Zwei Jahre ist es her, dass die damalige Ampel-Regierung zum letzten Autogipfel im Kanzleramt lud. An diesem Donnerstag ist es wieder soweit. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) lädt Ministerpräsidenten aus den Länder der deutschen Autohersteller, Industrie-Bosse und Gewerkschaften ins Kanzleramt ein, um über die Zukunft der deutschen Autoindustrie zu diskutieren. Auto-Experte Dudenhöffer hält von dem Autogipfel übrigens nichts.
Die Gipfel haben seit 2010 Tradition. Angela Merkel (CDU) rief damals den ersten ein, auf dem die Zielmarke von einer Million Elektroautos in Deutschland bis 2020 festgesetzt wurde. Auf späteren Gipfeln wurde Zuschüsse, der Ausbau der Ladeinfrastruktur, die Umweltprämie für Elektroautos und das Ziel von 15 Millionen Elektroautos bis 2030 beschlossen. Auch vom jetzigen Autogipfel sind wegweisende Änderungen zu erwarten. Diese Themen werden heiß diskutiert werden.
Aus für das Verbrenner-Aus?
Ab 2035 dürfen in der EU keine Neuwagen mehr verkauft werden. Praktisch bedeutet das ein Verbot für Neuwagen mit einem Verbrennungsmotor, der mit Benzin oder Diesel angetrieben wird. Für E-Fuels soll in einer neuen Verordnung möglicherweise eine Ausnahme geregelt werden. Doch Merz und die Union stellen das Aus jetzt ganz in Frage. „Ich möchte nicht, dass Deutschland zu den Ländern gehört, die an diesem falschen Verbot festhalten“, sagte der Kanzler zuletzt im Interview mit n-tv, „Meine klare Vorstellung ist, dass wir dieses sogenannte Verbrennerverbot in der Form nicht aufrechterhalten.“
Das Verbrenner-Aus zurückzunehmen oder zu verschieben, wäre aber schwer. Erstens kann Deutschland keinen Alleingang machen, es müssten auch alle anderen EU-Mitglieder überzeugt werden. Einige davon wie Schweden, Dänemark, Irland und die Niederlande haben eigene Verbrennerverbote beschlossen, die sogar noch vor 2035 in Kraft treten werden. Allerdings wäre EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) geneigt, dem deutschen Willen nachzugeben. Sie hatte sich ihre Wiederwahl 2024 mit Zugeständnissen in diese Richtung an die konservativen Parteien im EU-Parlament gesichert.
Doch selbst innerhalb Deutschlands ist der Rücktritt vom Verbot umstritten. Der dafür zuständige Umweltminister Carsten Schneider (SPD) ist strikt dagegen. Möglich ist aber, dass die SPD Ausnahmen zustimmt. So könnten Verbrenner etwa für Nutzfahrzeuge wie Lkw weiter erlaubt bleiben, zumindest für einige Jahre nach 2035.
Stahlbonus für die Autoindustrie?
Neben dem Verbrenner-Aus drücken die Autoindustrie aber auch die von der EU festgelegten Flottengrenzwerte. Damit ist festgelegt, wie hoch die Emissionen in der gesamten Fahrzeugflotte eines Herstellers sein dürfen. Null-Emissions-Autos wie Elektroautos (ungeachtet der Produktionsbedingungen) können dabei Verbrenner quersubventionieren.
Doch deutsche Autobauer verdienen ihr meistes Geld immer noch mit schweren und emissionsreichen Oberklasse-Wagen. Deswegen drohen sie die geltenden Grenzwerte zu überschreiten, was Strafzahlungen im Milliarden-Bereich nach sich ziehen würde. Die Hersteller bemängeln, dass sie damit gegenüber internationalen Konkurrenten, besonders aus China, unterlegen sind. Chinesische Hersteller haben einen viel höheren Anteil an Elektroautos und deswegen keine Probleme, EU-Grenzwerte einzuhalten.
Grenzwerte und Strafzahlungen nur schwer änderbar
Die Grenzwerte und Strafzahlungen an sich dürften sich nur schwer ändern lassen. Auch hier müssten wieder alle EU-Länder zustimmen, doch Frankreich (mit Renault und Peugeot) und Italien (Fiat) sowie andere Länder mit Autobauern würden wohl kaum Deutschland eine Ausnahme genehmigen, wenn ihre eigenen Autobauer sich unter Anstrengungen an die Regeln halten.
Deswegen gibt es in der Bundesregierung nach Medienberichten die Idee, in die Berechnung der Flottengrenzwerte auch andere Parameter einfließen zu lassen. So könnte es einen Bonus geben, wenn Autobauer grünen Stahl aus der EU in ihren Pkw verbauen. Grüner Stahl heißt so, weil er mit erneuerbaren Energien hergestellt wird und damit sehr emissionsarm ist. Das könnte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, denn dann hätte die ebenfalls strauchelnde Stahlindustrie eine höhere Nachfrage von den Autobauern und einen größeren Anreiz, ihre Herstellung umweltfreundlich umzubauen.
Der Plan ist innerhalb der Bundesregierung kaum umstritten. Allerdings kann Merz ihn nicht allein umsetzen, die EU müsste zustimmen. Alternativ könnte Deutschland den Autobauern einen Bonus in Höhe der EU-Strafzahlungen zahlen, wenn sie die Stahl-Bedingungen erfüllen. Das Geld käme dann aber aus dem Bundeshaushalt.
Höhere Kfz-Steuer für Verbrennerautos?
Das Bundesumweltministerium soll laut Handelsblatt die Idee eingebracht haben, die Kfz-Steuer für Verbrenner-Autos zu erhöhen. Ob dies parallel zu einer möglichen Verschiebung des Verbrenner-Aus geplant wäre oder unabhängig davon, ist unklar. Der Betrieb eines Autos, welches Benzin oder Diesel als Kraftstoff benutzt, wird in den kommenden Jahren durch den steigenden CO2-Preis ohnehin teurer werden. Eine höhere Kfz-Steuer könnte dann der Logik folgend noch mehr Menschen dazu bewegen, sich lieber ein Elektroauto anzuschaffen.
Auf der anderen Seite ist schon so gut wie beschlossene Sache, dass die Steuerbefreiung von Elektroautos verlängert wird. Dies hatten Union und SPD bereits im Koalitionsvertrag vereinbart. Bisher galt, dass nur noch in diesem Jahr zugelassene Elektroautos für fünf Jahre von der Abgabe befreit werden. Künftig soll das für alle Neuzulassungen bis 2030 für dann jeweils fünf Jahre ab Zulassung gelten. Möglich ist das allerdings nur für rein elektrisch betriebene Pkw, also nicht für die Hybriden.
Social-Leasing-Programm?
Ebenfalls im Koalitionsvertrag steht ein „Programm für Haushalte mit kleinem und mittlerem Einkommen“ für den Umstieg auf ein Elektroauto. Die Mittel dafür sollen aus dem EU-Klimasozialfonds stammen. Gemeint ist damit ein Förderprogramm, welches international als „Social Leasing“ bezeichnet wird. Dabei würde der Staat die Leasingraten für ein Elektroauto für Menschen unter einem bestimmten Einkommen bezuschussen. Angepeilt wären Leasingraten zwischen 100 und 200 Euro pro Monat, die die Verbraucher noch selbst zahlen müssten. Für Deutschland wurde die Idee schon beim letzten Autogipfel 2023 besprochen, bisher aber nicht umgesetzt.
Ein solches Social-Leasing-Programm gibt es bereits in Frankreich. Hier werden die monatlichen Raten vom Staat auf 200 Euro gedeckelt. Anspruchsberechtigt sind Menschen mit niedrigem Einkommen, die eine bestimmte tägliche Pendelstrecke oder jährliche Fahrleistung nachweisen können. Es war so erfolgreich, dass das Budget von 50.000 Elektroautos schnell ausgebucht war. Derzeit arbeitet die französische Regierung an einer Neuauflage des Programms. Auch der US-Bundesstaats Washington legte vergangenes Jahr ein Social-Leasing-Programm auf. Es musste ebenfalls nach nur zwei Monaten beendet werden, weil die Mittel unter einer Flut von Anträgen schnell erschöpft waren. Spätere Evaluationen zeigten bei beiden Programmen, dass fast ausschließlich Menschen profitierten, die sich ohne staatliche Hilfe niemals ein Elektroauto hätten leisten können.
Weitere Hilfen für Elektroautos
Besonders die Gewerkschaften wie die IG Metall drängen darauf, dass ein solches Programm auch in Deutschland gestartet wird. Die IG Metall nimmt ebenfalls am Autogipfel teil. Generell wünschen sich die Arbeitnehmervertreter noch mehr Hilfen der Bundesregierung für den Durchbruch von Elektroautos. Gleichzeitig müssten sich dann aber die Hersteller verpflichten, keine weiteren Stellen in Deutschland abzubauen. Derzeit laufen bei allen Autobauern und vielen Zulieferern Sparprogramme, in deren Zuge in den kommenden Jahren zehntausende Stellen abgebaut werden sollen.
Zu den weiteren Hilfen könnte etwa eine neue Kaufprämie gelten, die greift, wenn Menschen ihren alten Verbrenner gegen ein neues oder gebrauchtes Elektroauto austauschen. Die IG Metall brachte zudem steuerliche Vergünstigungen für Privatpersonen ins Spiel, die ein batteriebetriebenes Fahrzeug erwähnen.
Die Hersteller wiederum hoffen auch auf Hilfen beim Strompreis. Hier könnte die Bundesregierung besonders energie-intensive Unternehmen mit einem Tarif von fünf Cent pro Kilowattstunde fördern. Das würde den Bundeshaushalt aber ebenfalls mit rund einer Milliarde Euro belasten.