„Katastrophe für die Demokratie“ – Kleinparteien schlagen wegen zu früher Bundestagswahl Alarm

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Im Februar wird neu gewählt. Besonders für kleine Parteien ist das eine Herkulesaufgabe. „Viele werden daran scheitern“, lautet eine düstere Prognose.

Berlin – Am 23. Februar wird neu gewählt. Nach wachsendem Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz einigten sich nun SPD und CDU, die Bundestagswahl schon vor dem ursprünglich angedachten Termin im März abzuhalten. Was angesichts des drohenden Stillstands und Reformstaus der Minderheitsregierung nach einer guten Idee klingt, bringt aber auch enorme Probleme mit sich. Nämlich für Kleinparteien. Diese schlagen wegen der vorgezogenen Wahl Alarm.

Neuwahlen schon im Februar?

Vor Wahlen gilt es für Parteien, einiges zu organisieren. Kandidatinnen und Kandidaten müssen antreten und festgelegt werden, sich in Wahllisten aufstellen lassen, außerdem müssen sie Unterstützerinnen und Unterstützer suchen. Was große Parteien meist vor keine allzu großen Herausforderungen stellt, ist bei kleinen dagegen schon bei einer regulär terminierten Wahl ein Kraftaufwand.

Für Kleinparteien stellt der vorgezogene Wahltermin eine große organisatorische Herausforderung dar. Einige werden es nicht schaffen, lautet die düstere Prognose von Volt. © IMAGO / Funke Foto Services/ Revierfoto/ Fotostand/ Montage

Eine Verkürzung dieser Vorbereitungszeit „stellt uns gerade jetzt in der kalten Jahreszeit und mit Weihnachten vor der Tür vor große Herausforderungen“, sagt Borys Sobieski, Bundesvorsitzender der Piraten, unserer Redaktion. „Die für Kleinparteien üblichen Probleme mit der Zulassung und vor allem mit dem Sammeln von Unterstützungsunterschriften sind in dieser komprimierten Form fast nicht zu schaffen.“ Um an der Bundestagswahl teilnehmen zu dürfen, müssen kleine Parteien auf Landesebene eine Mindestanzahl an Unterstützerinnen und Unterstützern sammeln. In den meisten Bundesländern sind dazu jeweils 2000 Unterschriften nötig.

Für Kleinparteien sind frühe Neuwahlen „Katastrophe“

Für Sobieski und die Piraten kommt die Wahl vor März deshalb ungelegen: „Wenn wir bei der Festlegung des Termins etwas mitreden dürften, so wäre uns, wenn dann, der ursprünglich vom Kanzler vorgesehene Termin lieber als alles, was davor liegt.“ Der Piraten-Politiker befürchtet durch die vorgezogenen Wahlen ein Erstarken der extremen Ränder, während „die demokratischen Parteien und die Demokratie an sich unter dieser Situation leiden.“

Auszählung der Wahlzettel nach der Bundestagswahl 2021
Im Kampf um die Stimmen der Wählerinnen und Wähler fühlen sich kleine Parteien durch den vorgezogenen Wahltermin benachteiligt. © Sebastian Gollnow/dpa

Maral Koohestanian, Politikerin und Wiesbadener Stadträtin für Volt, spricht bei noch früheren Wahlen und den Hürden der Mobilisierung für die nötigen Unterschriften sogar von einer „Katastrophe für die Demokratie“. Zwar betont sie, dass Volt „absolut bereit“ für die Bundestagswahl sei und durch frühzeitige Vorbereitung die Wahllisten in den nächsten zwei Wochen gewählt würden. Doch das gilt Koohestanian zufolge nicht für alle Kleinparteien: „Viele andere werden leider daran scheitern und genau das schadet der Demokratie.“ Auch die steigenden Wahlkampfausgaben stellen der Volt-Politikerin zufolge eine immer größere Herausforderung für kleine Parteien dar: „Der Bundestag soll das demokratische Spektrum abbilden und nicht zu einer zwei-Parteienauswahl verkommen oder nur noch zugänglich sein für gut vernetzte Politiker*innen.“

Kleinpartei fühlt sich durch Neuwahlen „massiv benachteiligt“

Auch die Ökologisch-Demokratischen Partei ÖDP sieht sich angesichts der nun kurzfristig zu sammelnden Unterschriften vor große Probleme gestellt und fordert, dass die Anzahl nötiger Signaturen gesenkt wird. „Es gibt bei der Bundestagswahl keine reduzierten Quoren bei einer vorgezogenen Wahl, wie zum Beispiel im Landeswahlrecht Rheinland-Pfalz“, wie ÖDP-Generalsekretär Claudius Moseler gegenüber IPPEN.MEDIA beschreibt. Er wird deshalb klar: „Selbst der Kanzlertermin 9. März ist zu früh“, und fordert angesichts des nun bekannt gewordenen 23. Februar den Bundestag dazu auf, den Termin nochmal zu überdenken. Moseler verweist außerdem auf behördliche Wartezeiten. So benötigte die Bestätigung der Unterschriften schon bei der letzten Europawahl bei den Gemeinden ein bis zwei Wochen.

„Aus allen diesen genannten Gründen sehen wir uns im aktuellen Fall als massiv benachteiligt an, insbesondere je früher der entsprechende Bundestagswahltermin stattfindet und sollte es keine Erleichterungen bei den Unterschriften geben“, sagt der ÖDP-Generalsekretär. Trotzdem möchte die Partei bei der Bundestagswahl antreten.

Ordentlicher Wahlkampf „wird kaum möglich sein“

Ähnliche Bedenken hat auch die Tierschutzpartei. „Die Herausforderungen sind für uns als kleine Partei immens und kaum zu stemmen“, heißt es von der Pressestelle auf Anfrage. „Nur wenn sich Mitglieder unbezahlten Urlaub nehmen und ihre gesamte Zeit ins Unterschriftensammeln stecken, werden wir einigermaßen flächendeckend antreten können. Ein ordentlicher Wahlkampf, in dem wir unsere Inhalte vermitteln können, wird kaum möglich sein.“ All das gelte laut Tierschutzpartei für den ursprünglich vom Bundeskanzler angedachten Termin Mitte oder Ende März. „Ein noch früherer Termin wäre für uns geradezu katastrophal.“

Für frühere Neuwahlen dagegen sind die Freien Wähler (FW). „Eine längere Phase der Unsicherheit unter einer aktuellen Minderheitsregierung ist nicht im Sinne der Bürgerinnen und Bürger“, sagte FW-Generalsekretär Gregor Voht unserer Redaktion. Allerdings sind die Freien Wähler durch ihre Mitgliedschaft in zwei Landesparlamenten auch vom Sammeln der Unterschriften befreit.

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