„Das hat es nicht mal bei den 68ern gegeben“: Gefährdet die Generation Z den deutschen Wohlstand?

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Von vielen Seiten wird der Gen Z mangelnde Arbeitsmoral vorgeworfen, doch Gesellschaftsforscher Klaus Hurrelmann sieht „riesiges Potenzial“ in ihr.

München – Bisher hat die Gen Z noch nicht mit ihrem Arbeitswillen oder Ehrgeiz auf sich aufmerksam gemacht – ganz im Gegenteil. Vielen Unternehmen halten die Gen Z für faul, verwöhnt und zu fordernd. Doch auch wenn manche Forscher keine schöne Prognose für Arbeitgeber der Gen Z prognostizieren, liegt in ihnen eine enorme Marktmacht. Im Gespräch mit dem Handelsblatt erklärt der Gesellschaftsforscher Klaus Hurrelmann, welche Auswirkungen das auf die Arbeit in Zukunft hat.

Klaus Hurrelmann bei einem Vortrag
Gesellschaftsforscher Klaus Hurrelmann sieht positiv in die Zukunft der Gen Z. © Imago/Montage

Arbeitsmoral der Gen Z: Berufseinsteiger lassen sich die Bedingungen nicht diktieren

Laut dem Forscher sind einige der negativen Eigenschaften, die der Gen Z nachgesagt werden, nichts weiter als Vorurteile. Während manche Institutionen fordern, dass sich die Arbeitsmoral der jungen Generation ändern muss, hat die neue Einstellung zur Arbeit laut Hurrelmann auch Vorteile. Viele junge Menschen haben laut dem Experten Interesse an einer Karriere und möchten auch Verantwortung in ihrem Job übernehmen. Die Umstände unterscheiden sich jedoch von früheren Berufstätigen, „sie wollen die Bedingungen nicht mehr von den bisherigen Chefinnen und Chefs diktiert bekommen“, erklärte der Experte. Hierarchische Strukturen seien bei jüngeren Arbeitnehmern unbeliebt, sie möchten mitbestimmen.

Klaus Hurrelmann

Hurrelmann studierte in Münster und Kalifornien und promovierte in den zu den Themen Bildungssysteme und Gesellschaft und arbeitet als Professor an der Herite School in Berlin. Dort befindet er sich im Leitungsteam mehrerer Studien zur Entwicklung von Familien, Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Quelle: Hertie School

Marktmacht der Gen Z ist sehr groß: „Das hat es nicht mal bei den 68ern gegeben“

Immer wieder zeigen sich Unternehmen von den Forderungen der Gen Z geschockt. Das liegt unter anderem daran, dass die junge Generation mehr Wert auf die Work-Life-Balance legt als frühere Arbeitnehmer, berichtet die Tagesschau. Einige Unternehmer befürchten sogar, dass die Arbeitsmoral der Gen Z den Wohlstand in Deutschland gefährden könnte.

Hurrelmann widerspricht dieser Wahrnehmung jedoch. Die Forschung zeige, dass Unterschiede zwischen den Generationen nicht besonders groß seien. Stattdessen denkt der Generationenforscher, der Grund für den Unmut liegt in etwas anderem, „nämlich in der Tatsache, dass die Marktmacht der jungen Menschen heute so groß ist. Das hat es nicht mal bei den 68ern gegeben.“

Unternehmen lockern Arbeitsbedingungen: Selbstbewusstsein der Gen Z verändert die Dynamik

Die Generation ist sich ihrer Marktmacht bewusst und nutzt diese für ihre Zwecke. Ob flexible Arbeitszeiten oder Remote Work, junge Berufseinsteiger haben häufig hohe Anforderungen – und bekommen ihren Willen auch oft. Am Ende wissen die Arbeitnehmer, dass die Unternehmen auf ihre Arbeit angewiesen sind. Laut dem Spiegel lockern selbst Unternehmen in Branchen, die Leistungsdruck und Überstunden bekannt sind, ihre Arbeitsbedingungen. Unternehmen wie McKinsey damit für junge Bewerber attraktiver werden.

Berufseinsteiger probieren heutzutage gerne unterschiedliche Jobs aus und die Gen Z schämt sich auch nicht für Arbeitslosigkeit. Das neue, selbstsichere Auftreten junger Bewerber verändert die Dynamik in Vorstellungsgesprächen und ist für manche Unternehmen provokant. „Da platzt 60-jährigen Unternehmens- oder Personalchefs der Krawattenkragen“, so Hurrelmann.

Forscher sieht positiv in die Zukunft: Gen Z hat „riesiges Potenzial für Unternehmen“

Natürlich gebe es Berufseinsteiger und Arbeitnehmer aus der Gen Z, auf die das Klischee zutrifft. Doch laut dem Generationenforscher handelt es sich da um eine Minderheit von 10 bis maximal 20 Prozent. „Die restlichen 80 bis 90 Prozent sind ein riesiges Potenzial für Unternehmen. Sie wollen arbeiten und etwas erreichen, aber eben zu ihren Bedingungen.“ So mancher könnte sich eine Scheibe von der Gen Z abschneiden, denn von einer guten Work-Life-Balance profitieren alle Arbeitnehmer. Hurrelmann blickt optimistisch in die Zukunft. „Sobald die Gen Z erst mal richtig ernstgenommen wird, werden alle anderen von ihr profitieren, etwa von ihrer digitalen Intuition.“ (kiba)

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