PKK legt Waffen nieder – „Historische Rede“ von Erdogan soll folgen

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Erdogan hat einen Friedensprozess mit der PKK-Terrororganisation eingeleitet. Erste Waffen wurden niedergelegt, doch noch herrscht Skepsis auf beiden Seiten.

Sulaimanija – Es ist ein erster symbolischer, aber dennoch wichtiger Schritt: Im Rahmen des Friedensprozesses mit der Türkei haben 30 Anhänger der Terrororganisation ihre Waffen im nordirakischen Sulaimaniyya niedergelegt und anschließend verbrannt. Begleitet wurde die Zeremonie von einem großen Aufgebot an internationalen Journalisten, vor allem aus der Türkei und dem Irak selbst.

Friedensprozess zwischen der Türkei und der PKK: Anhänger der Terrorgruppe verbrennen ihre Waffen

PKK-nahe Sender und Medien aus dem Irak verbreiteten zunächst Fotos und dann im Anschluss auch Videos der Veranstaltung. 15 männliche und 15 weibliche PKK-Anhängerinnen, darunter auch hochrangige Kommandeure wie Bese Hozat und Mustafa Karasu, versammelten sich in der Nähe der Dschasene-Höhle in der Region Dukan der Provinz Sulaimanija.

Bereits zuvor war bekannt, dass es sich um einen ersten symbolischen Akt handeln würde, denn schließlich handelte es sich um eine begrenzte Aktion mit 30 Militanten und einer geringen Zahl an Waffen. Kurz vor der Veranstaltung berichtete der nordirakische Sender Rudaw, die PKK wolle mit der Verbrennung der Waffen „guten Willen“ angesichts des Friedensprozesses zeigen. Mit dabei war neben nordirakischen Vertretern auch eine hochrangige Delegation der pro-kurdischen DEM Partei aus der Türkei. Türkischen Quellen zufolge wurde der ganze Prozess vom Geheimdienst MIT beobachtet.

Die 30 PKK-Anhänger legten ihre Waffen und Ausrüstung, in erster Linie Kalaschnikows und weitere Gewehre, der Reihe nach in eine Art Feuerschale. Die Schale wurde später angezündet und die Waffen so vernichtet. Nach dem Ende der Zeremonie kehrten die PKK-Mitglieder in ihre Lager zurück. Aus Sorge vor Sabotage und wegen Sicherheitsvorkehrungen wurde der Ort der Waffenniederlegung im Voraus nicht öffentlich bekanntgegeben.

Etwa 30 PKK-Mitglieder haben symbolisch ihre Waffen niedergelegt und verbrannt. © AFP/Collage

Friedensprozess zwischen der Türkei und der PKK: „Es braucht rechtliche Anpassungen“

Vor der Verbrennung der Waffen hielten die hochrangigen Vertreter der PKK eine Presseansprache sowohl auf Türkisch als auch auf Kurdisch - mit einem aktuellen Foto des PKK-Gründers Abdullah Öcalan im Hintergrund, das auf einen großen Bildschirm projiziert wurde. Öcalan hatte in einer Erklärung am 27. Februar die Auflösung der PKK angeregt und im Grunde erklärt, dass die bewaffnete Gruppierung nun überflüssig geworden sei und man sich stattdessen auf politische Mittel konzentrieren müsse. Zuvor hatten der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und sein nationalistischer Verbündeter, MHP-Chef Devlet Bahceli, den Friedensprozess angestoßen.

In der Presseansprache in Sulaimanija hieß es nun, dass man die Waffen „mit freiem Willen“ niederlege und so der Forderung von Öcalan nachkomme. Gleichzeitig forderte man „Gesetze zur demokratischen Integration.“ Bese Hozat, eine der führenden Frauen in der PKK-Terrororganisation, erklärte angesichts der Verbrennung der Waffen: „Wir zerstören die Waffen, um dem Prozess den Weg zu ebnen. Damit all dies weitergehen und erfüllt werden kann, braucht es rechtliche Anpassungen.“

Gemeint sind damit Anpassungen in der türkischen Verfassung, die die Rechte der Kurden garantieren sollen, wie etwa mehr Freiheiten für die kurdische Sprache und Kultur. Gefordert wird eine verfassungsrechtliche Verankerung, die kein Raum für Zweifel lässt. Einen eigenen souveränen Staat unter Abspaltung von der Türkei will man laut Öcalans Aussagen nicht mehr, sondern viel mehr eine „türkisch-kurdische Bruderschaft“. Im Rahmen des Friedensprozesses wird dieser Begriff sowohl vom Erdogan-Lager als auch vom DEM-Lager immer wieder hervorgehoben. Nationalistisch-konservative Kreise in der Türkei sehen jedoch einen Deckmantel für Zugeständnisse an die PKK.

Friedensprozess zwischen der Türkei und der PKK: Erdogan-Lager begrüßt den Schritt

Von einem hochrangigen türkischen Regierungsbeamten hieß es gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, die Waffenniederlegung der PKK-Kämpfer markiere „einen konkreten und begrüßenswerten Schritt zur Beendigung der jahrzehntelangen Gewaltkampagne der Gruppe. Wir betrachten diese Entwicklung als einen unumkehrbaren Wendepunkt“.

Der Sprecher der Erdogan-Regierung, Ömer Celik, meldete sich im Kurznachrichtendienst X zu Wort und sprach von einem „ersten Schritt in Richtung einer Türkei ohne Terror“. Die erste „kritische Schwelle“ sei überwunden. Zugleich forderte er die schnelle Auflösung der PKK gemeinsam mit all ihren Ablegern. Ankara will, dass sich PKK-Ableger in Syrien oder im Iran ebenso auflösen.

Auch Erdogans Verbündeter Bahceli lobte die symbolische Waffenniederlegung der PKK. In einer schriftlichen Erklärung betonte er, Öcalan habe sein Versprechen gehalten und „globale sowie regionale Bedrohungen rechtzeitig gesehen“. Die DEM Partei hat sich laut Bahceli „vernünftig und verantwortungsvoll“ verhalten. Die Partei habe sich auf die Seite der „tausendjährigen Bruderschaft“ gestellt. Das Regierungslager in der Türkei spricht immer wieder von der Notwendigkeit, die „Heimatfront“ der Türkei angesichts globaler und regionaler Herausforderungen verstärken zu müssen. Dafür müsse auch der Terror enden.

Die PKK

Die PKK hatte ab 1984 gegen den türkischen Staat und eigenen Angaben zufolge für die Rechte der kurdischen Bevölkerung gekämpft. Mehr als 40.000 Menschen wurden in dem Konflikt zwischen der PKK und der türkischen Armee getötet. Die PKK ist in der Türkei, der EU und den USA als Terrororganisation gelistet. Ihr Hauptquartier liegt in den nordirakischen Kandil-Bergen. Der Gründer Abdullah Öcalan wurde 1999 in Kenia gefasst und verbüßt seitdem eine lebenslängliche Haftstrafe auf der Insel Imrali im Marmarameer.

Friedensprozess zwischen der Türkei und der PKK: Misstrauen bleibt bestehen

Ob der Prozess von Erdogan nun tatsächlich in einen politischen Neuanfang münden kann, ist unklar. Das Misstrauen ist auf beiden Seiten nach wie vor groß. Ein erster Friedensprozess Anfang der 2010er Jahre war gescheitert. Die PKK hatte danach im Jahr 2015 auf eigene Faust eine „Autonomie“ in mehreren türkischen Städten im Südosten verkündet. Türkische Sicherheitskräfte hatten nach monatelangen Kämpfen, die als „Grabenoperationen“ bekannt wurden, die Kontrolle über diese Gebiete wiedererlangt. Der türkischen Darstellung zufolge nutze die PKK den ersten Friedensprozess, um mehr Waffen zu sammeln und Angriffe so fortzusetzen.

Vor allem nationalistische Türken verurteilen den aktuellen Prozess scharf und sehen im Handeln der Erdogan-Regierung einen „Verrat“ am eigenen Volk. Dem nationalistischen Lager zufolge bietet der Friedensprozess eine Lebenslinie für die PKK, deren Entwaffnung und Auflösung sie keinen Glauben schenken. Viele Fragen sich, welche Zugeständnisse nach all den Opfern gemacht wurden und befürchten mit Blick auf die Bemühungen um eine neue Verfassung, dass die Grundpfeiler der Republik beeinträchtigt werden könnten. Dazu gehören einzig und allein Türkisch als Amtssprache sowie die Definition der Staatsbürgerschaft, wonach jeder türkischer Staatsbürger auch nur als Türke angesehen wird.

Die pro-kurdische DEM Partei und die PKK kritisieren hingegen, dass der Staat trotz der erwarteten Auflösung der Terrorgruppe noch keine nennenswerten, verfassungsrechtlichen Schritte eingeleitet hat, um die Rechte und Gleichstellung der Kurden zu garantieren, die sie als eine der Hauptbestandteile des Volkes in der Türkei sehen. Erdogans Regierungssprecher Celik stellte zuletzt klar, dass man die „Grundwerte“ der Republik nicht verhandeln werde. Für die meisten sind dies die ersten vier und der 66. Artikel der türkischen Verfassung, die dem Staat ihren türkischen Charakter verleihen.

Friedensprozess zwischen der Türkei und der PKK: Erdogan will „historische Rede“ halten

Hinzu kommt, inwiefern die Auflösung der PKK mit all ihren Ablegern eine praktische Form annehmen wird. Die PKK gilt als in mehrere kleinere und größere Gruppierungen zersplittert. Auch wenn Öcalan bis heute hohe Autorität in der Vereinigung zugesprochen wird, wird bezweifelt, dass alle der Kämpfer für eine Aufgabe des bewaffneten Kampfes sind. Schon im Vorfeld des 12. Kongresses der PKK, wo die Auflösung beschlossen wurde, herrschten klare Meinungsverschiedenheiten.

Unklar ist auch, ob die syrische Kurdenmiliz YPG unter dem Namen „Syrische Demokratische Kräfte“ (SDF), die im Nordosten Syriens eine selbsternannte „Autonomieverwaltung“ aufgebaut hat und enge Verbindungen zur PKK unterhält, Teil des Friedensprozesses mit der Türkei sein wird. Jedenfalls wächst der Druck auf die SDF, die einen gewissen Grad an Autonomie beibehalten will. Nicht nur Erdogan, sondern selbst die USA lehnen die Forderung nach Föderalismus ab. Aktuell sieht es stark danach aus, dass sich auch die SDF vollständig auflösen werden muss.

Laut Regierungssprecher Celik will Erdogan am Samstag (12. Juli) eine „historische Rede“ halten. Die Rede des Staatschefs dürfte weitere, wichtige Hinweise auf den Verlauf des Prozesses geben. Noch ist unklar, inwieweit sich Ankara auf die Forderungen der PKK und der DEM-Partei einlassen wird. Von der Regierung heißt es jedenfalls, man befinde sich nicht in einem „Verhandlungsprozess“. (bb)

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