über eine Millionen Menschen hatten daraufhin keinen Strom mehr.
Kiew – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland den Einsatz von Streumunition bei den jüngsten massiven Angriffen auf die ukrainische Energieinfrastruktur vorgeworfen. Die russische Armee habe bei Angriffen in mehreren Regionen diese Art von Munition verwendet und die Energie-Anlagen damit de facto vermint, erklärte Selenskyj am Donnerstag in Onlinenetzwerken. Kreml-Chef Wladimir Putin bezeichnete dagegen die großangelegten Angriffe auf die Ukraine als „Antwort“ auf fortgesetzte ukrainische Angriffe mit US-Raketen des Typs ATACMS.
Selenskyj hob hervor, der Einsatz von Streumunition erschwere „deutlich die Aufgabe unserer Rettungskräfte und unserer Energie-Ingenieure, die die Folgen der Angriffe beheben müssen“. Die Verwendung von Streumunition und der Beschuss von ziviler Infrastruktur sei „eine sehr verabscheuungswürdige Eskalation von Russlands terroristischen Taktiken“.
Nach ATACMS-Angriffen gegen Russland – Putin rächt sich wohl mit Streumunition an der Ukraine
„Heute Nacht haben wir umfassende Schläge ausgeführt“, sagte Putin während eines Besuchs in der kasachischen Hauptstadt Astana. Dabei seien mit 90 Raketen und 100 Drohnen insgesamt 17 Ziele getroffen worden. „Es war eine Antwort auf fortgesetzte Angriffe auf unser Territorium mit ATACMS-Raketen“, fügte der russische Staatschef hinzu.

Russland und die Ukraine haben ihren gegenseitigen Beschuss verstärkt, seit Kiew nach einer von Washington erteilten Genehmigung vergangene Woche erstmals Ziele innerhalb Russlands mit ATACMS-Raketen aus den USA angegriffen hatte. Der Kreml reagierte darauf mit dem erstmaligen Einsatz einer neuartigen russischen Mittelstreckenrakete. Mit Blick auf den nächtlichen Beschuss der ukrainischen Energieinfrastruktur forderte Selenskyj am Donnerstag offenbar an die westlichen Partner gewandt, die Ukraine brauche „jetzt“ sofort weitere Luftabwehrsysteme. Dies sei „insbesondere im Winter wichtig, da wir unsere Infrastruktur gegen die mutwilligen Angriffe der Russen schützen müssen“.
Nach russischer Angriffswelle: Eine Million Menschen in der Ukraine ohne Strom
Der massive russische Beschuss in der Nacht zum Donnerstag hatte in der Ukraine landesweiten Raketenalarm ausgelöst. Mehr als eine Million Menschen in den weit von der russischen Grenze entfernten westlichen Regionen Lwiw, Riwne und Wolyn wurden von der Stromversorgung abgeschnitten – und das bei winterlichen Temperaturen um den Gefrierpunkt, die derzeit in weiten Teilen des Landes herrschen. Russland greift seit Beginn der Vollinvasion im Februar 2022 immer wieder die ukrainische Energieinfrastruktur an, um die Kampfmoral der Ukrainer zu schwächen und der ukrainischen Armee logistische Probleme zu bereiten. Bislang werden die Ukrainer nicht müde, die Schäden immer wieder zu reparieren.
Streumunition gilt als besonders gefährlich. Dabei handelt es sich um Bomben oder Raketen, die eine Vielzahl von Sprengsätzen freisetzen. Viele davon explodieren nicht gleich, sondern mitunter erst Jahre später. Auf diese Weise vermint Streumunition große Flächen und stellt eine langfristige Gefahr für Zivilisten, Rettungskräfte und Räumpersonal dar. Experten zufolge haben sowohl Russland als auch die Ukraine im Krieg Streumunition eingesetzt. In der Ukraine wurden dadurch bereits mehr als tausend Menschen verletzt oder getötet, wie aus einem im September veröffentlichten Bericht der Anti-Streumunition-Organisation Cluster Munition Coalition (CMC) hervorgeht.
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Menschenrechtsorganisationen kritisieren Einsatz von Streubomben
Besonders die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) kritisiert Streumunition, die auch als sogenannte Clusterbomben bekannt sind. „Streumunition ist in 123 Ländern, die das Übereinkommen über Streumunition unterzeichnet oder ratifiziert haben, grundsätzlich verboten. Die Ukraine und Russland sind dem Abkommen nicht beigetreten. Unabhängig davon stellt der Einsatz von Streumunition in Gebieten mit Zivilist*innen einen wahllosen Angriff dar, der gegen das humanitäre Völkerrecht verstößt und möglicherweise ein Kriegsverbrechen darstellt“, warnt HRW auf ihrer Internetseite.
Kritik an beiden Kriegsparteien kommt auch von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI). „Sowohl die russischen als auch die ukrainischen Streitkräfte setzten Streumunition ein und zeigten keinerlei Absicht, diese Praxis zu beenden, trotz der unterschiedslosen Wirkung der Waffen und ihrer lang anhaltenden Risiken für die Zivilbevölkerung“, teilt AI ebenfalls auf ihrer Internetseite mit. (erpe/AFP)