Neues Tierheim, neue Regeln: Seniorin darf mit Patenhündin nicht mehr Gassi gehen
Hundepatin Elke Schmidt geht seit fünf Jahren mit Hündin Amelie spazieren. Das Tierheim Hanau unterbindet nun die Ausflüge. Amelie könnte beißen.
Hanau – Zwei- bis dreimal die Woche geht Elke Schmidt mit der Tierheimhündin Amelie Gassi – seit fünf Jahren. Die Seniorin und die rumänische Mischlingshündin sind ein eingespieltes Team. Elke Schmidt ist Amelies Gassipatin, unterstützt das Tierheim Babenhausen mit fünf Euro monatlich.
Eigentlich hatte die Seniorin vor, Amelie zu sich zu nehmen. Doch der Hund war eifersüchtig auf den pflegebedürftigen Ehemann der Rentnerin – und schnappte zu. Ein Zusammenleben war nicht möglich. „Die Patenschaft war deshalb eine gute Lösung“, sagt die 74-Jährige. Zudem betont sie, dass die Spaziergänge mit dem Hund für sie eine willkommene Auszeit zur anstrengenden Pflegearbeit gewesen seien.
Doch seit November ist alles anders. Die mittlerweile zehnjährige Amelie wurde vom Babenhausener Tierheim in das in Hanau verlegt. Der Grund: die Hoffnung auf bessere Vermittlungschancen. Also tritt Elke Schmidt, die in Rodgau lebt, umgehend dem Hanauer Tierschutzverein bei und übernimmt erneut die Patenschaft für ihre Amelie, zahlt dafür zehn Euro im Monat.
„Dreimal durfte ich danach noch mit ihr Gassi gehen – dann war’s vorbei“, erzählt die Rentnerin. Anfang Februar sei sie am Eingangstor des Hanauer Tierheims abgewiesen worden. Die Begründung: Amelie müsse jetzt einen Maulkorb tragen, den sie sich aber immer wieder abstreife. Deshalb bekomme sie Maulkorbtraining. Gassi könne sie lediglich mit geschultem Tierheimpersonal gehen.

Hanauer Hündin Amelie war jahrelang ohne Maulkorb ausgekommen
Elke Schmidt versteht die Welt nicht mehr. In ihrer Verzweiflung schreibt sie eine E-Mail an unsere Zeitung. „Amelie ist jahrelang ohne Maulkorb ausgekommen. Jetzt soll sie plötzlich einen tragen, ich verstehe es nicht.“ Elke Schmidt hängt die schriftliche Korrespondenz mit dem Tierheim an. Von diesem fühlt sich die Seniorin zurückgewiesen.
„In den Vertragsbedingungen ist nicht aufgeführt, dass Training für einen Hund ein Gassigehen ausschließt.“ In einem Telefonat mit unserer Zeitung schildert sie, dass sie mit der Hündin keinerlei Probleme beim Gassigang gehabt hätte; es sei deshalb für sie nicht nachvollziehbar, „dass man Amelie offensichtlich die vertraute Person nehmen möchte.“
Amelies Problem: Sie ist extrem eifersüchtig. Das sei auch der Grund gewesen, weshalb sie nach dem Ehemann von Elke Schmidt geschnappt habe, sagt die Seniorin. In Babenhausen habe deshalb niemand mit ihr gehen wollen.
Meine news
Tierheim Hanau: Eifersüchtige Hündin kann für alle gefährlich werden
Da Elke Schmidt Hundeerfahrung hatte, habe sie sich Amelie ausgesucht. „Es ist in den vielen Jahren im Tierheim nicht gelungen, die Eifersucht abzutrainieren. Gerade für Hunde aus Rumänien ist mit Vertrauen zu einer Person sicher mehr zu erreichen als mit Training“, ist Elke Schmidt überzeugt. Es hat aus ihrer Sicht den Anschein, dass es bei der Mitgliedspflicht zum Gassigehen nur um Geldeinnahmen – was bei der finanziellen Notlage der Tierheim verständlich sei –, nicht aber um das Wohl der Hunde gehe.
Leiterin Kathrin Totsche erläutert im Gespräch mit unserer Zeitung Amelies Fall aus der Sicht des Hanauer Tierheims. „Das Problem bei Amelie ist, dass sie ihre Person verteidigt. Zu Elke Schmidt ist Amelie lieb und zugänglich. Aber sobald jemand zu nahe kommt, verteidigt sie Frau Schmidt. Und das kann für alle gefährlich werden.“
Amelie darf in Hanau nur mit geschulten Mitarbeitern Gassi gehen
Aus diesem Grund absolviere die Hündin derzeit das Maulkorbtraining. Wie lange dies dauern wird, sei noch nicht absehbar. Derzeit geht Amelie ausschließlich mit den geschulten Mitarbeitern des Tierheims Gassi. „Wir müssen gezielt darauf hinarbeiten, dass sie in Situationen mit anderen Menschen niemanden verletzten kann.“ Zudem trage das Tierheim die Verantwortung.
„Sollte etwas passieren, sprich jemand gebissen werden, muss der Verein die Kosten tragen.“ Dies sei Elke Schmidt mehrfach erklärt worden. „Wenn es zu einem Biss kommt, könnte Amelie gelistet werden und ihre Chancen auf eine Vermittlung sinken deutlich“, so Totsche.
Tierheim Hanau: „Patenschaft beinhaltet kein Recht auf das Gassigehen“
Und wann darf Elke Schmidt wieder mit Amelie Gassi gehen? „Sobald Amelie einen Maulkorb anbehält, darf sie wieder mit Gassigehern spazieren gehen, die das Tierheimpersonal für geeignet hält“, lautet die Antwort aus dem Tierheim. Dabei betont Kathrin Totsche: „Eine Patenschaft beinhaltet kein Recht auf das Gassigehen mit seinem Patenhund.“ Vielmehr sei sie vorrangig eine finanzielle Unterstützung für den Hund.
Elke Schmidt will in ein, zwei Wochen nochmals im Tierheim nachfragen. „Aber ich vermute, dass sie mir das Tier nicht mehr geben werden“, sagt sie traurig. (Von Kerstin Biehl)
Das Tierheim Babenhausen sucht derweil dringend nach einem Paten, um Mischlingsrüden Boža wieder auf die Beine zu helfen.