Hohe Arbeitslosenzahlen: Trumps Zollpolitik trifft China an einer Schwachstelle

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China trifft der Handelskrieg mit den USA in einer wirtschaftlichen Umbruchphase. Im Reich der Mitte drohen steigende Arbeitslosenzahlen.

Peking – Im Zollkonflikt zwischen den USA und China gab es kürzlich eine Verhandlungspause, die vor allem in China willkommen sein dürfte. Denn die heimische Wirtschaft hat zu kämpfen - mit Folgen vor allem für den chinesischen Arbeitsmarkt. „Die Situation ist eindeutig viel schlimmer“, sagte Alicia Garcia-Herrero, Chefvolkswirtin für den asiatisch-pazifischen Raum bei der Investmentbank Natixis, der New York Times mit Bezug auf Trumps erste Amtszeit als US-Präsident.

Chinas exportorientierte Wirtschaft spielt eine wichtige Rolle für den Arbeitsmarkt

Bereits während seiner ersten Amtszeit nahm Donald Trump China ins Visier und behauptete, seine Zölle hätten dort fünf Millionen Arbeitsplätze gekostet. Im Jahr 2019 erklärte er, seine Handelspolitik habe China „zurückgeworfen“. Diese Behauptung wurde zwar von Ökonomen in ihrer Schärfe angezweifelt, verdeutlichte jedoch schon damals die zentrale Rolle der exportorientierten chinesischen Wirtschaft für den Arbeitsmarkt.

Ökonomen zweifeln die Wachstumsziele für Chinas Wirtschaft an

Seitdem hat sich die Lage noch einmal zugespitzt. In den letzten Jahren hat sich die Situation auf dem chinesischen Arbeitsmarkt verschärft. Die Wirtschaft kämpft mit der Erholung von der Pandemie und wächst langsamer als während Trumps erster Amtszeit, als das Wachstum über sechs Prozent pro Jahr betrug. Die chinesische Regierung strebt zwar in diesem Jahr ein Wachstum von etwa fünf Prozent an, doch viele Ökonomen bezweifeln, dass dieses Ziel erreicht wird.

Verhandlungen brachten eine Verschnaufpause im US-Zollstreit mit Trump

Seit Beginn seiner zweiten Amtszeit am 20. Januar verfolgt Trump einen strikten handelspolitischen Kurs. Die USA erhoben zuletzt 145 Prozent Zoll auf die meisten Importe aus China, worauf die Volksrepublik mit einem Aufschlag von 125 Prozent auf US-Waren reagierte. Im Mai erzielten Regierungsvertreter beider Länder bei Gesprächen in Genf einen Durchbruch und einigten sich darauf, die gegenseitigen Zölle vorerst zu reduzieren – auf 30 Prozent für die meisten chinesischen Importe und auf zehn Prozent für US-Waren.

Wirtschaftsexperten befürchten den Verlust von Millionen Arbeitsplätzen in China

Für Peking sind selbst die 30 Prozent US-Zölle auf chinesische Produkte keine gute Nachricht. Laut der Investmentbank Natixis könnten die Exporte in die USA um die Hälfte sinken, wenn die US-Zölle auf ihrem derzeitigen Niveau von mindestens 30 Prozent bleiben. Dies könnte zu einem Verlust von bis zu sechs Millionen Arbeitsplätzen im verarbeitenden Gewerbe führen. Sollte der Handelskrieg vollständig wieder aufflammen, könnten die Arbeitsplatzverluste dem Bericht zufolge auf neun Millionen ansteigen. Da die Beschäftigungsmöglichkeiten in anderen Sektoren in China schwinden, wird es immer wichtiger, die 100 Millionen Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe zu sichern.

Die Jugendarbeitslosigkeit in China ist besonders hoch

Anfang 2018 meldete China, dass die Arbeitslosenquote in den Städten auf ein 15-Jahres-Tief gesunken sei und das Land eine Rekordzahl neuer Arbeitsplätze geschaffen habe. Doch einstige Erfolgsbranchen wie Technologie und Online-Bildung schwächeln und stehen als Job-Motoren nicht länger zur Verfügung. Die Arbeitslosigkeit, insbesondere unter jungen Menschen, ist zuletzt gestiegen.

Nach Angaben des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts ISW lag die Arbeitslosigkeit im Februar offiziell bei 5,4 Prozent, dem höchsten Wert der letzten zwei Jahre. Die Arbeitslosenquote der 16- bis 24-Jährigen betrug im April fast 16 Prozent, was eine Verbesserung gegenüber dem Vormonat darstellt. Es wird jedoch erwartet, dass die Zahl wieder ansteigt, wenn in diesem Jahr 12 Millionen neue Hochschulabsolventen auf den Arbeitsmarkt kommen. Der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit hat für Peking hohe Priorität. Einerseits fehlt die Kaufkraft vieler junger Menschen, die mit ihren Ausgaben einen wertvollen Beitrag zum Binnenkonsum leisten könnten. Andererseits bedroht ein Gefühl der Perspektivlosigkeit in der Generation Z die Legitimität der Regierung in Peking.

Arbeitssuchende finden oft prekäre Bedingungen vor

Gleichzeitig hat sich die Situation für viele Arbeitssuchende in China verschlechtert. Immer weniger Unternehmen bieten Vollzeitarbeitsplätze an, stattdessen werden Gigworker für Dienstleistungen wie Essenslieferungen und Produktion eingesetzt. Diese Jobs bieten den Arbeitnehmern zwar mehr Flexibilität, sind jedoch in der Regel schlechter bezahlt und bieten nur wenige Schutzmaßnahmen oder Sozialleistungen.

Chinas staatlich gelenkte Marktwirtschaft befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel

Chinas staatlich gelenkte Marktwirtschaft befindet sich seit Jahren in einem tiefgreifenden Wandel: weg von arbeitsintensiven Billigprodukten, hin zu einer modernen Hightech-Industrie, die hochwertige Produkte für den Weltmarkt produziert. Aufgrund der stark gestiegenen Lohnkosten sind arbeitsintensive Fertigungen in China kaum noch wettbewerbsfähig. Die Fabriken verlagern sich nach Südostasien, wo die Löhne niedriger sind. „In den vergangenen Jahrzehnten hat China seinen Wettbewerbsvorteil ausgespielt und wurde global der führende Hersteller für arbeitsintensive Produkte. Das ist nun vorbei“, erklärte Wolfgang Müller vom ISW. Länder wie Indonesien und Vietnam hätten seit 2011 insgesamt 10 Millionen Arbeitsplätze in der Industrie geschaffen.

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